Islamgesetz in Deutschland?
Das Österreichische Parlament hat Ende Februar ein neues Islamgesetz beschlossen. Es ist die erste Novellierung der seit 1912 geltenden Regelungen.[1]
Ursprünglich wurde ein solches Gesetz notwendig, da mit der Annexion Bosnien und Herzegowinas an das K.u.K. Österreich-Ungarn erhebliche Teile muslimischer Bevölkerungsgruppen in das K.u.K. integriert werden mussten.[2] Überarbeitet wurde das geltende Recht, weil die damals getroffenen Regelungen einfach nicht mehr zeitgemäß waren, obschon sich die Inhalte der ersten und jetzigen Diskussionen betreffend des Islamgesetzes sich durchaus glichen.
Anbetracht dieser Entwicklungen in unserem Nachbarland lohnt sich ein näherer Blick auf das neue Gesetz. Schließlich wurden auch in Deutschland Stimmen laut, dass es solchen Gesetzes bedarf, bzw. die Warnung vor einem solchen. Eine nähere Betrachtung lohnt sich auch schon deswegen, da noch einmal wichtige Fragen der Religionsfreiheit aus Art. 4 I, II GG aufgegriffen werden.
II. Möglichkeiten in Deutschland
Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob ein solches Gesetz in Deutschland überhaupt denkbar wäre. Daher unterziehen wir das Islamgesetz aus Österreich einer fiktiven Normenkontrolle in Deutschland. Abgestellt werden soll dabei lediglich auf die materielle Verfassungsmäßigkeit.
1. Materielle Verfassungsmäßigkeit
a) Schutzbereich der Religionsfreiheit
Der Schutzbereich der Religionsfreiheit gem. Art. 4 I, II GG umfasst folgendes:
Zum einen wird die Freiheit, sich eine eigene religiöse Überzeugung zu bilden geschützt (forum internum). Dies meint nichts anderes als den Schutz vor staatlicher Indoktrination.[3]
Zum anderen wird die Freiheit, seinen Glauben auch nach außen auszuleben, von dem Schutzbereich der Religionsfreiheit mit eingeschlossen (forum externum). Sie umfasst „das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und seiner inneren Glaubensüberzeugung gemäß zu handeln“ (ständige Rechtsprechung des BVerfG).
b) Eingriff in Schutzbereich durch Islamgesetz
Sodann stellt sich die Frage, ob ein gedachtes Islamgesetz in Deutschland nach österreichischem Vorbild einen Eingriff in den Schutzbereich der Religionsfreiheit darstellen würde.
Besonderer Augenmerk in der aktuellen Diskussion wird dabei auf den Verbot der Auslandsfinanzierung gelegt. In § 6 II IslGiÖ heißt es hierzu:
(2) Die Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung der religiösen Bedürfnisse ihrer Mitglieder hat durch die Religionsgesellschaft, die Kultusgemeinden bzw. ihre Mitglieder im Inland zu erfolgen.
Die so organisierten Muslime werden durch diese Regelung in ihrer Freiheit beschränkt, die Finanzierung ihrer Tätigkeiten selbst zu bestimmen. Es müssen jedoch Mieten bezahlt, Informationspapiere erstellt und verteilt sowie geistliches Personal bereitgestellt werden, usw… Daher bedarf es jeder (religiösen) Gemeinschaft an finanziellen Mitteln, damit sie überhaupt in der Lage ist, ihrem Auftrag nachzukommen. Die Religionsausübung als solche wird aber durch die Verwehrung der Beschaffung von finanziellen Mitteln beeinträchtigt, sodass durch die Beschränkung der freien Mittelwahl ein tauglicher Eingriff in die Religionsfreiheit vorliegt.
c) Rechtfertigung des Eingriffs
Die Religionsfreiheit ist ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht. Ein Eingriff in die Religionsfreiheit kann daher nur durch andere Grundgesetze gerechtfertigt werden, vgl. Art. 137 III 1. Satz WRV (i.V.m. Art. 140 GG):
(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.
Durch diese Formulierung wird ein Sonderrecht für eine bestimmte Religionsgemeinschaft explizit ausgeschlossen.[4] Mithin würde ein solches Vorhaben in Deutschland scheitern.
2. Alternative Durchführungswege in Deutschland – Verleihung des Körperschaftsstatus
Da ein Islamgesetz in der vorliegenden Form nicht möglich ist, stellt sich die Frage, ob andere Möglichkeiten ersichtlich sind, den Islam in das bundesrepublikanische System einzugliedern (Hierzu bereits ein ausführlicher Beitrag unsererseits).
