Klausurlösung: ZII – Dezember 2014 – 1. Staatsexamen NRW
Bitte beachten:
Die Lösungsskizze ist absolut unverbindlich und erhebt keinerlei Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit oder Vollständigkeit. Sie beruht allein auf den uns zugesandten Gedächtnisprotokollen und soll allenfalls eine Richtschnur für eure eigenen Überlegungen sein. Bitte habt auch Verständnis dafür, dass wir oder Jura Online evtl. Fragen zu euren eigenen Klausurlösungen nicht beantworten können. Gleichwohl ist jeder herzlich eingeladen, sich im Kommentarbereich mit anderen Lesern auszutauschen. Wir werden versuchen, auf die ein oder andere Frage dort einzugehen.
Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
Der Pferdezüchter V betreibt eine über die Landesgrenzen hinaus bekannte Pferdezucht. Da er sich nun dem Garten- und Landschaftsbau widmen will und sein Sohn, der Tierarzt S, die Geschäfte früher oder später übernehmen soll und er dessen Fähigkeiten testen will, beauftragt er diesen den Verkauf von Pferden zu übernehmen. In der Vergangenheit hatte P bereits mehrmals Anlass an der Zuverlässigkeit des S zu zweifeln. V möchte jedoch testen, ob sich S insoweit verbessert hat. S soll frei entscheiden können, welche Pferde er zu welchem Preis verkauft. Am 10.07.2012, nach der Beauftragung des S, erscheint die Hobbyreiterin K auf dem Gestüt des V. Sie wird schnell auf das Pferd (P) aufmerksam und findet an ihm Gefallen. S und K kommen
ins Gespräch, wobei S deutlich macht, dass er für V handelt. Dabei betont er, dass sie sich auf ihn und seine Sachkunde als Tierarzt voll und ganz verlassen könne. Im Grundsatz sind sich S und K schnell einig. Das Pferd soll für 12.000€ verkauft werden. K fragt aber noch, ob sich P zum Springreiten eigne, woraufhin S einen Moment zögert, weil das Tier eine Anomalie an der Wirbelsäule hat und sich deshalb nicht eignet, was ihm bekannt ist. Dennoch erklärt er, man müsse P später nur richtig
trainieren. Dies tut er, damit er V seine Geschäftsfähigkeit unter Beweis stellen kann und um diesem Mittel für seine Landschaftsbau Projekte zu verschaffen. Daraufhin einigen sich S und K endgültig und schließen die Gewährleistung aus. K holt das Pferd am 12.07.2014 ab und bezahlt es. Als das Tier ins richtige Alter zum Springreiten kommt, bemerkt K, dass es sich merkwürdig bewegt. Sie lässt daraufhin eine Untersuchung durchführen, wobei der Wirbelsäulenfehler entdeckt wird. Am selben Tag, dem 10.08.2014, fordert sie V auf, das Pferd unverzüglich operieren zu lassen. V ist mit dem Gartenbau beschäftigt, sodass er das Ganze vergisst. Am 24.08.2014 entschließt sich K daher, P selbst operieren zu lassen. Dies geschieht eine Woche später. Die Kosten betragen 7000€.
K verklagt V und S im September auf Schadensersatz, der sich aus unterschiedlichen Rechtsgründen ergebe. Den Schaden begründet sie damit, dass das Pferd zum einen einen mangelbedingten Minderwert von 7000€ habe, was zutrifft. Sie hätte bei Kenntnis des Mangels nur 5.000€ bezahlt. Außerdem seien ihr Kosten von 7000€ durch die OP entstanden. V und S verweisen darauf, dass die Ansprüche verjährt seien.
Hat die zulässige Klage der K Erfolg?
Abwandlung:
Im Termin vor dem zuständigen Landgericht erscheinen K und V jeweils anwaltlich vertreten. Weder S noch sein Anwalt, die ordnungsgemäß geladen wurden, erscheinen. Daraufhin beantragt der Anwalt der K den Erlass eines Versäumnisurteils. Der Anwalt des V trägt vor, ein solches könne schon wegen
1. Teil: Ansprüche K gegen V
A. Schadensersatz, § 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB
I. Anspruch entstanden
1. Wirksamer Kaufvertrag
a) Einigung
aa) Zwischen K und V direkt (-)
bb) Stellvertretung durch S, §§ 164 ff. BGB
(1) Eigene Willenserklärung des S (+)
(2) Im fremden Namen
Hier: Ausdrücklich
(3) Im Rahmen der Vertretungsmacht
(a) Vertretungsmacht
Hier: Rechtsgeschäftlich (Vollmacht)
(b) Im Rahmen
Hier: Einschränkungen, insbesondere durch V, nicht ersichtlich.
