„Hack your Examensvorbereitung“ – Drei Tipps für mehr Lernerfolg
Wir freuen uns sehr, heute einen Gastbeitrag von Thomas Kahn veröffentlichen zu können. Thomas Kahn ist Jurist, hat das 1. Staatsexamen in Mainz und das 2. Staatsexamen in Berlin abgelegt und ist Autor der Lernapotheke für Juristen, einem E-Book, in dem er die Techniken verrät, mit denen er selbst erfolgreich beide Staatsexamina abgelegt hat. Er bietet außerdem eigene digitale Lernmaterialen für das Staatsexamen an – die Basiskarten Jura.
Der Tag hat für jeden von uns nur 24 Stunden. Um erfolgreich in unserem Studium zu sein, müssen wir diese Zeit geschickt einteilen und mit den richtigen Aktivitäten füllen. Dieser Beitrag stellt drei Ansätze vor, die Dir dabei helfen, deine Examensziele zu erreichen – ohne auf dem Weg dahin den Verstand zu verlieren.
I. Was Du tun kannst – und was nicht
Jedes Examen ist das Ergebnis einer Vielzahl von Faktoren. Manche davon können wir beeinflussen, andere sind für uns unveränderbar und wir müssen einfach lernen damit umzugehen. Zu letzterer Gruppe gehört zum Beispiel:
- wie intelligent ich bin und wie gut ich mich konzentrieren kann,
- was im Examen drankommt – Lieblingsthema oder Lückenfach?
- wie fit ich am Tag der Klausur bin.
Einfluss habe ich demgegenüber darauf:
- was ich lerne und wie viel,
- welche Techniken und Programme ich dabei einsetze,
- wie intensiv ich Klausurenschreiben übe.
Wir schauen uns heute einmal ein paar dieser veränderbaren Faktoren an, über die in unserem Studium sonst leider nur selten gesprochen wird. Deshalb geht es zur Abwechslung einmal nicht um juristische Inhalte (wichtig) oder die richtige Klausurtechnik (sehr wichtig) – zu diesen Themen bietet juraexamen.info ja schon so ziemlich alles, was das Herz begehrt –, sondern ich will die Frage beantworten, wie und womit wir genau die Zeit verbringen sollten, die uns zur Vorbereitung auf das Staatsexamen zu Verfügung steht. Konkret heißt das:
- Wie lerne ich, d. h. vor allem: Wie sorge ich dafür, dass das, was ich lerne, auch bis zum Examen in meinem Kopf bleibt?
- Wie gelingt es mir, mich zu konzentrieren, anstatt mich alle fünf Minuten abzulenken?
- Wie schaffe ich es, kontinuierlich über Wochen und Monate hinweg zu lernen, anstatt ständig zwischen Bulimie-Lernen und Burnout-Phasen hin- und herzupendeln?
Ich behaupte, dass jeder, der ein ordentliches Examen machen möchte, auf diese drei Fragen brauchbare Antworten finden muss – auch wenn diese Antworten bei euch möglicherweise anders ausfallen als bei mir. Drei Konzepte, von denen ich enorm profitiert habe, will ich euch jetzt vorstellen. Ohne sie hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft, beide Staatsexamina mit einem Prädikat abzuschließen.
II. Wie schaffe ich es, Wissen zu behalten?
Es ist traurige Realität, dass im Bereich der Lernforschung populäre Konzepte oft wenig sinnvoll und sinnvolle Konzepte oft wenig populär sind. Beispiele für schlicht unsinnige oder zumindest weniger effektive Konzepte sind etwa: Lerntypentests, Markieren mit Textmarkern und eigene Zusammenfassungen schreiben. Letzteres sage ich als jemand, der früher selbst Lehrbücher und Vorlesungsunterlagen zu eigenen Skripten gebündelt hat. Ich stehe diesem Ansatz also nicht grundsätzlich feindlich gegenüber. Man hat nur leider einfach nicht so viel davon wie landläufig oft angenommen.
Das Konzept, das ich stattdessen vorschlagen möchte, sind sogenannte Spaced Repetition Programme. Dabei handelt es sich um Karteikartenprogramme, die den Lernstoff in wachsenden Abständen abfragen. Diese Vorgehensweise nutzt zwei wichtige Erkenntnisse der Lernforschung aus: Zum einen den Spacing Effect (Stoff in größeren Abständen wiederholen ist effektiver als mehrmals kurz hintereinander) und zum anderen den Testing Effect (dich aktiv abzufragen bringt mehr als den Stoff noch einmal passiv zu lesen). Lernen mit Karteikarten hat zu Unrecht einen schlechten Ruf. Es ist der einzige Ansatz, der diese beiden grundlegenden Erkenntnisse der Lernforschung praktisch nutzbar macht.
