Häufige Fehler in Examensklausuren (Teil 3) – Zivilrecht
Im letzten Teil seines Beitrags (den ersten Teil findet ihr hier, den zweiten Teil hier) weist unser Gastautor Marvin Granger heute auf typische Fehler in den Klausuren im Zivilrecht hin.
Zivilrecht:
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Eigentumserwerb:
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„Der V wollte dem E die Küche schenken. Somit könnte der E gem. § 516 BGB das Eigentum erlangt haben.“
Das ist ein ganz böser Fehler. Wegen des Abstraktionsprinzips wird in Deutschland niemand aufgrund eines schuldrechtlichen Vertrags Eigentümer, sondern immer nur auf der Grundlage eines sachenrechtlichen Vertrags (§ 929 BGB). Also bitte bei einer Übereignung nichts schreiben von Schenkungsvertrag, Kaufvertrag, Darlehensvertrag, Leihvertrag, Mietvertrag oder sonst was! Es geht vielmehr immer nur um die dingliche Einigung i.S.d. § 929 BGB.
Stimmt, das könnte er. Aber mit Sicherheit nicht nach § 932 I BGB! Diese Vorschrift steht nämlich unter dem Titel „Erwerb und Verlust des Eigentums an beweglichen Sachen“ (Überschrift vor § 929 BGB). Grundstücke lassen sich allerdings – außer bei Erdbeben – nur sehr schwer bewegen. Der gutgläubige Erwerb unbeweglicher Sachen richtet sich nach § 892 I BGB (siehe die Abschnittsüberschrift vor § 873 BGB: „Allgemeine Vorschriften über Rechte an Grundstücken“).
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Schadensersatz nach § 280 BGB: Vielfach liest man in Klausuren, dass ein Schadensersatzanspruch nach § 280 I 1 BGB ein vertragliches Schuldverhältnis voraussetze.
Das stimmt so generell nicht, wenngleich in vielen Fällen ein Vertrag vorliegt. § 280 I 1 BGB sagt: „Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis…“. Von einem Vertrag steht dort keine Silbe. Die Norm geht ganz allgemein von einem Schuldverhältnis aus und davon gibt es bekanntlich zwei Arten: vertragliche und gesetzliche. Schuldverhältnis i.S.d. § 280 I 1 BGB kann folglich auch ein gesetzliches Schuldverhältnis sein (z.B. eine GoA1). Das ergibt sich auch daraus, dass die Regeln über Verträge erst bei § 311 BGB beginnen (Abschnitt 3: „Schuldverhältnisse aus Verträgen“) und somit § 280 BGB eine allgemeinere Norm ist.
Ein weiteres, wohl jedem Studenten bekanntes, gesetzliches Schuldverhältnis, auf welches § 280 I 1 BGB Anwendung findet, ist die sog. culpa in contrahendo (c.i.c.) nach § 311 II, III BGB. Danach sind die Vertragsparteien schon vor Vertragsschluss zur Rücksichtnahme auf die gegenseitigen Interessen gem. § 241 II BGB verpflichtet. Da die Parteien noch keinen Vertrag geschlossen haben, sondern sich allenfalls in Vertragsverhandlungen befinden (§ 311 II Nr. 1 BGB), kann dieses Schuldverhältnis auf keinem Vertrag beruhen. Es existiert, weil das Gesetz – § 311 II BGB – es anordnet.
Auch § 311 III BGB betrifft ein vorvertragliches und damit ein gesetzliches Schuldverhältnis, denn das Gesetz spricht hier davon, dass ein Schuldverhältnis i.S.d. § 241 II BGB auch zu solchen Personen entstehen könne, „die nicht selbst Vertragspartei werden sollen“. Auch hier ist der Vertrag also noch nicht geschlossen, d.h. noch nicht existent.
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Veräußerungsverbote: Was manchen Klausurbearbeitern Probleme zu bereiten scheint, ist die Abgrenzung von absoluten und relativen gesetzlichen Veräußerungsverboten. In vielen Lehrbüchern steht, dass man sich unbedingt merken müsse, bei welchen Vorschriften es sich um absolute Veräußerungsverbote handele, die einen gutgläubigen Erwerb ausschlössen.
