Gastbeitrag: Examen ohne Repetitor
Wir freuen uns, heute einen Erfahrungsbericht unserer Gastautorin Anna – Lena posten zu können zum Thema „Examen ohne Repetitor“. Dies umso mehr, da wir persönlich diesbezüglich wenig eigene Erfahrungen mit einfließen lassen können. Die Verfasserin hat ein (mit Prädikat) abgeschlossenes Studium in Freiburg hinter sich.
Examen ohne Repetitor
Das Examen rückt näher und so langsam stellt sich die Frage, wie man sich denn am Besten auf den “Hammer am Ende” vorbereiten sollte. Für die meisten beschränkt sich die Wahl auf zwei Alternativen: kommerzielles Repetitorium oder Ex-o-Rep (Examen ohne Repetitor) mit einer Lerngruppe. Der folgende Beitrag soll Mut zum Ex-o-Rep machen und ein kleine Anleitung für einen gelungenen Einstieg bieten.
To Rep or not to Rep?! Eine Entscheidungshilfe… Kommerzielle Repetitorien sollen hier gar nicht verteufelt werden, sie leisten häufig gute Arbeit und insbesondere für auditive Menschen mag es durchaus die richtige Vorbereitungsform sein. Viele Studenten besuchen ein Repetitorium jedoch nicht aufgrund einer bewussten Entscheidung, sondern vielmehr aus „Gruppenzwang“, bzw. weil sie eine Vorbereitung ohne Repetitorium für sich selbst als nicht diskutabel empfinden. Das ist schade, denn vieles, was vermeintlich nur ein kommerzielles Repetitorium leisten kann, kann das Ex-o-Rep auch, zum Teil sogar besser!
Viele erhoffen sich vom Repetitorium Antrieb und Motivation, den Stoff bis zur nächsten Stunde auch wirklich gelernt zu haben – wer nicht über unglaubliche Eigenmotivation verfügt, wird hin und wieder einen kleinen Schubs nötig haben. In den Examenskursen der kommerziellen Repetitorien sitzen jedoch oft weit über 50 Personen, eine Masse, in der man durchaus gut untertauchen kann. Eine Ex-o-Rep-Lerngruppe besteht hingegen im Regelfall aus 3-5 Personen – zum Verstecken keine Chance! Wer hier nicht anständig gelernt hat, fällt sofort auf. Zwar wird einen die eigene Lerngruppe nicht sofort lynchen, aber es verursacht schon ein schlechtes Gefühl, alle anderen aus eigener Faulheit auszubremsen. Für Motivation zur nächsten Stunde ist damit immer gesorgt.
Ein weiterer Vorteil des kommerziellen Repetitors ist die Ausgabe umfangreicher Lernmaterialien, eine weitere Suche nach Büchern etc. erübrigt sich damit meistens. Klar, in einer Lerngruppe gibt es so etwas nicht, aber die juristischen Bibliotheken sind voll mit Skripten und Lehrbüchern, viele Professoren stellen mittlerweile eigene Vorlesungsskripte und PowerPoint-Präsentationen online. An Materialen mangelt es also durchaus nicht. Man muss sich nur die richtigen heraussuchen. Durch Querlesen benötigt man dazu normalerweise nicht länger als eine halbe Stunde und man lernt nun mit einem Buch, das einem auch wirklich entgegenkommt.
Ein weiteres Argument für das Repetitorium ist für viele die Angst, etwas beim Lernen zu vergessen. Die Angst ist durchaus nachvollziehbar, dennoch ist das angesichts zahlreicher Lehrbücher, Skripten und Vertiefungsvorlesungen sehr unwahrscheinlich. Hierauf komme ich später noch einmal zurück.
Ein letztes Vorurteil soll nun zum Schluss noch beseitigt werden: Ex-oRep sei nur etwas für Überflieger. Das stimmt so nicht. Bei der Frage nach Repetitor oder Ex-o-Rep geht es weniger um Unterschiede im Inhalt, als um die äußere Organisation des Lernens. Dabei kommt es darauf an, dass man ein Mindestmaß an Eigenorganisation und Disziplin mitbringt und nicht, ob man ohnehin schon alles kann. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass eine ordentliche Leistungssteigerung auch beim Ex-o-Rep immer „drin“ ist.
Wie geht´s weiter? Steht die Entscheidung für eine Vorbereitung Ex-o-Rep fest, müssen einige Vorbereitungen getroffen werden. Mitstreiter wollen gefunden, ein Lernplan erstellt werden und man muss sich einigen, wie die AG-Sitzungen gestaltet werden. Eins nach dem anderen:
Lernpartner… Im besten Fall hat man seine Mitstreiter schon während des Studiums gefunden und hat schon einmal auf Klausuren zusammen gelernt. Man kann sich aber auch erst zur Examensvorbereitung zusammenfinden. Häufig bieten die Fachschaften der Unis Treffen oder Listen am schwarzen Brett an, in denen man suchen kann, ansonsten muss man ein bisschen kreativ sein. Die optimalen Lernpartner sollten in etwa über die gleiche Motivation und Disziplin für das Examen verfügen; jemand, der nur 3 Stunden auf „ein 4 gewinnt“ lernt, wird mit einem 10-Stunden-18-Punkte-Lerner nicht glücklich und anders herum. Eine gut funktionierende Gruppe besteht normalerweise aus 3-5 Personen, wobei 3 wenig und 5 schon fast zu viele sind.