Wieso eigentlich Spaced Repetition Programme? Ist es nicht ebenso gut, mit handgeschriebenen Karteikarten zu lernen? Das ist sicher nicht verkehrt, aber optimal ist es nicht, denn niemand sortiert alle für das Staatsexamen zu lernenden Karteikarten nach Kenntnisstand in irgendwelche meterlangen Karteikästen ein. Letztlich läuft dieser Ansatz deshalb immer darauf hinaus, dass Du je nach Gefühl und Laune mal dieses und mal jenes Rechtsgebiet wiederholst und so auf den größten Vorteil verzichtest, den Spaced Repetition Programme Dir bieten: Die Sicherheit, dass alles Gelernte auch wirklich in deinem Kopf bleibt, weil das Programm Dir nur die Karten vorsetzt, die Du sonst bald wieder vergessen würdest. Alles andere wird erst einmal nicht wiederholt, was sehr effizient ist.
Und welches Programm soll ich verwenden? Die erste Liga der Spaced Repetition Programme bilden SuperMemo, Anki und Mnemosyne, weil diese über einen überlegenen Lernalgorithmus verfügen. Unter diesen dreien stellt aus meiner Sicht das Open Source-Programm Anki für uns Juristen noch immer die beste Option dar. Es läuft sowohl unter Windows als auch Mac OS und verfügt über passende Apps für Android und iOS. Wer damit selbst Karteikarten erstellen möchte, sollte sich die von mir entwickelte kostenlose Jura-Vorlagen-Erweiterung anschauen, mit der Du juristisches Wissen wesentlich schneller und bequemer auf Karteikarten übertragen und wiederholen kannst. Wie das geht, habe ich hier erklärt. Wer stattdessen lieber auf fertige Jura-Lernkarten zurückgreifen möchte, dem möchte ich meine Basiskarten ans Herz legen, mit denen ich mich selbst erfolgreich auf das erste und zweite Staatsexamen vorbereitet habe.
III. Wie gelingt es mir, mich zu konzentrieren?
Die beste Lerntechnik nützt nichts, wenn es uns nicht gelingt, uns auf unsere Arbeit zu konzentrieren. Wer alle fünf Minuten WhatsApp checkt oder seinen Tagträumen nachhängt, wird auch in zwei Stunden „Lernzeit“ keine großen Fortschritte machen. Das zu erkennen ist leicht – dieses Verhalten daraufhin einfach abzustellen, allerdings nicht. Für diejenigen unter euch, denen es auch so geht, habe ich gute Neuigkeiten: Es gibt eine Lösung für dieses Problem, die nichts kostet und auch nicht verschreibungspflichtig ist. Es ist die geniale Pomodoro-Technik. Du brauchst dafür:
- Einen Countdown-Timer (z. B. eine Küchenuhr oder ein Programm auf deinem PC, besser keine App für Dein Handy, dazu sogleich.)
- Ein Blatt Papier, gerne auch einen Stundenplan
- Einen Stift
Nun stellst Du den Timer auf 25 Minuten ein, startest ihn und beschäftigst Dich bis zum Ablauf des Countdowns ausschließlich mit Dingen, die in der nachfolgenden Liste aufgeführt sind:
- Deiner Arbeit
(Ende der Liste)
Zum Vergleich hier eine Liste der Dinge, die Du innerhalb der 25 Minuten auf gar keinen Fall tust:
- Dein Handy oder Social Media-Accounts auf neue Nachrichten überprüfen
- Dir kurz die Beine vertreten
- Dich mit Kommilitonen unterhalten
- Alles andere, was nichts mit deiner Arbeit zu tun hat
Wenn der Countdown endet, hast Du erfolgreich Deine erste Einheit absolviert. Gut gemacht! Nun hast Du fünf Minuten Zeit, um Dich zu erholen und Dich seelisch-moralisch auf den Beginn der nächsten Einheit einzustellen. Am Ende der Pause geht es nämlich von vorne los. So erledigst Du vier Einheiten hintereinander, dann hast Du Dir eine längere Pause verdient.
Ganz wichtig ist, dass Du den Timer während der Arbeit immer im Blick hast. Die Pomodoro-Technik funktioniert nämlich vor allem deshalb, weil Du durch den Timer immer genau weißt, wie lange (oder eher: wie kurz) es noch bis zur nächsten Pause ist. Dadurch ist es viel leichter, Deine abschweifende Aufmerksamkeit wieder auf Jura zu richten, anstatt deinem Verlangen nach einem kurzen Facebook- oder Instagram-Fix nachzugeben.
Falls Du während einer Einheit doch einmal schwach wirst und deinem Ablenkungstrieb oder dem Bedürfnis nach sozialem Kontakt nachgibst, hast Du übrigens nicht eine halbe Einheit gearbeitet, sondern gar keine. Es gibt nämlich keine halben Einheiten. Wer eine Einheit zwischendrin „pausiert“, muss ebenfalls von vorne anfangen. Keine Ausnahmen!
Gelegentlich passiert es, dass Du während einer Einheit eine Idee hast oder Dir etwas einfällt, das Du noch erledigen musst. Das notierst Du Dir dann auf dem Zettel, den Du während einer Einheit immer neben Dir liegen hast, damit Du es nicht vergisst und Deine Aufmerksamkeit sofort wieder unserem schönen Studienfach zuwenden kannst.
