Diskussion um den NSU-Prozess – Jura vs. Politik
Der Aufruhr ist groß: Politiker jeglicher couleur – vom türkischen Premier Recep Erdogan bis zum CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder – kritisieren die Sitzplatzvergabe beim in Kürze beginnenden NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte in München. Auch die Medien wie bspw. die türkische Hürriyet oder auch die BILD äußern harsche Kritik an den Vergabemodalitäten. Aber auch juristisch versierte Kreise äußern starke Zweifel an der Sitzplatzvergabe durch das sog. Windhundprinzip und fordern zumindest eine Übertragung in Nebenräumen.
Dennoch erscheint die Kritik oftmals eher politisch denn juristisch motiviert zu sein. Der Beitrag möchte aus diesem Grund eine Übersicht über die juristischen Fragen der Sitzplatzvergabe für Zuschauer und Medien in Gerichtsverhandlungen geben.
I. Sachverhalt
Was ist eigentlich genau passiert? In München beginnt am 17. April der NSU-Prozess – teilweise reißerisch als „Jahrhundertprozess“ bezeichnet (so SPD- Innenexperte Dieter Wiefelspütz in der „Berliner Zeitung“; das OLG-München widerspricht dagegen einem solchen Superlativ). Stattfinden wird der Prozess im Schwurgerichtssaal A 101 des OLG, dem bestgesicherten Saal dieses Gerichts. Vergeben werden dabei 50 Journalistenplätze sowie weitere 50 Plätze für Zuschauer. Daneben sind 71 Nebenkläger sowie 49 Anwälte beteiligt. Die Vergabe der Zuschauerplätze erfolgt jeden Verhandlungstag aufs Neue nach dem Windhundprinzip (Prioritätsprinzip) – die ersten Anwesenden werden also eingelassen. Auch Journalisten können hierbei Einlass begehren. Hingegen wurden die Journalistenplätze bereits im Vorfeld vergeben. Auch hier wurde der Zeitpunkt der Anmeldung per Mail oder Fax berücksichtigt. Bereits drei Stunden nach Beginn der Meldefrist waren dabei die 50 festen Plätze vergeben, so dass eine Nachrückerliste eröffnet wurde, auf der sich nun insgesamt 73 Medienvertreter befinden. Dabei fällt auf, dass sich unter den 50 registrierten Medienanstalten keine türkischen Medien befinden.
II. Rechtliche Bewertung
Ausgangspunkt der juristischen Betrachtung muss der § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sein, der eine öffentliche Verhandlung vorschreibt (§ 169 S. 1 GVG), Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung aber untersagt (§ 169 S. 2 GVG). Jede Person muss also die reelle Möglichkeit haben, als Zuhörer am Prozess teilzunehmen (BGH NStZ 1982, 476; BGH NStZ 1989, 1741; BVerfG NJW 2002, 814).
1. Sitzungssaal zu klein
Der Bundesgerichtshof stellt aber gleichwohl klar, dass die vorhandenen Kapazitäten eine natürliche Grenze des Zugangsrecht darstellen (BGH NJW 1977, 157). (Hier zeigt sich eine Parallele zum Zugangsrecht bei öffentlichen Einrichtungen im Kommunalrecht.) Das Gericht ist auch nicht gezwungen zusätzliche Kapazitäten zu schaffen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Insbesondere Sicherheitsmaßnahmen können zu einer Absenkung der Zuschauerplätze führen. Unzulässig ist es lediglich einen so kleinen Verhandlungssaal zu wählen, in welchem eine Teilnahme Dritter ausgeschlossen ist (bspw. das Richterzimmer; BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7).
Gegen diese Vorgaben verstößt das OLG München offensichtlich nicht. Hier wurde ein verhältnismäßig großer Verhandlungssaal gewählt, der insbesondere auch die erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt.