(4) Kein Ausschluss der Vertretungsmacht
Hier: Keine Anhaltspunkte für kollusives Zusammenwirken oder sich aufdrängenden Missbrauch.
cc) Ergebnis: (+)
b) Wirksamkeit (+)
2. Mangel
Hier: § 434 I 1 BGB
3. Maßgeblicher Zeitpunkt: Bei Übergabe (+)
a) Schuldverhältnis
Hier: Kaufvertrag (s.o.)
b) Pflichtverletzung
aa) Nichterbringung oder nicht wie geschuldete Erbringung einer fälligen und noch möglichen Leistungspflicht (+)
bb) Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung
Problem: „Unverzüglich“ ausreichend?
– aA: (-); Arg.: zu unbestimmt
– hM: (+); Arg.: Wortlaut, Sinn und Zweck
Beachte: Eine eventuell zu kurz bemessene Frist setzt dennoch eine angemessene Frist in Gang
Hier: 2 Wochen zwischen Aufforderung und Selbstvornahme – angemessen
c) Vertretenmüssen, § 276 BGB
(+); Arg.: S = Erfüllungsgehilfe des V, § 278 BGB
d) Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung
aa) Schaden
Hier: 7000 Euro Minderwert oder 7000 Euro Operationskosten (unterstellt, dass die Operation erfolgreich war).
bb) Statt der Leistung
(+); Arg.: Operationskosten sind Teil des Äquivalenzinteresses
5. Kein Ausschluss der Gewährleistung
a) Vertraglich
aa) Einigung
(+); Arg.: „Gewährleistungsausschluss“ vereinbart.
bb) Wirksamkeit
(-); Arg.: § 475 BGB
Hier: Keine Anhaltspunkte
II. Anspruch nicht erloschen (+)
III. Anspruch durchsetzbar
-> Verjährung, §§ 194 ff. BGB
1. Verjährungsfrist
Hier: 2 Jahre, § 438 I Nr. 3 BGB
2. Fristbeginn: Ablieferung, § 438 II BGB
Hier: 12.07.2012 (im mitgeteilten Sachverhalt steht zwar 12.07.2014 – dabei dürfte es sich angesichts der Verjährungseinrede um einen Sachverhaltsfehler handeln).
IV. Ergebnis: (-)
B. Schadensersatz, §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB
(-); Arg.: Nacherfüllung aufgrund der Selbstvornahme unmöglich
(„Zweckerreichung“), aber Unmöglichkeit von K selbst zu vertreten.
C. Rückerstattung des minderungsbedingt zu viel gezahlten Kaufpreises, §§ 437 Nr. 2, 2. Fall, 441 IV, 323, 346 BGB
(-); Arg.: Einrede der Unwirksamkeit, da Nacherfüllungsanspruch bereits verjährt, § 218 BGB
D. Rückerstattung des unmöglichkeitsbedingt zu viel gezahlten Kaufpreises, §§ 437 Nr. 2, 2. Fall, 441 IV, 323, 326 V, 346 BGB
(-); Arg.: Nacherfüllung aufgrund der Selbstvornahme unmöglich („Zweckerreichung“), aber Unmöglichkeit von K selbst zu vertreten, vgl. § 323 VI BGB.
E. Rückerstattung aufgrund ersparter Aufwendungen, §§ 326 II 2, IV, 346 I BGB (analog)
(-); Arg.: nicht anwendbar, da Gewährleistungsrecht lex specialis
F. Schadensersatz, § 823 I BGB
(-); Arg.: Vermögen kein geschütztes Rechtsgut
G. Schadensersatz, § 823 II BGB, § 263 StGB
H. Schadensersatz, § 831 BGB
(-); Arg.: S nicht Verrichtungsgehilfe des V, da nicht weisungsgebunden.
2. Teil: Ansprüche K gegen S
A. CIC, §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB
I. Anspruch entstanden
1. Vorvertragliches Schuldverhältnis, § 311 II BGB
(+); Arg.: S hat als Dritter besonderes Vertrauen für sich in Anspruch genommen („Tierarzt“), § 313 III BGB
2. Pflichtverletzung, § 241 II BGB
Hier: Verschweigen der Anomalie an der Wirbelsäule des Pferdes
3. Vertretenmüssen, § 276 BGB (+)
4. Rechtsfolge: Schadensersatz
-> Käufer ist so zu stellen, als sei die Pflichtverletzung nicht passiert.
Hier: K hätte den für sie nachteiligen Kaufvertrag nicht geschlossen und wäre außerdem nicht in die Situation gekommen, 7.000 Euro für die Mangelbeseitigung aufzuwenden („herausgeforderte Aufwendungen“).
5. Kein Ausschluss
a) Verletzung des Schadensminderungobliegenheit, § 254 II BGB
(-); Arg.: Es war prinzipiell das gute Recht der K, den Mangel auf eigene Kosten zu beseitigen (s.o.).
b) Vertraglich (-)
6. Ergebnis: (+)
II. Anspruch nicht erloschen (+)
III. Anspruch durchsetzbar
(+); Arg.: Verjährungfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, noch nicht verstrichen.