In Frage käme, den Islam, wie andere Religionsgemeinschaften in Deutschland, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen. Die Voraussetzungen hierfür finden sich ebenfalls in Art. 137 VIII WRV, der gem. Art. 140 GG Teil unserer Grundrechtsordnung ist:
(8) Soweit die Durchführung dieser Bestimmungen eine weitere Regelung erfordert, liegt diese der Landesgesetzgebung ob.
Es ist daher Sache der Länder, einzelne Religionsgemeinschaften, o.Ä. zu Körperschaften des öffentlichen Rechts zu ernennen.[5] Sollte ein Bundesland eine solche Gemeinschaft ernannt haben, gilt dieser Status auch für alle anderen Bundesländer, allerdings können die körperschaftlichen Rechte nur in dem betreffenden Bundesland erhoben werden.[6]
Generell müssen jedoch drei Kriterien erfüllt sein (vgl. Art 137 V WRV):
- Gewähr der Dauer, also langfristiges Bestehen der Gemeinschaft (in der Zukunft)
- Verfassung der Gemeinschaft i.S.d. tatsächlichen Beschaffenheit der Gemeinschaft
- Erhebliche Mitgliederanzahl
Liegen diese Voraussetzungen vor, kann eine Gemeinde zur Körperschaft des öffentlichen Rechts ernannt werden.
a) Problem: Verschiedene Glaubensrichtungen
Es gibt jedoch ein ganz entscheidendes Problem, mit dem sich auch schon die Österreicher 1912 konfrontiert sahen: Es gibt nicht die eine Strömung innerhalb des Islams, die alle anderen unter sich vereint. Die einzelnen Richtungen sind teilweise nicht nur grundverschieden, sondern auch untereinander verfeindet (bspw. Schiiten und Sunniten). Den Islam als Ganzes zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu ernennen, ist daher schlichtweg unmöglich.
Zum Vergleich (selbstverständlich ist es kaum möglich Religionen untereinander zu vergleichen, es soll hier auch nur auf ein besseres Verständnis für die Sensibilität des Themas geschaffen werden):
Es gibt auch in Deutschland keine Körperschaft, die alle Christen unter einem Dach vereint. So gelten bspw. Katholiken und Evangelische Kirchen jeweils als getrennte Körperschaften.
b) Möglicher Lösungsansatz – Ernennung einzelner Glaubensströmungen
Ein Lösungsvorschlag könnte z.B. die Ernennung einzelner Glaubensströmungen innerhalb des Islam zur Körperschaft des öffentlichen Rechts sein. So wurde bereits 2013 in Hessen die dort ansässige Ahmadiyya-Gemeinde zur Körperschaft des öffentlichen Rechts ernannt.[7] Im Jahr darauf wurde der Ahmadiyya-Gemeinde in Hamburg dieser Status zu Teil.[8] Dies ist allerdings auch innerhalb der muslimischen Gemeinschaft durchaus kontrovers diskutiert worden. Möglicherweise würde die weitere Ernennung anderer Glaubensströmungen diesen Diskurs etwas entschärfen und der weiteren Integration des Islam dienen.
3. Stellungnahme
Dieser Artikel soll lediglich die Möglichkeiten aufzeigen, die in Österreich umgesetzten Regelungen auch in Deutschland einzuführen. Keineswegs soll die zu Recht geführte, kontroverse Debatte hierdurch ersetzt bzw. beantwortet werden. Eine solch aktuelle Debatte könnte jedoch durchaus Thema einer Examensklausur werden. Allein deshalb lohnt sich die Auseinandersetzung mit der grundgesetzlich gewährleisteten Religionsfreiheit.
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[1] Volltext unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/ME/ME_00069/fname_367084.pdf, abgerufen am 09.03.2015.
[2] Interessante Lektüre zu diesem Thema: Potz, Richard, .SiAK-Journal 2013, S.45-54.
[3] BeckOK GG, Germann, Art. 4, Rn.23.
[4] BeckOK GG, Germann, Art. 4, Rn.42.
[5] Eine solche landesrechtliche Konkretisierung stellt z.B. das Gesetz über die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen vom 15. Oktober 1973 in Hamburg dar.
[6] Maunz/Dürig GG, Korioth, Art. 137 WRV,Rn.72.
[7] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2013-06/islam-kirche-hessen-koerperschaft, abgerufen am 09.03.2015.
[8] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Jetzt-ist-der-Islam-in-Hamburg-angekommen,ahmadiyya102.html, abgerufen am 09.03.2015.
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