Fahrverbot als allgemeine Strafe – Wunderwaffe oder Schreckgespenst?
Die „GroKo“ hat im Koalitionsvertrag vereinbart:
«Um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt, werden wir das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einführen.»
Nun scheint die Umsetzung dieses Vorhabens anzustehen – und wir fragen uns: Ist das wirklich sinnvoll?
I. Bekannte Argumentation
Diskutiert wird über die Frage, ob ein Fahrverbot als Strafe auch bei allgemeiner Kriminalität sinnvoll ist, schon länger (dafür König, NZV 2001, 6; dagegen Kilger, ZRP 2009, 13). Die Argumente lassen sich wie folgt strukturieren:
Pro:
– Starker Abschreckungscharakter – viele trifft ein Fahrverbot empfindlicher als „nur“ eine Geldstrafe.
– Kostengünstige Alternative zu Freiheits- und Geldstrafe.
– Praxisbewährte Sanktion.
Contra:
– Sachfremde Verknüpfung von Tat und Strafe – Gefahr mangelnder Akzeptanz bzw. einer Verletzung des Gerechtigkeitsempfindens des Täters und der Rechtsgemeinschaft
– Sonderstrafrecht für Fahrerlaubnisinhaber
– Fehlende Überwachbarkeit und Gefahr der Sekundärkriminalisierung
– Verfassungsrechtliche Bedenken
II. Stellungnahme
Meiner Einschätzung nach spricht viel für die Einführung des Fahrverbotes als Strafe auch für allgemeine Kriminalität. Eine „sachfremde Verknüpfung von Tat und Strafe“ wird man in fast allen Fällen auch der Freiheits- und Geldstrafe vorwerfen können – warum entziehen wir die Freiheit bei einem Diebstahl oder Steuerhinterziehung? „Sachnahe“ Lösungen nach dem alttestamentarischen Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ haben wir zum Glück hinter uns gebracht. Auch die fehlende Überwachbarkeit kann als schlagendes Argument nicht überzeugen. In der Praxis werden Fahrverbote regelmäßig beachtet, so dass nichts anderes auch bei derartigen Strafen für allgemeine Kriminalität zu erwarten ist.
Durchgreifend ist sicherlich das Argument des Sonderstrafrechtes für Fahrerlaubnisinhaber. Zudem werden Geldstrafen nach individuellen, verdienstabhängigen Tagessätzen berechnet, so dass diese grundsätzlich jeden gleich treffen können. Dies spricht aber nicht gegen die Einführung weiterer Sanktionsmöglichkeiten, die u.U. eine bessere spezialpräventive Wirkung entfalten. Letztlich wird man daher keine Wunder vom Fahrverbot als allgemeine Strafe erwarten können, doch könnte sie in manchen Fällen passgenauer und wirksamer sein als klassische Freiheits- und Geldstrafe.
Was meint ihr? Ist ein Fahrverbot als allgemeine Strafe sinnvoll? Habt ihr weitere Ideen für moderne Sanktion (bspw. Abschalten des Internetzugangs)?
Ein interessanter Vorschlag, gemacht von Lebensuntüchtigen, oder von kleingeistigen Geschöpfen wie W. Bosbach.
3 Kriminelle wollen eine Bank ausrauben. Hein soll das Fluchtfahrzeug fahren, hat aber am Tag vorher den „Lappen“ abgeben müssen. Wat´nu? Bankraub abblasen? Ich stelle mir den Dialog mit den anderen Tätern vor: „.. biste Jeck, isch kann dat Fluchfahrzüsch nit fahre, isch han Jestern dä Lappe avvjeve müsse.“
„Zudem werden Geldstrafen nach individuellen, verdienstabhängigen Tagessätzen berechnet, so dass diese grundsätzlich jeden gleich treffen können“
Aber auch nur in der Theorie.
30 Tagessätze z.B. also ein Monatsnetto.
Bei einem Verdienst von 1000€ wird genau das Geld von diesem Montag aber mehr gebraucht als bei einem Monatsverdienst von 10.000€.
Da ich jetzt mal pauschal unterstelle, dass derjenige mit den 10.000€ monatlich mehr „Auf der hohen Kante“ hat.
In solchen Fällen wäre ein Fahrverbot für den „Reichen“ vermutlich die härtere Strafe.
Gutes Beispiel. Was hälst du von einer am Vermögen statt am aktuellen Verdienst bemessenen Geldstrafe?
Vermutlich etwas besser.
Aber auch schwierig, das Problem mit Geldstrafen ist generell, dass sie ärmere Menschen härter treffen als Reiche.
