Überblick Referendariat: Pfändungsschutzkonto nach § 850k ZPO
Relevant in erster Linie für Referendare, aber möglicherweise auch für die mündliche Prüfung im ersten Examen, für die juristische Allgemeinbildung oder für die Rechtsberatung in eigener Sache..: Der Gesetzgeber hat mit Wirkung vom 1.7.2010 § 850k ZPO neu gefasst und das sogenannte „Pfändungsschutzkonto“ eingeführt. Das Guthaben auf diesem Konto ist mit einem bestimmten monatlichen Sockelbetrag vor Pfändungen durch Gläubiger des Kontoinhabers geschützt (§ 850k Abs. 1 S. 1 ZPO).
Dabei wird grundsätzlich nur der einfache Pfändungsbetrag nach § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO berücksichtigt; weitere Unterhaltspflichten, die den Betrag erhöhen können werden nach § 850k Abs. 2 ZPO berücksichtigt.
Einbettung in das System der Zwangsvollstreckung
Das Pfändungsschutzkonto begrenzt insofern die Wirkung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach §§ 829, 835 ZPO, mit dem der (Vollstreckungs-)Gläubiger wegen einer Geldforderung in Forderungen des (Vollstreckungs-)Schuldners vollstrecken kann. Dieser Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bewirkt ein Arrestatorium (§ 829 Abs. 1 S. 1 ZPO – der Drittschuldner darf nicht mehr an den Gläubiger zahlen) und ein Inhibitorium (§ 829 Abs. 1 S. 2 ZPO – der Schuldner darf nicht mehr über die Forderung verfügen). Die Forderung wird gleichzeitig dem Gläubiger zur Einziehung (der Regelfall) oder an Zahlungs statt überwiesen, § 835 Abs. 1 ZPO.
Von beiden Wirkungen des Beschlusses normiert § 850k ZPO eine begrenzte Ausnahme. Nach § 850k Abs. 1 darf der Schuldner bis zum Ende des Kalendermonats über Guthaben in Höhe des monatlichen Freibetrages verfügen. Nach § 850k Abs. 5 S. 1 ZPO ist die Bank dem Schuldner in diesem Umfang auch zur Leistung verpflichtet, d.h. sie muss dem Schuldner das Geld auf seinem Konto auszahlen. So kann der Schuldner im Ergebnis über den pfändungsfreien Sockelbetrag verfügen, als wäre nicht gepfändet worden.
Verhältnis zuden §§ 850ff. ZPO und § 850l ZPO (§ 850k ZPO a.F.)
§ 850k ZPO bringt eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Pfändungsschutz. Die Pfändungsverbote der §§ 850ff. ZPO erfassen nur Arbeitseinkommen oder Unterhaltsleistungen direkt. Sind sie einmal überwiesen, geht der von den §§ 850ff. ZPO geschützte Anspruch unter und wir durch einen Zahlungsanspruch gegen die Bank ersetzt (vgl. § 676a Abs. 1, 676f BGB). Direkt wirken die §§ 850ff. ZPO daher nur, wenn die Pfändung beim der Quelle, also etwa dem Arbeitgeber angreift.
Bisher wurde die durch die Einstellung in das Kontoguthaben entstandenen Schutzlücke durch § 850l ZPO geschlossen. Danach ist die Zwangsvollstreckung in ein Bankkonto insoweit aufzuheben, als das darauf eingezahlte Einkommen des Schuldners nach §§ 850ff. ZPO geschützt wäre. Erforderlich ist dafür ein Beschluss des Vollstreckungsgerichts.
§ 850k ZPO macht dies nun „automatisch“: Ist das Konto einmal zum Pfändungsschutzkonto umgewandelt, kann der Schuldner über den auch im Rahmen des § 850l ZPO anzusetzenden Freibetrages nach § 850c ZPO (aktuell 1 028,89 €, s. dazu die Verordnung nach § 850c Abs. 2a ZPO) pro Monat verfügen. Die Norm spricht also eine eo ipso wirkende Begrenzung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses aus. Die Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto kann auch erfolgen, nachdem der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bereits erlassen ist, § 850k Abs. 1 S. 4 ZPO – und sie wirkt innerhalb der vier Wochen Frist des § 835 Abs. 4 S. 1 ZPO (erst danach darf die Vollstreckung aus dem Überweisungsbeschluss beginnen) sogar zurück.
Einrichtung: Einseitige Erklärung oder Vertrag?