Die Aufforderung zum Auswendiglernen der entsprechenden Vorschriften aus Lehrbüchern kann man getrost vergessen. Zwar spricht § 135 I 1 BGB von relativen gesetzlichen Veräußerungsverboten, doch diese Vorschrift regelt etwas, das es im BGB gar nicht gibt. Das BGB kennt überhaupt keine gesetzlichen relativen, sondern nur gesetzliche absolute Veräußerungsverbote. § 135 BGB hat daher nur i.V.m. § 136 BGB Bedeutung.2
Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Veräußerungsverbot hat wegen seines absoluten Charakters zur Folge, dass ein gutgläubiger Rechtserwerb grds. nicht möglich ist. Das geht nur dann, wenn das Gesetz es (ausnahmsweise) speziell anordnet (wie z.B. § 161 III BGB). Aus dieser Regelungstechnik kann man ebenfalls den Schluss über absolute Veräußerungsverbote ziehen: Wenn das BGB gesetzliche relative Veräußerungsverbote kennen würde, wären die speziellen Anordnungen der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs überflüssig, weil sich das ganz allgemein schon aus § 135 II BGB ergeben würde.
Merke also einzig: Alle Veräußerungsverbote des BGB sind absoluter Natur.
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Drittwiderspruchsklage:
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„Die Drittwiderspruchsklage ist statthaft, da es hier um eine Streitigkeit auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts geht.“
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Deswegen ist eine Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) nicht statthaft. Wenn es lediglich darauf ankäme, dass eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, könnte auch eine beliebige andere Klageart aus der ZPO statthaft sein. Bei der Drittwiderspruchsklage ist das vielmehr genau dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass der klagende Dritte ein die Veräußerung hinderndes Recht an dem Vollstreckungsgegenstand hat3, sodass die Zwangsvollstreckung in diesen Gegenstand nicht stattfinden darf. Zudem muss die Vollstreckung in den Gegenstand schon begonnen haben und darf noch nicht abgeschlossen sein.4
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Oft scheint Klausurbearbeitern unbekannt zu sein, was ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ i.S.d. § 771 I ZPO ist.
Darunter ist jedes Recht des Dritten zu verstehen, welches dem Schuldner verbieten würde, die Sache, in die vollstreckt wird, selber zu veräußern.
Solche Rechte sind nach h.M. insbesondere Eigentum, Vorbehalts- und Sicherungseigentum sowie Anwartschaftsrechte. Allerdings empfiehlt es sich hier einmal mehr, nicht einen ganzen Katalog von Rechten, also Details, auswendig zu lernen, sondern sich die o.g. Definition zu merken und zu prüfen, ob ein im konkreten Fall infrage kommendes Recht des Dritten dem Schuldner die Veräußerung verbieten würde. Lässt sich das bejahen, stellt dieses Recht ein Veräußerungshindernis i.S.d § 771 I ZPO dar und die Drittwiderspruchsklage ist begründet.
1 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, 72. Aufl., München 2013, § 280, Rn. 9. Bei einer unberechtigten GoA, d.h. einer GoA, die nicht im Einklang mit dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn steht, ergibt sich der Schadensersatzanspruch allerdings speziell aus § 678 BGB.
2 Siehe Kurt Schellhammer, Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen samt BGB Allgemeiner Teil, 8. Aufl., Heidelberg 2011, Rn. 2396; Dörner, in: Schulze, Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 7. Aufl., Baden-Baden 2012, § 136, Rn. 4. Absolute gesetzliche Veräußerungsverbote i.S.d. § 135 BGB gibt es aber in anderen Gesetzen; s. hierzu Ellenberger, in: Palandt (Fn. 7), § 136, Rn. 2 m.w.N.
3 Vgl. Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, 9. Aufl., München 2011, Rn. 1402.
4 Vgl. Wolfgang Lüke, Zivilprozessrecht, Erkenntnisverfahren, Zwangsvollstreckung, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 10. Aufl., München 2011, Rn. 603.
Weitere interessante Dinge, die Chuck Norris – und NUR Chuck Norris! – tun kann, findet ihr hier: https://www.juraexamen.info/festschrift-fur-prof-dr-jur-dr-hc-mult-chuck-norris-ll-m-surfers-paradise-attorney-at-law/
mE ist der erste Abschnitt so nicht ganz richtig:
Das – im Zusammenspiel von §§ 433 I, 929 BGB zum Ausdruck kommende – TRENNUNGSPRINZIP sagt im Ergebnis, dass der Käufer nicht durch den Kaufvertrag Eigentümer wird.
Das ABSTRAKTIONSPRINZIP besagt dahingegen, dass die Nichtigkeit des Verfügungsgeschäft in seinem Bestand nicht vom Verpflichtungsgeschäft abhängt.
uups,
das sollte natürlich heißen, dass das Verfügungsgeschäft in seinem Bestand nicht vom Verpflichtungsgeschäft abhängt und vice versa.