Erdogan vs. Böhmermann: Ein Nachtrag – § 185 StGB vs. § 103 StGB
In dem gestrigen Beitrag wurde die Frage diskutiert, inwiefern in der causa Böhmermann die Strafbarkeit des § 103 StGB gegeben ist und inwieweit diesbezüglich eine Strafverfolgung zulässig ist. Verwiesen wurde dabei auf § 104a StGB.
Dieser recht antiquiert anmutende Paragraph soll dem Schutz der deutschen Rechtsordnung vor der Einmischung durch ausländische Staatsoberhäupter dienen. Eine Strafverfolgung ist daher nicht sicher.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan geht daher – so Medienberichte – einen zusätzlichen Weg: Neben einem Strafverlangen nach § 104a StGB wurde auch ein Strafantrag nach § 194 StGB bezüglich einer Beleidigung gestellt. Hierbei handelt es sich um ein „normales“ Delikt, das nach dem Legalitätsprinzip stets auf Antrag zu verfolgen ist. So umgeht er die Voraussetzungen des § 104a StGB.
I. Verhältnis der Straftatbestände
Dabei entspricht der Tatbestand des § 103 StGB dem des § 185 StGB und auch des § 186 StGB auf den mitverwiesen wird. Auch bei der Prüfung einer Beleidigung gelten daher die Wertungen, die bei § 103 StGB zu beachten sind. Zu klären ist aber das Konkurrenzverhältnis beider Normen: Von § 103 StGB geschützt ist die Ehre ausländischer Staaten als kollektives Rechtsgut. Das Staatsoberhaupt dient daher als Repräsentant des Staates. Der allgemeine Schutz des § 185 StGB soll aus diesem Grund verstärkt werden. § 103 StGB wird aus diesem Grund als lex specialis zu § 185 StGB angesehen (Schönke/Schröder/Eser, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 103 StGB, Rn. 8).
Andere Ansichten sehen unterschiedliche Rechtsgüter von § 185 StGB und § 103 StGB geschützt: Während § 185 StGB die individuelle Ehre schützt, möchte § 103 StGB hiernach „allein das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einem Mindestbestand funktionierender Beziehungen zu ausländischen Staaten“ schützen (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Wolfgang Wohlers/Walter Kargl, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 103 StGB, Rn. 4). Insofern wäre nach dieser Ansicht zwischen § 185 StGB und § 103 StGB Tateinheit gegeben.
Jedenfalls sollte aber nach beiden Ansichten eine restriktive Auslegung des § 103 StGB geboten sein. Jedenfalls scheidet m.E. eine Strafbarkeit nach § 103 StGB aus, wenn allein das Staatsoberhaupt als Person beleidigt wird und keinerlei denkbarer Bezug zur Ehre des Volkes vorliegt. Wenn ich also den türkischen Präsidenten auf der Straße treffe und beleidige, ihn aber nicht einmal erkenne, ist allein eine Strafbarkeit nach § 185 StGB nicht aber nach § 103 StGB möglich. Ein solcher Bezug dürfte hier allerdings vorliegen, ist aber jedenfalls – was m.E. in der Diskussion etwas zu kurz kommt – im Einzelfall zu prüfen.
II. Folgeprobleme
Das Konkurrenzverhältnis der Normen birgt auch praktische Probleme: So stellt sich die Frage, ob eine tateinheitliche Begehung möglich ist (s.o.).
Wichtiger ist noch die Frage, ob der Antrag auf Verfolgung nach §§ 103, 104a StGB in einen Strafantrag nach § 185 StGB umgedeutet werden kann bzw. direkt als ein solcher anzusehen ist. Die Kommentarliteratur bejaht dies zumeist (siehe nur Schönke/Schröder/Eser, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 103 StGB, Rn. 8). Voraussetzung dafür dürfte allerdings sein, dass § 103 StGB einen Spezialfall des § 185 StGB bildet, dass also jede Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB darstellt. Lehnt man dies ab, so dürfte der Weg zu § 185 StGB schwieriger zu bestreiten sein. Hier müsste dann ausgelegt werden, ob ein Strafantrag iSd § 194 StGB vorliegt oder nicht. Es handelt sich hierbei um ein absolutes Antragsdelikt. Die Voraussetzungen sind hier aber recht gering. Aus dem Antrag muss sich allein der Verfolgungswille bezüglich einer konkreten Tat ergeben. Diese Voraussetzungen dürften im Einzelfall erfüllt sein. Zu beachten sind zudem die formellen Vorgaben des § 158 Abs. 2 StPO.
III. Fazit
Der Fall Erdogan birgt weiterhin juristischen und politischen Sprengstoff. Findige Prüfer finden hier eine Vielzahl von Ansatzpunkten für eine Aufgabenstellung. Zumindest die Strukturen der relevanten Normen sollten daher bekannt sein.
Klasse Beitrag . danke