Wenn man nach vermögen geht, wird evtl derjenige schlechter gestellt der ein Haus geerbt hat ansonsten aber genau so viel Verdient wie sein Kollege mit dem gleichen Gehalt.
Derjenige mag zwar (Sach)vermögen haben. Aber über das verfügt er ja nicht direkt.
Das lässt sich aber auch nicht einfach lösen, der „reiche“ mensch wird immer weniger Probleme mit einer Strafe haben als der Arme (von Freiheitsstrafen mal abgesehen, da sind beide relativ gleich).
Denn wenn ich genug Geld hab ist ein Fahrverbot zwar lästig, aber im Zweifel stelle ich jemanden als Fahrer ein oder fahr halt einen Monat lang Taxi.
Man kann aber auch nicht anfangen für kleinere Vergehen reiche Menschen direkt zu Freiheitsstrafen zu verurteilen.
Man könnte evtl überlegen, ob man die Tagessatzhöhe evtl nicht linear an das Einkommen koppelt sondern eine progressivere Berechnung anstellt.
So dass ab einem bestimmten Einkommen, z.B. ein doppelter Tagessatz berechnet wird.
So könnte man das Strafmaß (dass sich ja nur in der Anzahl der Tagessätze niederschlägt) beibehalten, gleichzeitig aber für eine ähnliche Härte beider Urteile sorgen.
So dass derjenige in meinem Beispiel dann z.B. 15.000€ Strafe zahlen muss. (Auch wenn das bei so einem Einkommen vermutlich auch kein riesigen Unterschied macht) Auch wenn er nur 30 Tagessätze bekommt und 10.000€ verdient.
Man merkt schnell, dass der Autor unser Strafsystem nicht einmal im Ansatz durchblickt hat. Die Freiheitsstrafe als „sachfremde Verknüpfung“ von Tat und Sanktion zu bezeichnen und im nächsten Satz die absoluten Strafen mit Freude abzulehnen (die ja nur logische Konsequenz wären, fordert man ernsthaft eine „sachnahe“ Verknüpfung…)
Und seit wann werden in der Praxis Fahrverbote regelmäßig beachtet?
Man merkt schnell, dass der Kommentator den Beitrag nicht einmal im Ansatz durchblickt hat. Die Freiheitsstrafe wird als „sachfremde Verknüpfung“ von Tat und Strafe bezeichnet, um im nächsten Satz herauszuarbeiten, dass sachnahe Lösungen abzulehnen sind. Ersteres war kein Argument gegen Freiheitsstrafen, sondern gegen das Erfordernis der Sachnähe; wenn diese bei Freiheitsstrafen nicht erforderlich ist, warum dann bei einem Fahrverbot?
Und seit wann werden in der Praxis Fahrverbote nicht regelmäßig beachtet?
Wozu der raue, persönlich angreifende Ton? Wenn man bedenkt, dass dies eine von Studenten gegründete Webseite ist, auf der junge Juristen und angehende Wissenschaftler Artikel veröffentlichen, erscheint es lediglich Ausdruck eines unnötig negativen Charakters, den Autor pauschal als unverständig zu bezeichnen. An dieser Stelle sollen Mutmaßungen über die Ursachen jener Negativität ausgespart bleiben. Der Leser ist jedoch herzlich dazu eingeladen, diese selbst vorzunehmen.
@maximilianschmidt:disqus: Vielen Dank für den kurzen und zum Nachdenken anregenden Artikel über ein aktuelles rechtspolitisches Thema.
Ich halte den Ansatz grundsätzlich für interessant. Im Jugendstrafrecht könnte man z.B. zeitgleich ein Karussellfahrverbot einführen.
Letztlich wird bei der Geschichte jedoch ein wichtiger Aspekt übersehen: Geldstrafen spülen Geld in die Kassen. Einmal zu einem promovierten Akademiker (nur die erstatten Strafanzeige) „Arschloch“ gesagt und beim Roten Kreuz darf man sich über 400€ freuen.
Ein Problem bei einer allgemeinen Fahrverbotsstrafe könnte noch sein, dass diese, entgegen der ansonsten grds. allgemeinen Sanktionslosigkeit von sanktionsrechtlicher Selbstbegünstigung, eventuell nur durch sich aufschaukelnde (Straf-)sanktionen durchsetzbar scheinen könnte.
Bei Verkehrsverstößen könnte dies noch unter sachlich verbundenen präventiv Gefahrvermeidungsgesichtspunkten als angemessen erscheinen. Bei einer allgemeinen Fahrverbotssanktion könnte dies aber nicht greifen. Daher könnte hier eine Angemessenheit noch problematischer bleiben.