2. Vergabe der Plätze willkürlich
Hauptkritikpunkt ist freilich die Vergabe der Plätze selbst. Hier ist zwischen den Plätzen für die eigentliche Öffentlichkeit (unmittelbare Öffentlichkeit) und Journalistenplätzen (die zu einer mittelbaren Öffentlichkeit führen) zu differenzieren. Bei den Zuschauerplätzen ist eine Vorreservierung generell unzulässig (BGHSt 26, 99). Die Vergabe muss hier also zwingend an Anwesende erfolgen; einziges objektives Kriterium kann dabei der Zeitpunkt der Ankunft am Sitzzungssal sein. Zur Wahrung der Übersichtlichkeit ist es aber zulässig, Einlasskarten zu verteilen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Eine Vorabvergabe der Zuschauerplätze, aber auch die Berücksichtigung einer Quote für türkische Staatsangehörige würde damit gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen. Ebenso wäre es auch unzulässig, türkische Politiker oder Botschafter bevorzugt zu berücksichtigen.
Davon zu unterscheiden ist die Sitzplatzvergabe für Medien. Hier ist eine Reservierung eines bestimmten Pressekontingents zulässig (BGH NJW 2006, 1220; BVerfG NJW 2003, 500). Dies verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit, sofern eine ausreichende Anzahl von Plätzen auch für Nichtpressevertreter freigehalten wird. Ein besonderes Recht auf Bereitstellung von Presseplätzen besteht hingegen nicht (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 51; vgl. auch BVerfGE 50, , ; NJW 2001, ). Daraus ergibt sich auch, dass die Medien denselben Beschränkungen unterworfen sind wie einfache Zuhörer. Dies hat zur Folge, dass die Auswahlkriterien übereinstimmend gewählt werden müssen. Stets ist auch hier das Prioritätsprinzip zu wahren. Lediglich dann, wenn dessen Beachtung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, ist eine zufällige Vergabe (Losverfahren) möglich (BGH NJW 2006, 1220).
Fraglich ist allerdings, ob eine besondere Quote für ausländische Medien nicht geboten oder sogar zwingend wäre. Zwingend kann diese keinesfalls sein; das Gesetz unterscheidet nicht zwischen besonderen Arten der Öffentlichkeit; vielmehr gibt es vor, dass jeder potentielle Prozesszuschauer gleichberechtigte Chancen zum Zugang haben muss. Allerdings wäre eine Quotierung dann geboten, wenn hierdurch Ungleichheiten ausgeglichen würden. Die Anmeldung für Medien sollte hier per Mail oder Fax erfolgen. Im Gegensatz zum Postversand zeigen sich dabei keine Unterscheide zwischen in- und ausländischen Absendern. Eine Antwort binnen kurzer Zeit wäre folglich auch den türkischen Medienvertretern möglich gewesen. Es sind auch keine weiteren Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine solche Reaktionsmöglichkeit sprechen; insbesondere wird nicht behauptet, dass die Medieninformation allein in deutscher Sprache oder sehr kurzfristig erfolgt sei, sodass nichtdeutschen Medien eine Antwort faktisch unmöglich war. Aus diesem Grund scheidet eine besondere Behandlung ausländischer Medien als unzulässig aus. Gerade dies würde dem Grundsatz der Öffentlichkeit aus § 169 GVG widersprechen.
Das Gericht hat hier sachliche Kriterien angewandt, um eine gleichberechtigte Auswahl zwischen allen potentiellen Prozesszuschauern zu treffen. Eine Benachteiligung ausländischer Medien (wie bspw. bei einer Anmeldung per Post oder ausschließlich in deutscher Sprache) ist hier nicht ersichtlich. Insofern scheidet ein Verstoß gegen § 169 GVG aus.
3. Vergabe von Nachrückplätzen
Kritisiert wurde zudem, dass auch Nachrückplätze (beim Fehlen von registrierten Medien) nach dem Prioritätsprinzip vergeben werden und hierbei nicht der Wunsch des Nichterscheinenden beachtet wird. Auch dies ist aber nach dem GVG zwingend. Öffentlichkeit ist ohne Ansehung der Person herzustellen und jeder Beteiligte ist gleich zu behandeln. Wird aber die Vergabe ins Ermessen Dritter gestellt, so führt das dazu, dass gerade keine rein objektiven Kriterien mehr angewandt werden. Das Gericht hat damit keine andere Möglichkeit, als das Prioritätsprinzip strikt durchzuhalten und auch auf Nachrückplätze anzuwenden.
