LG Bonn: Keine Heimtücke bei „inniger Liebe“
Ein Urteil des LG Bonn stößt an die Grenzen des deutschen Strafrechtes – genauer: des § 211 StGB.
Ein 85-Jähriger wollte mit seiner dementen Frau sterben – aus Angst, selbst ein Pflegefall zu werden und sich nicht mehr um seine schwerkranke Frau kümmern zu können. Daher führte er einen Autounfall herbei, bei dem aber wider Erwarten nicht beide ums Leben kamen, sondern nur seine Frau. Nun musste sich der Rentner vor Gericht wegen Mordes verantworten.
Die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 211 StGB (Heimtücke) liegen vor. Er nutzte bewusst die auf der Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Opfers aus, sodass seine Ehefrau den Angriff weder vorhersehen noch erwarten konnte. Allerdings fragt man sich, ob dieser Sachverhalt wirklich nach einer im Falle der Verurteilung wegen Mordes zwangsläufigen Verurteilung zur einer lebenslangen Freiheitsstrafe ruft. Das LG Bonn meinte hierzu: „Er hat sich selber bestraft, wie es schlimmer nicht sein kann.“ Daher wollte man eine Verurteilung wegen Mordes vermeiden.
Möglich war dies über das subjektive Tatbestandsmerkmal der feindseligen Willensrichtung (grundlegend BGH v. 22. 11. 1956 – GSSt 1/56, BGHSt 9, 385 (390)). Danach liegt keine Heimtücke vor, wenn der Täter allein zum (vermeintlich) Besten des Opfers handelt, also rein altruistische Motive seine Tat leiten. Es handelt sich um einen Ausnahmefall, weswegen hier eine genaue Prüfung erfolgen muss, ob nicht auch andere (eigensüchtige) Gründe eine Rolle spielten (ausführlich MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl. 2012, § 211 Rn. 190 ff.).
Die Konstruktion des BGH zur feindseligen Willensrichtung sowie die Kritik in der Literatur (MüKoStGB/Schneider, 2. Aufl. 2012, § 211 Rn. 194 ff.) sollten bekannt sein, ebenso die Reformbestrebungen des Justizministern Maas. Zum einen um in Prüfungen zu glänzen, zum anderen um juristischen Laien das deutsche Strafrecht näher bringen zu können („aber der hat das doch geplant!“).
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