Jur:Next Urteil: Schlechtes Vorbild
Der nun folgende Beitrag stammt aus der gemeinsamen Kooperation mit jur:next und befasst sich mit dem Strafbefehl innerhalb des Strafverfahrens – am prominenten Beispiel des Rappers Sido.
AG Berlin-Tiergarten, Strafbefehl vom 10.04.2015[1]
Etwas unspektakulärer als die letzte strafrechtliche Urteilsbesprechung (https://www.juraexamen.info/jurnext-urteil-ueber-den-wolken/) mutet das heutige Thema an. Ungleich prominenter ist aber der handelnde Protagonist.
Der bekannte Rapper Sido zog seinen Einspruch gegen einen Strafbefehl des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten zurück. Somit ist der Musiker nun rechtskräftig zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt und muss zusätzlich 15.000 € an die Justizkasse zahlen.
Dies bietet einem die Möglichkeit, sich mit einer eher unbekannten Art des Strafverfahrens auseinanderzusetzen; dem Strafbefehl.
I. Sachverhalt
Der Musiker, mit dem bürgerlichen Namen Paul Hartmut Würdig, soll in einem Club einen anderen Gast attackiert und diesem mit einer Wodka-Flasche gegen den Kopf geschlagen haben. Der Geschädigte erlitt eine Platzwunde und eine Schädelprellung.
Daraufhin sollte es im November 2014 zum Prozess kommen. Doch der Beschuldigte[2] erschien nicht. Daher erließ das Amtsgericht einen Strafbefehl. Gegen diesen legte der Rapper Einspruch ein.
II. Einführung in die Materie
Der Strafbefehl ist, neben den Vorschriften der §§ 153 StPO ff. und der Einstellung gemäß § 170 II S.1 StPO, eine Möglichkeit ein Strafverfahren ohne öffentliche Hauptverhandlung zu beenden. Daher stellt diese Variante nicht nur für die Staatsanwaltschaft und die zuständigen Gerichte eine deutliche Arbeitserleichterung dar. Auch der Beschuldigte kann so das Verfahren abschließen, ohne dass dieses einer breiten Öffentlichkeit bekannt wird.
Der Strafbefehl wird mittels Strafbefehlsantrag seitens der Staatsanwaltschaft beim zuständigen Gericht gestellt. Damit dieses Vorgehen zulässig ist, muss es sich bei der verfolgten Tat um ein Vergehen im Sinne des § 12 II StGB handeln. Zudem muss der Beschuldigte der ihm vorgeworfenen Tat hinreichend verdächtig sein. Dies liegt dann vor, wenn sich aus der -naturgemäß nur vorläufigen- Bewertung des gesamten Inhalts der vorliegenden Akte ergibt, dass eine spätere Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch.[3]
Auch die geforderten Rechtsfolgen müssen sich in dem Rahmen befinden, die der § 407 II StPO vorgibt.
Die darauf folgenden Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts gibt § 408 StPO vor. Das Gericht prüft, ob es den Strafbefehl erlässt. Da dies im Wege einer summarischen Prüfung geschieht, muss die Schuld des Beschuldigten nicht zur Überzeugung des Gerichtes feststehen.[4]
Lehnt der Richter den Erlass des Strafbefehls ab, so ist die Staatsanwaltschaft beschwert und kann sofortige Beschwerde einlegen, §§ 408 II S.2, 210 II StPO.
Bejaht er hingegen den hinreichenden Tatverdacht, so erlässt er den Strafbefehl, § 408 III S.1 StPO. Dabei darf er inhaltlich nicht vom Antrag abweichen, da es der Übereinstimmung von Staatsanwaltschaft und Gericht bedarf. Dies dient der gegenseitigen Kontrolle, gerade da die beobachtende Öffentlichkeit in diesem Verfahren fehlt.
Grundsätzlich kommen der Strafbefehlsantrag und sein Erlass in zwei Stadien des Strafverfahrens in Betracht. Ersterer ist nach Abschluss der Ermittlungen, § 170 StPO. Aber auch nach Eröffnung des Hauptverfahrens kann auf den Strafbefehl zurück gegriffen werden. Dies ist zumeist der Fall, wenn der Beschuldigte der Hauptverhandlung fernbleibt, § 408a StPO. So war es auch im oben dargestellten Ausgangsfall.
Der Musiker zeigt sodann auch eine der beiden Alternativen auf, wie ein Beschuldigter auf den Erlass reagieren kann. Gegen den Strafbefehl kann der Beschuldigte Einspruch gemäß § 410 I StPO einlegen. Dies muss innerhalb von zwei Wochen schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgen.
Hat der Einspruch Erfolg, so wird gemäß § 411 I S.2 StPO die Hauptverhandlung anberaumt. Das urteilende Gericht ist sodann nicht mehr an die Rechtsfolgen des Strafbefehls gebunden, sonder kann frei entscheiden (vgl. § 411 IV StPO). Das Verschlechterungsverbot aus §§ 331, 358 II StPO gilt nicht.
Wird kein oder nicht rechtzeitig Einspruch erhoben, entfaltet der Strafbefehl volle Rechtskraftwirkung und steht einem Urteil gleich, § 410 III StPO.
III. Folgen für die Ausbildung
Der Strafbefehl als besondere Verfahrensart sollte zumindest in Grundzügen für das erste Staatsexamens beherrscht werden. Für das zweite Examen dient die Thematik hervorragend um einen etwas anderen Einstieg in die (Anwalts-) Klausur zu ermöglichen. Hier ergeben sich Möglichkeiten in Themenkomplexe wie das Wiedereinsetzungsverfahren, die Berufung oder die Revision überzuleiten.
[1] Vgl. beck-aktuell-Redaktion, Verlag C.H. Beck, 13.April 2015.
[2] Im Folgenden wird durchgängig der Begriff des Beschuldigten verwendet. Auf § 157 StPO wird hingewiesen.
[3] Meyer-Goßner, StPO, § 170 Rn. 1,2.
[4] Meyer-Goßner, StPO, Vorbemerkungen § 407 Rn. 1.
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