4. Übertragung in zusätzlichen Saal
Auf Grund der erwarteten zu geringen Kapazitäten des Sitzungssaals wird zudem gefordert, eine Übertragung für Zuschauer und Medienvertreter in einen weiteren Sitzungssaal zu ermöglichen. Klar ist nach dem oben Gesagten, dass eine solche Übertragung von § 169 S. 1 GVG keinesfalls gefordert wird (auch nicht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG BVerfG – NJW 1993, ). Vielmehr genügt es, wenn ein durch faktische Grenzen beschränkter Personenkreis die Möglichkeit zur Teilnahme hat.
Fraglich ist aber, ob ein solches Vorgehen zumindest rechtlich möglich wäre. Ein klares Meinungsbild zu dieser Frage existiert nicht. Fest steht nur, dass eine Prüfung anhand des § 169 S. 2 GVG geboten ist. Diese Vorschrift verstößt auch nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 622/99, NJW 2001, 1633). Eine Übertragung scheidet jedenfalls dann aus, wenn die Wahrheitsfindung durch eine solche Übertragung leiden würde (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33). Roxin hingegen hält eine solche Übertragung für zulässig und vergleicht sie mit der Öffnung einer Zwischentür im Sitzungssaal (Roxin, Strafverfahrensrecht § 45 A). Bedenken bezüglich einer solchen Erweiterung ergeben sich insbesondere daraus, dass das Gericht damit die Einhaltung des Veröffentlichungsverbots aus § 169 S. 2 GVG nur noch schwer überwachen kann (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33; so auch BGH DRiZ 1971, 207). Jedenfalls sind deshalb Maßnahmen vorzunehmen, um auch in dem zusätzlichen Sitzungssaal die Ordnung zu wahren, da hier das Gericht keinen unmittelbaren Einfluss mehr hat. Die Übertragung darf keinesfalls zu einer Art Kinovorführung verkommen, führte dies sonst dazu, dass der Prozess den Charakter eines Schauprozesses erhalten würde. Jedenfalls muss also gewährleistet sein, dass die Übertragung den gleichen Charakter wie der eigentliche Prozess hat – nur dann ist das Bild der sich öffnenden Schiebetür zutreffend. Dies erscheint problematisch, sodass eine solche Übertragung zumindest starken rechtlichen Bedenken unterliegt.
III. Rechtsfolgen
Sollte der Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt sein – was nach der hier vertretenen Ansicht gerade nur durch eine gesonderte Berücksichtigung nichtdeutscher Medien und möglicherweise durch eine Übertragung in andere Gerichtssäle eintreten würde – liegt ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 5 ZPO (Anm. bzw. hier § 338 Nr. 6 StPO) vor. Das Gericht ist also gut beraten, hier trotz der politischen Brisanz allein eine juristische und nüchterne Betrachtung vorzunehmen und nicht dem Druck diverser Medien nachzugeben.
IV. Fazit
Für eine mündliche Prüfung ist die gezeigte Diskussion absoluter Pflichtstoff. Aber auch darüber hinaus gehört es wohl zur juristischen Allgemeinbildung, diese Diskussion zu verfolgen. Gerade eine rein juristische Vorgehensweise könnte hier sehr nützlich sein, um etwas Feuer aus der Diskussion zu nehmen. Dies würde im Ergebnis auch dem Prozess selbst dienen, der in einer aufgeheizten Atmosphäre nur sehr schwer geführt werden und nicht zur erwünschten Aufklärung führen kann.
Statt populistische Forderungen zu stellen, wäre die Politik gut beraten, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, sondern sowohl national als auch international zu erklären, warum die Sitzplatzvergabe durch das OLG München juristisch absolut korrekt und zwingend war. Einige Politiker gehen hier bereits mit gutem Beispiel voran. Letztlich liegt der Sitzplatzvergabe durch das OLG München der Gedanke zugrunde, dass alle Personen und Medien gleich sind und damit gleich zu behandeln sind – unabhängig aus welchem Land sie stammen. Dem wird wohl niemand ernsthaft widersprechen können.