I. Anspruch entstanden
1. Verstoß gegen Schutzgesetz
Hier: § 263 StGB; Drittbereicherungsabsicht.
2. Rechtswidrigkeit (+)
3. Verschulden (+)
4. Rechtsfolge: Schadensersatz (+)
5. Kein Ausschluss (+)
II. Anspruch nicht erloschen (+)
III. Anspruch dursetzbar
(+); Arg.: Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, noch nicht verstrichen. Kein Wertungswiderspruch im Vergleich zu V, der kein deliktisches Verhalten an den Tag gelegt hat.
IV. Ergebnis: (+)
Abwandlung
Ein Versäumnisurteil gem. § 331 ZPO würde die Säumnis des S vorausaussetzen. Hier ist weder der S noch sein Rechtsanwalt (vgl. § 78 ZPO) vor dem Landgericht erschienen. Möglicherweise wird der S aber als von V vertreten angesehen. Dann müssten V und S allerdings notwendige Streitgenossen i.S.v. § 62 ZPO sein, was insbesondere dann der Fall ist, wenn das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann. Andernfalls handelt es sich um einen Fall der einfachen Streitgenossenschaft. Hier: Wohl nur einfache Streitgenossenschaft; Arg.: unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Haftung.
M.E. sind die Ansprüche wg der Mangelhaftigkeit aufgrund des § 438 III 1 BGB nicht verjährt.
dies zum einen, zum anderen scheitert der gewährleistungsausschluss bereits an § 444, gewissermaßen dem „kaufrecht at“, ohne das ein Rückgriff auf 475 zwingend notwendig ist. Des Weiteren fehlen Ansprüche aus cic (eigenem (Überwachungs?-), sowie fremden -Verschulden) im ersten Teil.
Zudem ging es wohl laut Sachverhalt bloß um Schadensersatzansprüche, sodass Minderung und ähnliches nicht zu prüfen waren. Wenn doch, dann fehlt es schließlich an der Prüfung der GoA.
Im zweiten Teil wird im Obersatz § 311 II angesprochen, um schließlich bloß § 311 III anzusprechen. § 826 wird auch garnicht angesprochen.
Ich halte ja nicht viel von ständiger Kritik, jedoch scheint mir Jurio hier abermals nicht gut gearbeitet zu haben.
Noch mehr problematisieren hätte man u.U. zudem die Wirksamkeit von Kaufvertrag und Erfülllungsgeschäft.
Dies etwa nur im Hinblick auf das Missverhälnis von Leistung und Gegenleistung bei Kenntnis auf Verkäuferseite.
Oder mit Blick auf eine evtl. Anfechtbarbkeit durch den Vertretenen o.ä.
Bei Geschäftsunwirksamkeit könnten sich teils abweichende Probleme stellen: so etwa nur Probleme bezüglich eines Verwendungsersatzes im EBV, Zurückbehaltungsrechte, Zug-um-Zug-Verurteilung etc.
Bei Vorliegen eines Verwendungsanspruches im EBV, könnte ein zivilrechtlich ersatzfähiger Schaden aufgrund Vergleiches der Vermögenslagen vor und nach dem fraglichen Schadensreignis überhaupt problematisch scheinen. Dies ebenso gegenüber S usw.
Erscheint mir inhaltlich nicht schlüssig im Rahmen der Prüfung der Ansprüche gegen S § 823 II iVm § 263 I StGB zu bejahen aber andererseits eine dem V zurechenbare arglistige Täuschung durch S gegenüber K im Zuge der Anspruchsprüfung gegen V nicht einmal anzusprechen.
ist aber richtig. Im Rahmen von schuldrechtlichen Ansprüchen besteht ein Schuldverhältnis, sodass sich der Prinzipal (V) das Verhalten des S zurechnen lassen muss. Im Deliktsrecht haftet man nur für eigenes Verschulden.
Schlechte Arbeit von juraexamen.info. Zum einen fehlen Ausführungen zu §438 Abs. III BGB, es wird überhaupt nicht unterschieden zwischen Selbstvornahme vor und nach Fristsetzung und im Hinblick darauf wird auch nicht §440 BGB angesprochen. Hier hat wohl jemand im Sachverhalt ,,Selbstvornahme im Kaufrecht“ gelesen und die ganze Kassette abgespult, obwohl der Fall hier anders liegt. Außerdem ging es um Schadensersatz, wer da einfach mal Rücktritt prüft, macht es schlichtweg falsch.
Was mir noch auffällt. Wenn Ihr 281 erst bejaht und lediglich aufgrund der Verjährungseinrede nicht durchgehen lasst, habt Ihr gedanklich die Unmöglichkeit verneint. Schließlich geht man im Gedanken vor dem SE statt d. Leistung immer die beiden punkte Nacherfüllung und Unmöglichkeit durch. Wieso prüft Ihr dann 283 ?