Kirch/Deutsche Bank: Verwendung der Mitteilungen des Anwalts im Strafverfahren?
Wie die FAZ heute (25.11.2013 – S. 21) berichtet, erwägt die StA Frankfurt, die Führungsriege der Deutschen Bank zum Zeitpunkt der Kirch-Pleite wegen Prozessbetruges (§ 263 StGB) anzuklagen. Es geht um die Frage, ob die damaligen Vorstands- und Aufsichtsratmitglieder bei der Vernehmung im zivilrechtlichen Haftungsprozess Kirch ./. Deutsche Bank als Zeugen vor dem OLG München gelogen haben.
Dabei stützt sich die StA auf zahlreiche Mails und sonstige Unterlagen externer Rechtsberater und der Rechtsabteilung. Diese wurden bei zwei Razzien beschlagnahmt. Das lässt aufhorchen: Nach § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO unterliegen schriftliche Mitteilungen zwischen Anwälten und dem Beschuldigten nicht der Beschlagnahme, da Anwälte zu den Berufsgeheimnisträgern nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StPO zählen. Gleiches gilt für Aufzeichnungen (Nr. 2) und sonstige Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt (Nr. 3). Das Zeugnisverweigerungsrecht gilt auch die Mitglieder der Rechtsabteilung, soweit sie als Syndicusanwälte in typisch anwaltlicher Weise tätig werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 53 Rn. 15; vgl. auch LG Berlin NStZ 2006, 470: Nicht als Sachbearbeiter des Unternehmens, sondern als Anwalt). Entgegen § 97 StPO beschlagnahmte Unterlagen unterliegen einem Verwertungsverbot (Meyer-Goßner, StPO, § 97 Rn. 46).
Wie kommt die StA also dazu, dass die Unterlagen vorliegend verwertbar sind?
Beschlagnahmeverbot nur für Gegenstände im Gewahrsam des Berufsgeheimnisträgers
Nach § 97 Abs. 2 S. 1 StPO gilt sind die Gegenstände nur insoweit beschlagnahmefrei, als sie sich in dem Gewahrsam des Berufsgeheimnisträgers befinden. Die beim Unternehmen vorliegende Korrespondenz und die Stellungnahmen der Anwälte usw. können als beschlagnahmt werden. Hier ist aber problematisch, inwieweit die E-Mails im Gewahrsam der Syndikusanwälte geschützt sind. Hier ist insbesondere abzugrenzen zwischen der Tätigkeit als Anwalt und der Tätigkeit als bloßer Mitarbeiter in der Rechtsabteilung (vgl. oben).
§ 97 StPO nur im Mandanten-Beschuldigten Verhältnis?
Außerdem gilt § 97 StPO hM nur im Verhältnis zwischen Anwalt und Beschuldigtem, der auch der Mandant ist (Meyer-Goßner, § 97 Rn. 10 m.w.N., offengelassen von BGH NStZ 1997, 562; verfassungsrechtlich jedenfalls zulässig vgl. BVerfG NStZ-RR 2004, 83). Damit ist der Schutzbereich von § 97 und § 53 StPO inkongruent. § 53 StPO bestimmt die Reichweite des Zeugnisverweigerungsrechts rein gegenständlich. Es kommt nur darauf an, ob es sich dabei um Tatsachen handelt, die dem Zeugen in seiner beruflichen Eigenschaft anvertraut worden oder bekannt geworden sind. Dagegen macht es keinen Unterschied, ob der durch das Weigerungsrecht geschützte Patient oder Mandant, der zum Arzt oder Anwalt in eine Vertrauensbeziehung getreten war, der Angeklagte, ein Mitangeklagter oder ein am Verfahren unbeteiligter Dritter ist (BGH NStZ 1985, 372, 373). Das ist durchaus konsequent, weil auch der unbeteiligte Dritte kein Interesse daran hat, dass intime Details aus seiner Krankenakten oder einer anwaltlichen Beratung in der Hauptverhandlung der Öffentlichkeit bekannt werden.
Anders dagegen im Rahmen des § 97 StPO. Hier sind Dokumente nur dann von der Beschlagnahme ausgenommen, wenn dem Mandatsverhältnis zwischen Beschuldigten und Anwalt zuzuordnen sind. Hierfür spricht der Wortlaut jedenfalls zum größten Teil (vgl. § 97 Nr. 1 StPO: Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Berufsgeheimnisträgern; ähnlich Nr. 2). Offener allerdings Nr. 3, wonach alle anderen Gegenstände, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt auch von der Beschlagnahme ausgenommen sind. Hier könnte man – anknüpfend an das umfassende Zeugnisverweigerungsrecht – annehmen dass insgesamt auch die Akten auch in Hinblick auf Dritte Personen von der Beschlagnahme ausgenommen sind. Jedoch dürfte sich aus der Systematik ergeben, dass eine so weitgehend Erweiterung nicht gewollt ist. Es geht um die Einbeziehung „anderer Gegenstände“, also um die gegenständliche, aber nicht die personelle Erweiterung des Beschlagnahmeverbotes. Dagegen spräche Sinn und Zweck, nämlich die Wahrung des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Anwalt für einen Gleichlauf mit dem Zeugnisverweigerungsrecht Denn der Mandant hat ein Interesse daran, dass der vertrauliche Austausch auch nicht über Dokumente der Öffentlichkeit bekannt wird. Allerdings kann er hier auch auf die Vernichtung solcher Unterlagen hinwirken. Außerdem kommt ein aus den Grundrechten hergeleitetes Verwertungsverbot in Betracht (vgl. BVerfG NStZ-RR 2004, 83), wenn die Verwertung zu weit in seine Rechte eingreifen würde.