Falls es den deutschen Politikern ein solches Herzensanliegen ist, könnten sie die GVG kurzfristig ändern (begrenzte Videoübertragung in größeren Raum, verpflichtende Pool-Lösung mit nationaler und internationaler Presse, Court-TV wie bei Breivik in Norwegen, etc) https://blog.delegibus.com/2013/04/01/nsu-verfahren-wer-hat-im-strafprozesrecht-die-hosen-an/
Es geht nicht um „die“ Politiker, sondern um eine Gesetzesauslegung der vorhandenen Normen (GVG), die stets am Sinn und Zweck orientiert sein und letztlich einer Billigkeits- und Grundrechtskontrolle unterzogen werden sollte. Zur Herstellung der gesetzlich ja doch erwünschten Öffentlichkeit eines Verfahrens sollten sich bei großem Öffentlichkeitsinteresse wie hier auch Wege finden lassen, dem Interesse gerecht zu werden.
Reine Billigkeitserwägungen entsprechen nicht dem Recht!
„Wenn eine
Klarstellung erforderlich ist, dass die Übertragung von Prozessbildern
in einen anderen Gerichtssaal zulässig ist, wäre die SPD dabei“, sagte
Burkhard Lischka, der rechtspolitische Sprecher der
SPD-Bundestagsfraktion auf Nachfrage. Andrea Voßhoff, die
rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, fordert den Bundestag
zumindest auf zu „prüfen, ob und inwieweit eine gesetzliche Klarstellung
notwendig und geboten ist, um eine Videoübertragung in einen anderen
Saal des jeweiligen Gerichtsgebäudes zu ermöglichen“. Beate Merk, die
bayerische CSU-Justizministerin, hat sich schon in der vorigen Woche für
eine Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes ausgesprochen.
https://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F04%2F05%2Fa0088&cHash=5afc1940e96cc653db6c68ece1400fd9
Ich darf zum Gesichtspunkt „Billigkeit“ bei der Auslegung auf Larenz, Methodenlehre, verweisen. „Recht“ für sich allein gibt es nicht, es geht stets um (normative) Auslegung.
absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr.6 StPO
Herzlichen Dank. Ist geändert.
Doch widerspreche ich dem ernsthaft. Das Gericht wäre frei gewesen, ein anderes Verfahren der Sitzvergabe an Pressevertreter zu wählen. Etwa eine Pool-Lösung oder eine Quote. Dass beispielsweise alleine die ARD 5 Plätze zugewiesen bekam, zeigt deutliche Schwächen im Verfahren.
Ja, das Vergabeverfahren für Plätze beim OLG München hatte deutliche Schwächen: Die „New York Times“ etwa hatte mit 6 Stunden Zeitverschiebung fast gar keine Chance, einen Platz zu erhalten, wenn das Verfahren etwa morgens um 9.00 Uhr in München eröffnet worden sein sollte. Nachts um 3.oo Uhr war in New York noch niemand wach.
Auch die NYT hat deutsche Korrespondenten. Sie wollen uns doch nicht ernsthaft weißmachen, dass Sie glauben, dass die NYT alles zentral in New York erledigt, was auf der ganzen Welt abläuft? Oo
Zu „2. Vergabe der Plätze willkürlich“
Der Verweis auf das Prioritätsprinzip mag richtig erscheinen, aber eignet sich nicht im jeden Fall für einen interessentgerechten Entscheidung, insbesondere nicht als alleiniges Kriterium. Es sollte ähnlich wie im Besonderen Verwaltungsrecht auch das Gebot der Chancengleichheit hinzugezogen werden. Das Kapazitätsproblem bei der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen berücksichtigt dieses Kriterium.
Zutreffend ist, dass die Zulassung des Journalisten für das Gerichtsverfahren kein einklagbarer Anspruch ist wie die Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen. Jedoch heißt es nicht, dass weitere Kriterien hinzugezogen werden können,um ein Ergebnis zu erzielen, dass den Interessen gerecht wird. Die Einzelfallbetrachtung wurde hier nicht vorgenommen. Das stellt einen schweren Anwendungsfehler dar. Hier helfen auch keine Fußnoten von BVerfGE & Co., da jeder Fall unter neuen Gesichtspunkten betrachtet werden muss. Im Examen kommt ja auch nicht der Lehrbuchfall dran. Der starre Verweis auf das Prioritätsprinzip zeugt nicht gerade von geistiger Beweglichkeit für die Befürworter der Rechtsansicht des OLG München. Zumal haben andere OLG´s bereits seperate Töpfe für ausländische Medien gebildet und so das Gebot der Chancengleichheit in die Praxis umgesetzt.
Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass einheimische Pressevertreter einen schnelleren Zugang zu Gerichten bzw. Gerichtssprechern haben als ausländische Medien. Diesen lokalen Vorsprung zu verneinen ist schwer vertretbar.
Nein, da muss ich Ihnen widersprechen. Eine Benachteiligung ausländischer Medien durch das Prioritätsprinzip vermag ich nicht per se zu erkennen. Vielmehr ist die von der Ausgestaltung der Anmeldemodalitäten abhängig. Zu Zeiten der modernen Massenkommunikationsmittel ist es auch einer nichtdeutschen Medienanstalt zumutbar, binnen drei Stunden (in diesem Zeitraum bewegten sich die ersten 50 Meldungen) die Meldung abzugeben. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine ausreichende vorherige Information über das Anmeldeverfahren und den Beginn erfolgt ist. Mir liegen keine Informationen vor, dass dies hier unterblieben ist oder dass für ausländische Medien unüberwindbare Hindernisse vorlagen.
Im Übrigen muss gerade beim Prioritätsprinzip auf die Eigenverantwortung der adressaten hingewiesen werden.
Herr Siebert,
auch durch Wiederholung überzeugen Ihre Argumente leider nicht.
Deutsche Pressevertreter haben bessere Kenntnisse mit der Vergabepraxis von deutschen Gerichten. Diese Kenntnisse entstehen naturgemäß mit der ständigen Berichterstattung aus deutschen Gerichtssälen. Daher sind deutsche Pressevertreter mit den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten besser vertraut, als ausländische Journalisten. Das gilt ganz besonders für Pressevertreter aus Nicht-EU-Ländern. Man kann ja auch nicht von einem deutschen Pressevertreter erwarten, dass er sich mit der Rechts- und Sachlage bei Gerichtsprozessen in anderen Staaten, z. B., Botswana auskennt.
Ausländische Pressevertreter kommen aus anderen Rechtssystemen und genau diese Besonderheit wurde verkannt. Es wird keine Zauberei vom OLG München erwartet. Andere OLG`s haben bereits mit austarierten Platzvergaben bewiesen, dass man differenziert vorgehen kann, als nur mit der Keule des Prioritätsprinzips zu operieren.
Das Recht lebt davon, dass es sich gerade veränderten Bedingungen anpasst. Manche können sich schnell anpassen und manche brauchen etwas länger oder passen sich gar nicht an.
Sehr geehrter Herr Kommentator,
ich vermag Ihre Argumentation nicht zu teilen. Sie haben sicherlich Recht, dass ausländische Pressevertreter mit den Gegebenheiten in Deutschland möglicherweise nicht vertraut sind. Das führt an sich aber nicht dazu, dass hier die Grenzen des deutschen Strafprozesses überschritten sind. Das Prinzip der Öffentlichkeit unterliegt sowieso einem gewissen nationalen Verständnis. Das Gericht kann keine Verpflichtung haben, auch den letzten Bewohner Australiens noch über eine bevorstehende Verhandlung zu informieren und ihm eine Anmeldung zu ermöglichen. Das Öffentlichkeitsprinzip dient schon aus historischen Gesichtspunkten primär der Kontrolle der Justiz und der Sicherung des Vertrauens der Bevölkerung in die Unabhängigkeit der Gerichte. Dabei handelt es sich aber ohnehin um einen genuin innerstaatlichen Aspekt.
Die Zuspitzung mit der Informierung von Bewohnern aus Australien zeigt, dass Sie meine Argumentation nicht verstanden haben. Es geht nicht um eine globale Informationspflicht des Gerichts bis in den letzten Haushalt auf der Erde, sondern um die Bildung von einem separaten Topf für ausländische Pressevertreter. Hierdurch ist weder das Öffentlichkeitsprinzip noch andere Grundsätze des Strafprozessverfahrens. Kernpunkt ist eine angemessene Vergabepraxis um die internationale Besonderheit des Verfahrens zu berücksichtigen. Durch die Berücksichtigung von ausländischen Pressevertretern sind identitätsstiftende Grundsätze der BRD nicht bedroht. Sie machen aus der Sache eine Nationalismusdebatte, die so nicht angebracht. Bitte juristische argumentieren.