AG-Form… Hat man sich gefunden, muss man sich einigen, wie die AG-Sitzungen gestaltet werden sollen. Diesbezüglich sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: gemeinsames Lernen, Fall-AGs, Wiederholungssitzungen, Abfragestunden sind in allen Varianten möglich, z. B. eine Fall-AG, kombiniert mit Wiederholungseinheiten vor der eigentlichen Sitzung.
Lernplan… Darauf aufbauend muss ein Lernplan erstellt werden. Dies nimmt ein bisschen Zeit in Anspruch, am Besten reserviert sich die Lerngruppe dafür ein Wochenende, so kann man nach getaner Arbeit noch gemeinsam etwas unternehmen. Zur eigentlichen Erstellung arbeitet man sich vom Groben ins Feine durch. Unentbehrlich dabei ist die JaPrO – so hat man alle relevanten Gebiete stets im Blick. Als erstes legt man die Länge der gemeinsamen Vorbreitung fest (idR 12-15 Monate), wie oft man sich wöchentlich trifft (idR 2-3 Mal) und wie lange die einzelnen Sitzungen dauern sollen (idR 3-5 Stunden inkl. Pause). Dann werden die einzelnen Sitzungen auf Zivil-, und Öffentliches und Strafrecht entsprechende der Examensrelevanz gewichtet verteilt (bspw. 50-30-20). Anschließend wird innerhalb der Rechtsgebiete weiter ausdifferenziert: wie viele Sitzungen für BGB AT, Schuldrecht AT und BT bzw. Verwaltungsrecht, Staatsrecht, Prozessrecht und Strafrecht AT und BT etc. Als letzten Schritt teilt man die einzelnen Sitzungen auf: eine Sitzung Diebstahl, eine Sitzung für Entstehung der Grundschuld und eine weitere für Übertragung etc. Damit ist der Lernplan fertig Das hört sich erst einmal nach viel Arbeit an, hat aber auch etwas Positives: durch die intensive Beschäftigung mit dem Stoff wird er überschaubar, man steht nicht mehr vor einem unüberwindbaren Berg an Lernstoff und hat selbst im Kopf, welche Gebiete examensrelevant sind. Die lange Zeit bis zum Examen ist nun „mit Leben“ gefüllt und das vage, etwas unsichere Gefühl verflüchtigt sich langsam.
Es geht los! Wenn der Lernplan erst einmal steht, kann es (fast) losgehen. Worum man sich jetzt noch kümmern muss, ist ein Raum für die AG-Sitzungen. In manchen Unis kann man sich Räume zuteilen lassen, ein Tisch in einer großen WG-Küche tut es aber auch.
AG-Sitzungen…Hat man sich auf eine Fall-AG verständigt, ist es ratsam, reihum einen der Mitlerner als Sitzungsleiter zu bestimmen. Das macht man am Besten schon bei der Erstellung des Lernplans, damit die Verteilung der verschiedenen Rechtsgebiete in etwa gleichmäßig ist. Der Sitzungsleiter bereitet die Sitzung vor, sucht Fälle heraus, kopiert Sachverhalte und Lösungen und arbeitet die Fälle schon einmal durch. In der Sitzung kann er so die Mitstreiter durch die Falllösung führen und Hilfestellung geben, wenn es hakt. Geeignete Fälle findet man über Online Datenbanken (Stichwort: Examensklausur + das jeweilige Thema) in den Ausbildungszeitschriften und Fallbüchern; eine gute Hilfe leistet auch der „Der Fundus“ von Tholl, eine Sammlung von thematisch geordneten Fällen aus JuS, JA und Jura.
In der Sitzung sollte ein bisschen Zeit zu Eindenken in den Sachverhalt und das Anfertigen einer knappen Lösungsskizze gewährt werden, danach wird der Fall mündlich gelöst. Als sehr hilfreich für die Sitzungen haben sich die Studienkommentare aus dem Beck Verlag erwiesen, so kann man Probleme gleich nachschlagen, wenn es einmal nicht weitergeht.