Deshalb gilt, dass das Beschlagnahmeverbot nicht für im Strafverfahren gegen die Organmitglieder nicht gilt, soweit die Bank selbst Mandantin ist (vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, § 97 Rn. 10a; BVerfG NStZ-RR 2004, 83). Letzteres ist regelmäßig der Fall. Denn auch wenn die Bank Anwälte beauftragt interne Ermittlungen durchzuführen, entsteht zu den Organmitgliedern nach hM selbst dann kein Mandatsverhältnis, wenn ihnen Vertraulichkeit der Aussagen zugesichert wird (Meyer-Goßner, StPO, § 97 Rn. 10b). Das dürfte schon deshalb zwingend sein, weil bei derartigen Ermittlungen regelmäßig ein Interessengegensatz zwischen juristischer Person und Organmitgliedern gegeben sein wird. Letzteren drohen nämlich Regressansprüche. Deshalb ist hier die Vertretung beider Seiten nicht zulässig (vgl. §§ 43 Abs. 6 BRAO, 3 BORA).
Auch § 160a Abs. 1 S. 1 StPO würde übrigens der Beschlagnahme in den Räumen des Anwalts nicht entgegenstehen, weil nach § 160a Abs. 5 StPO die Beschlagnahme nach § 97 StPO unberührt bleibt (Meyer-Goßner, StPO, § 97 Rn. 10a).
Anders ist die Lage, wenn die juristische Person selbst Beteiligte im Strafverfahren ist, etwa im Rahmen der §§ 442 und 444 StPO. Dann gilt das Beschlagnahmeverbot auch ihren Anwälten gegenüber.
Selbstverständlich besteht kein Beschlagnahmeverbot, wenn der Geheimnisträger von der Bank von der Schweigepflicht entbunden wurde. Auch besteht kein Beschlagnahmeverbot, wenn der Anwalt selbst der Beteiligung an der Tat oder der Begünstigung bzw. Strafvereitelung verdächtig ist (§ 97 Abs. 2 S. 3 StPO).
Rechtspolitische Reflektion
In der Mündlichen eignet sich die Fragestellung einerseits gut, weil sich das Ergebnis aus der systematischen Auslegung der §§ 53, 97 StPO herleiten lässt. Andererseits bietet sich Raum für eine rechtspolitische Diskussion. Denn man kann durchaus hinterfragen, ob der durch die Trennung zwischen juristischer Person und Organmitgliedern „wegfallende“ Schutz des § 97 StPO richtig ist. Denn man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Organmitglieder sicherlich weniger gewillt sein werden, an der Aufklärung von Straftaten mitzuwirken, wenn die strafrechtliche Verwertbarkeit der Einlassung droht. Rechtlich sind sie zwar zur vollen Auskunft verpflichtet, denn nach hM gilt gegenüber der Gesellschaft kein Aussageverweigerungsrecht. Dieses im strafprozessualen Verfahren geltende Recht (§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO) gilt nicht auch im zivilrechtlichen Oganverhältnis. Wegen der Organpflicht auch zur Auskunftserteilung über die eigene Amtsführung (§ 666 BGB), gilt keine Aussageverweigerungsrecht, auch soweit eigene Straftaten bei der Amtsführung erfasst sind. Dennoch gilt: Faktisch werden sie diese Pflicht möglicherweise nicht erfüllen, wenn im Anschluss eine Verurteilung tatsächlich droht. Der Rechtstreue ist damit letztlich auch nicht gedient.
Außerdem wird auch Sinn und Zweck der §§ 53, 97 StPO, nämlich die Vertraulichkeit des Mandatsverhältnisses zu wahren, gefährdet. Durch die Durchsuchung droht eben doch, dass die sensiblen Informationen in die Öffentlichkeit gelangen. Das kann dann wiederum folgen für zivilrechtliche Haftungsprozesse gegen die Gesellschaft haben. Denn dort kommt es auf die Kenntnis auch der Organmitglieder an. Diese werden der Gesellschaft nach § 31 BGB zugerechnet.
Auch dass die hM die Reichweite von §§ 53 und 97 StPO unterschiedlich beurteilt, ist durchaus nicht unproblematisch. Einem Anwalt kann man dann nur empfehlen, möglichst wenig sensible Unterlagen aufzubewahren. Noch schwerer wiegt aber, dass Unterlagen beim Mandanten nicht geschützt sind. Das ist für Privatpersonen kein Problem, hier genügt, dass der Anwalt die Unterlagen hat. Außerdem kann die Privatperson die Unterlagen auch entsorgen, wenn sie es für nötig erachtet. Anders liegt die Lage bei Unternehmen. Hier ist auch auf Seite des Unternehmens umfangreiche Aktenführung erforderlich, weil viele Entscheidungsträger einzubeziehen sind. Anders als für Privatpersonen gibt es daher keinen umfassenden Schutz nach § 97 StPO.
Ein thematisch interessanter Artikel. Schade, dass die vielen Rechtschreib- und Grammatikfehler das Lesen unnötig erschweren.
Bitte etwas mehr Wert auf die Ortografie legen. Das ist an manchen Stellen dem Verständnis äußerst hinderlich. Ansonsten hat der Autor das Problem gut dargestellt.