„Man kann ja auch nicht von einem deutschen Pressevertreter erwarten, dass er sich mit der Rechts- und Sachlage bei Gerichtsprozessen in anderen Staaten, z. B., Botswana auskennt.“
Da bin ich anderer Meinung. Bei einem Prozess, der in dem betreffenden Land auf ein so großes Interesse stößt, dass sich im Nachhinein die komplette Medienlandschaft echauffiert, sollte man erwarten können, dass sich die Pressevertreter vorher informieren wie die Platzvergabe geregelt ist.
Das ist gut. Sie stellen auf einen durchschnittlichen,informierten Journalisten ab. Das ist durchaus vertretbar, jedoch auch mannigfaltig, da wahrscheinlich auf einen durchschnittlichen deutschen Journalisten abgestellt wird. Hier kann man m.E. alles vertreten, wenn man die Stellung eines objektiven Dritten definieren möchte.
An alle: Ruhig Blut! Der Sachverhalt ist aufbereit, die Argumente sind ausgetauscht und abschließend wird das BVerfG entscheiden! Helfen Sie lieber H.K. Meitz bei seinen Fragen (siehe unten)
Ausländische Pressevertreter die seit Jahren aus Deutschland berichten (Korrespondenten also) wissen so etwas normalerweise sehr wohl und man kann von einem solchen Korrespondenten erwartet, dass er sich informiert – dafür wird er ja gerade bezahlt. Niederländische Journalisten haben es ja auch hingekriegt.
Wie sehen Sie die Vorab-Informationen per Telefon und die 20-Minuten-Panne (Verspätung gegenüber einigen Interessenten) ??
Das mit dem Telefon ist soweit ich gelesen habe unbewiesen. Die 20-Minuten-Panne ist misslich, aber im Endeffekt unbeachtlich, da selbst nach den 20 Minuten noch 2,5 Stunden Zeit waren und kein Nachweis existiert, dass das was anderes als ein technisches Problem war. Wenn eine Zeitung jetzt Verfassungsbeschwerde einlegt, weil sie die E-Mail erst um 9:15 Uhr erhalten hat, dann muss sie sich also die Frage gefallen lassen, warum sie trotz klaren Erhalt so lange gewartet hat, sich anzumelden
Auch das mit dem Telefon scheint erwiesen und wurde vom OLG selbst eingestanden: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/sitzplatzvergabe-beim-nsu-prozess-anmeldung-mit-hindernissen-a-893659.html
Insofern häufen sich die formellen Fehler.
Am Telefon wurde maximal eine Spekulation mitgeteilt, wann die Mitteilung käme. Aber nicht, wie manche behaupten, bereits im Vorfeld eine MItteilung über die Akkreditierungsbedingungen. Das mag misslich sein, ist aber an sich nicht problematisch, da auch die Journalisten die angerufen hatten ihre E-mails lesen mussten – wie man das von jedem Journalisten erwarten kann, der um neun morgens arbeitet.
Die türkische Zeitung Sabah will Verfassungsbeschwerde gegen die Platzvergabe erheben und auch auch die türkische Tageszeitung „Hürriyet“ prüft eine Klage.
Vor dem Bundesverfassungsgericht ist bereits eine VB gegen die Einlasskontrollen vor dem Gericht eingegangen.
Nach einem Bericht des „Münchner Merkurs“ vom Dienstag wehrt sich eine
in Deutschland lebende Türkin dagegen, dass alle Zuschauer beim Betreten
des Gerichtssaals ihren Ausweis kopieren lassen müssen.
Somit werden vor dem Prozess die (verfassungs-)rechtlichen Fragen vom BVerfG (vorläufig) geklärt.
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/zeitung-sabah-plant-wegen-nsu-prozess-verfassungsbeschwerde-a-892407.html
Vielen Dank für den Artikel und die Ergänzungen!