Umstritten ist, ob die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos durch einseitige Erklärung des Kunden erfolgen kann, also ein Gestaltungsrecht darstellt (so Prütting/Gehrlein/Ahrens, ZPO, § 850k Rn. 22 f.), oder ein Vertragsschluss erforderlich ist (so etwa Musielak/Becker, 8. Aufl. 2011, § 850k Rn. 8 ZPO). Der Wortlaut des § 850 Abs. 7 S. 1 ZPO „können vereinbaren“ ist m.E. eindeutig. Auch S. 2 und 3 regeln lediglich einen insofern bestehenden Anspruch des Kunden auf Vertragsänderung.
Rechtsfolgen eines Verstoßes
Bisher wenig geklärt ist, was passiert, wenn das Kreditinstitut etwa Unterhaltspflichten des Kunden nicht bei der Ermittlung des Betrages nach § 850k Abs. 2 ZPO berücksichtigt. Hat der Kunde die Unterhaltspflichten korrekt angegeben und nachgewiesen, wie es § 850k Abs. 5 S.2 ZPO vorsieht, liegt eine Pflichtverletzung des Kreditinstitutes vor. Hat er dies nicht getan, so legt die Systematik es zunächst nahe, zu differenzieren: Das Gesetz spricht in Abs. 2 davon, dass der Pfändungsbeschluss auch den erhöhten Freibetrag nicht erfasst. Daher könnte man der Ansicht sein, diese Rechtsfolge träte ipso iure, also insbesondere ohne entsprechenden Nachweis, ein. Das Inhibitorium fällt dann weg. Anders dagegen das Arrestatorium. Dieses wird insofern modifiziert, als die Bank zahlen darf, aber nicht muss: Nach Abs. 5 S. 2 besteht eine Leistungspflicht der Bank nur, soweit der erhöhte Freibetrag durch Bescheinigungen nachgewiesen wird. Hier soll die Bank nicht gezwungen sein, möglicherweise zu viel zu leisten.
Gegen dies Auslegung spricht aber das Argument, dass die Bank die Zahlungen an den Gläubiger, der die Forderung überwiesen bekommen hat, nicht ohne rechtlichen Grund zurückhalten darf. Daher ist es überzeugend, die Nachweispflicht des § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO für den erhöhten Freibetrag auch in Abs. 2 hineinzulesen (so auch Musielak/Becker, ZPO, 8. Aufl. 2011, § 850k Rn. 3). Ansonsten läuft nämlich andererseits die Bank Gefahr, sich gegenüber dem Gläubiger schadensersatzpflichtig zu machen, weil sie den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beachten muss (vgl. auch § 850k Abs. 5 S. 3 ZPO). Außerdem entspricht es wohl der Vorstellung des Gesetzgebers, dass der Schuldner nur in den Genuss der Erleichterungen des § 850k Abs. 2 ZPO kommt, wenn er die Nachweise erbracht hat (vgl. BT-Drs. 16/7615 S. 15 und 19).
Von der Bank wird man wohl auch nicht verlangen können, den Freibetrag selbst – etwa an Hand der Zahlungseingänge – zu ermitteln. Das gilt auch dann, wenn zumindest ein gewisser Freibetrag etwa durch den Eingang von Kindergeld augenscheinlich ist. Es wird nämlich der Regelfall sein, dass die kontoführende Bank den Pfändungsfreibetrag durch Rückschlüsse aus den eingehenden Zahlungen, ermitteln kann. Dennoch verlangt der Gesetzgeber „Nachweise durch Bescheinigungen“ der zuständigen Stellen, § 850k Abs. 5 S. 2 ZPO.
Für den Gläubiger gilt, dass gegenüber ihm die Einhaltung der Voraussetzungen des § 850k Abs. 1, 2 ZPO zumindest insofern ohne Relevanz sein muss, als es um die Wirksamkeit von Zahlungen geht, die er von der Bank als Drittschuldnerin erhält. Es ist dem Gläubiger regelmäßig überhaupt nicht bekannt, ob das Konto der Schulderin als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Denn der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss mag ergangen sein, bevor das Konto der Schuldnerin überhaupt in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt wurde, vgl. § 850k Abs. 1 S. 4 ZPO. Bei einer Zahlung der Bank an ihn vermag der Gläubiger also nicht zu sagen, ob die Voraussetzungen des § 850k Abs. 1, Abs. 2 ZPO überhaupt eingehalten werden müssen und erst Recht nicht, ob sie eingehalten wurden. Sein Vertrauen in den Erhalt der Leistung ist schutzwürdig.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!