Es ist hilfreich, wenn Du schon am Abend vorher planst, wie viele und welche Einheiten Du am nächsten Tag erledigen möchtest. Dadurch schaffst Du Dir Struktur und kannst am nächsten Morgen sofort loslegen. Lass Dich im Übrigen nicht davon irritieren, dass mit der Pomodoro-Technik 2 h Lernzeit (aufgrund der 5-Minuten-Pausen) zu einer effektiven Arbeitszeit von nur 1 h und 40 min zusammenschmelzen. Wenn es Dir so geht wie vielen anderen, wirst Du in diesen 4 Einheiten oft mehr schaffen als sonst in vier Stunden.
Ein Wort schließlich noch zu den vielen Pomodoro-Apps, die in den App-Stores auf Dich warten: Davon würde ich Dir eher abraten, weil Smartphones während der Arbeitszeit einfach zu verführerisch sind. Eine Studie hat jüngst ergeben, dass sie deiner Konzentration sogar schaden, wenn Du sie während deiner Arbeitszeit nur lautlos in der Hosentasche hast! Am besten lässt Du Dein Handy während der Arbeitszeit deshalb einfach im Spind.
IV. Wie lerne ich regelmäßig?
Nun weißt Du bereits, was genau Du während deiner Lernzeit tun solltest (digitale Karteikarten erstellen und wiederholen) und wie Du es schaffst, Dich darauf zu konzentrieren (Pomodoro-Technik). Stellt sich nun noch die Frage, wie es Dir gelingt, das nicht nur zu tun, wenn Dir gerade danach ist, sondern regelmäßig – am besten sofort ab Semesterbeginn.
Jeder von uns hat Phasen, in denen er motiviert ist und in denen es ihm gelingt, zu lernen und sich anzustrengen. Die Kunst besteht darin, auch in Zeiten, in denen Du gerade keine besondere Motivation verspürst, etwas für Dein Studium zu tun. Das ist unzweifelhaft besser als wochenlang nichts zu tun und Dir dann kurz vor der Klausur in langen Nachtschichten von Angst und Koffein getrieben die Augen rot zu lernen.
Dieser Aussage in der Theorie zuzustimmen ist leicht, aber wie kriegst Du das auch praktisch hin? Anstatt darauf zu warten, dass Deine Begeisterung für Jura zurückkehrt, während Du Motivationsseiten auf Instagram browst, würde ich Dir raten: Fang doch in der Zwischenzeit schon einmal an zu arbeiten. Mit der Don’t Break the Chain-Technik gelingt Dir das. Du brauchst dazu:
- Einen Kalender, der Dir das ganze Jahr auf einmal anzeigt. Einen solchen kannst Du Dir z. B. hier ausdrucken. Häng ihn direkt über Deinen Schreibtisch, damit Du ihn immer im Blick hast.
- Einen dicken Markierstift in einer Signalfarbe deiner Wahl
- Eine kleine, überschaubare Aufgabe, die Du jeden Tag (bis auf sonntags) erledigen möchtest, z. B. zwei Pomodoro-Einheiten lernen oder Vorlesungen vor- bzw. nachbereiten. Es sollte ein Ziel sein, das Du jeden Tag ohne größere Mühe erreichen kannst. Wenn Du dann spontan mehr machen möchtest, kannst Du das gerne tun – musst es aber nicht. Dadurch gelingt es dir, Deinen Kurs auch an Tagen beizubehalten, an denen Du nur wenig Zeit und noch weniger Lust hast.
Nun tust Du folgendes:
- Jeden Tag, an dem Du Dein Ziel erfüllt hast, markierst Du mit einem fetten X, um Dir und der Welt zu zeigen, dass Du nicht abhängig von irgendwelchen willkürlich kommenden und gehenden Motivationsschüben bist.
- Du lässt die Kette, die dadurch entsteht, bis zur Klausur bzw. bis zum Examen nicht mehr abreißen, egal was passiert.
Es fühlt sich sehr gut an, diesen Beweis des eigenen Durchhaltevermögens vor sich zu sehen. Du wirst zudem merken, dass es sich mit der Begeisterung für ein Thema genau umgekehrt verhält wie vielfach angenommen: Wenn Du Dich erst einmal mit etwas beschäftigst, taucht sie plötzlich auf. „Inspiration existiert, aber sie muss Dich bei der Arbeit vorfinden.“ (Pablo Picasso)
Bonus-Tipp: Es mag verführerisch sein, diese Technik nicht nur für Jura, sondern gleichzeitig auch für andere Ziele einzusetzen, etwa für Dein Sport-Programm. Aus eigener Erfahrung kann ich Dir allerdings sagen, dass das die Gefahr birgt, den Fokus zu verwischen. Der Effekt ist eben dann am stärksten, wenn Du jeden Tag nur ein Ziel hast, das Du unbedingt erreichen musst.
So ausgerüstet verfügst Du schon einmal über drei wirksame Mittel gegen die größten Gegner in unserem Studium: Vergessen, Konzentrationsprobleme und Prokrastination.
Der letzte Absatz mit dem Bonus- Tipp ist Humbug. Das Examen besteht man nur mit Prädikat, wenn man Masse ballert! Das schafft ein Ventil zum Alltag und als Stärkster im Raum hat man gleich ein viel höheres Selbstwertgefühl.