Lernen… Das eigentliche Lernen des Stoffs bleibt bei einer Fall-AG jedem selbst überlassen. Die Materialen sollte man den eigenen Vorlieben anpassen. Auch wenn man nicht zum Repetitorium geht, kann man dennoch mit Skripten lernen. Daneben gibt es Lehrbücher, Vorlesungsmitschriften, vielleicht ein besonders gutes Skript oder Powerpoint-Präsentation eines Professors… Empfehlenswert ist es auch, die Veranstaltungsangebote der Uni zu nutzen, Wiederholungs- und Vertiefungskurse sind eine gute zusätzliche Wissensquelle, sie sorgen aber auch für Abwechslung im etwas tristen Lernalltag. Hinsichtlich der Auswahl der Kurse sollte man ehrlich mit sich sein, denn 90 min sind wertvolle Zeit. Lerne ich gut durch zuhören? Bringt mir der Kurs etwas, kann ich dem Professor gut folgen? Alle Kurse kann man häufig aus Zeitmangel nicht belegen, daher ist etwas Mut bei der Auswahl gefragt.
Klausurenschreiben… Sehr wichtig ist weiterhin das Schreiben von Klausuren. Den meisten Jurastudenten wird im Laufe ihres Studiums aufgefallen sein, dass inhaltliches Können und Klausuren-schreiben-können zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Deshalb sollte man die erste 5-stündige Klausur nicht erst im Examen schreiben. Außerdem kann man anhand der Klausuren seinen Wissensstand objektiv beurteilen lassen. Mein persönlicher Tipp lautet daher schreiben, schreiben, schreiben –von Anfang an und das Geschriebene auch abgeben! Von Anfang an mitschreiben, weil es von Anfang an etwas bringt: es fällt einem immer irgendetwas ein, vielleicht erst nach 90 min herumstochern, aber immerhin. Setzt man sich in einer Klausur einmal intensiv mit einem Problem auseinander, versteht man es zudem viel besser. Außerdem umgeht man so eine Falle: Auch nach 2, 4 oder 6 Monaten Examensvorbereitung hat man viele Rechtsgebiete noch nicht behandelt und fühlt sich immer noch nicht „klausurbereit“. Irgendwann muss man mit dem Klausurenschreiben jedoch anfangen. Auch im Examen kann man in Klausuren auf Sachverhalte oder Probleme treffen, die man so nicht kennt. Da ist es besser, solche Situation vorher geübt zu haben und sich selbst vertrauen und sagen zu können: ich kann damit umgehen.
Ein paar Tipps zum Abschluss… Ex-o-Rep hat viele Vorteile, häufig stellt man jedoch die Minderheit dar. Wenn Kollegen aus dem Repetitorium von wahnsinnig examenrelevanten Problemen sprechen, von denen man selbst gerade zum ersten Mal hört, muss man schon sehr stoisch veranlagt sein, um nicht flatterige Nerven zu bekommen. Davon sollte man sich nicht zu sehr beeinflussen lassen: es ist wirklich äußerst unwahrscheinlich, dass man etwas vergisst. Erstens sehen 16 wachsame Augen sehr viel, zweitens besucht man Veranstaltungen und drittens lernt man mit vollständigen Lehrbüchern/Skripten. Meistens wird das Problem in einer späteren AG-Sitzung noch behandelt. Zweifel tauchen in jeder Examensvorbereitung auf, davor sind auch Repetitoriumsgänger nicht gefeit.
Fazit Ich hoffe, dieser kleine Text hat das Ex-o-Rep ein wenig „entmystifiziert“ und macht vielen LeserInnen Mut zur selbstbestimmten Vorbereitung. Zwar mag der zeitliche Aufwand größer sein, aber die sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Stoff ist mit Blick auf das Examen durchaus positiv zu werten und verhilft zu einem vertieften Verständnis des Rechts. Außerdem ist es ein unglaublich motivierendes Gefühl zu merken, was man selbst leisten kann. Ex-o-Rep ist keine Notlösung, sondern eine vollwertige Alternative, die viele Vorteile aufweist.
Ein letzter Aspekt: für ein kommerzielles Repetitorium zahlt man im Schnitt mehr als € 1500 für einen kompletten Kurs – was man mit diesem Geld sonst noch machen könnte, überlasse ich eurer Fantasie… 🙂
Als weitere Hilfestellung sei auf das Forum und auf folgendes Buch verwiesen, eine echte Motivationsspritze mit vielen hilfreichen Details und Tipps:
Achim Berge, Christian Rath und Friederike Wapler: Examen ohne Repetitor, 2001, Nomos Verlag.
Vielleicht könnte man noch anmerken, dass beim Examen ohne Rep wahrscheinlich im Ergebnis mehr Freizeit in der Woche bleibt, da man die knapp 10h an Repsitzungen wegstreichen kann (natürlich nicht, wenn dann 10h an AG-Sitzungen das Substitut darstellen, wobei hier der Vorteil ist, dass man diese terminlich flexibler einteilen kann).
Ich selbst kenne es exemplarisch aus meiner Phase nach dem Rep, wo ich eine Lerngruppe hatte. Im Ergebnis hatte ich in dieser Phase bereits einen enormen Zugewinn an Freizeit, v.a. auch wegen der freien Einteilbarkeit (z.B. AG um 19:00 nach dem Abholen der Klausur – danach 1-3 Bierchen – perfekt…).
Sehr guter Beitritt. Hat sehr weitergeholfen. Vielen Dank und schönen Gruß aus Hamburg