Ich habe noch 2 Fragen:
1. Bei der VB bzgl der Einlasskontrolle (kopieren des Ausweises): welches Grundrecht soll denn da betroffen sein?
2. Die VB der Zeitungen wird im Eilantrag gestellt, was ist da verfahrensrechtlich zu beachten? (Müsste da in der mündlichen Prüfung dann ggf ein anderer Verfahresaufbau als die normale VB geprüft werden?)
Vielleicht kann ich Ihnen behilflich sein:
Zu 1:
Das ist eine interessante Frage, die viele Juristen Ihnen falsch beantworten könnten. Zunächst gibt es kein offentsichtliches Grundrecht, dass durch die Ausweiskopie als Voraussetzung für den Einlass verletzt sein könnte. Einige Juristen würden jetzt mit der Verletzung des Rechtsstaatsprinzips arbeiten, Art. 20 III GG. Der Öffentlichkeitsgrundsatz in Strafverfahren soll einen fairen Prozess durch die Kontrolle (Kontrollinteresse) des Bürgers gewährleisten. Da es so wichtig ist, wird es dem Art. 20 III GG zugeordnet. Jedoch ist Art. 20 III GG kein subjektives Grundrecht oder ein grundrechtsgleiches Recht. Daher kann sich der Bürger nicht explizit auf Art. 20 III GG berufen. Um jedoch keine Umgehung für den Staat zu schaffen, arbeitet man mit Art.2 I GG i.V.m. Rechtsstaatsprinzip. D.h. man koppelt es mit der allgemeinen Handlungsfreiheit und den Grundsätzen des Rechtsstaatsprinzips. Selbstverständlich muss man noch prüfen, ob das Grundrecht auf die Zeitung „Sabah“ anwendbar ist, da es sich um keine natürliche Person handelt ist der Art. 19 III GG zu problematisieren. Die Zeitung Sabah ist eine inländische juristische Person (Turkuvaz Atv Sabah GmbH) und das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit auf sie auch anwendbar.
Ich hoffe andere Juristen stimmen mir zu. Für Anregungen oder Verbesserungen bin ich offen.
Zu 2:
Die einstweilige Anordnung im Verfassungsrecht ist in § 32 BVerfGG geregelt. Sie müssen nichts wesentliches dazu lernen. Machen Sie sich das Wissen aus der VwGO (§§ 80 V, 123 VwGO) und aus der ZPO (§§ 916 ff ZPO;§§ 945 ff ZPO) zu nutze. Wenn Sie noch wissen, dass der Antrag nicht evident unzulässig sein darf, sind sie auf der sicheren Seite. Alle andere Prüfungspunkte können Sie aus o.g. Bereichen ziehen.
Der Eilantrag ist mir im Studium und im Examen noch nie begegnet, aber es wird von Ihnen sicher erwartet, dass Sie mit ordentlicher Gesetzeslektüre und dem vorhandenen Wissen aus anderen Bereichen ein vertretbares Ergebnis herbeiführen.
Ich sehe mir ist ein Fehler passiert. Nicht die Zeitung „Sabah“ begehrt die Feststellungen „Zu 1“ sondern eine natürliche Person. Die Ausführungen zum Art. 19 III GG können sich als Ergänzung betrachten.
Einlass- und Ausweiskontrolle bedürfen zunächst einmal einer Rechts- und Ermächtigungsgrundlage, einer Norm, die das erlaubt und zulässt. Ohne solche „Basis“ geht in einem Rechtsstaat gar nichts. Das könnte die Aufrechterhaltung der „Ordnung“ sein (§ 176 GVG) – einer Grundlage, die allerdings sehr diffus und im Polizeirecht als unscharf und unbestimmt eingeschätzt wird, so dass dort eher auf die „Sicherheit“ zurückgegriffen wird. Ob für die Aufrechterhaltung gerichtlicher „Ordnung“ die Kopie des Ausweises erforderlich ist, dürfte schon zweifelhaft sein – steht doch die „Ordnung“ im Spannungsverhältnis mit Grundrechten, u.a. der informationellen Selbstbestimmung aus Art. 2 GG. Das Vorzeigen der Ausweise dürfte dem Ordnungszweck genügen, eine Kopie könnte unverhältnismäßig sein. Im Polizeirecht würde man eine kurzzeitige Ausweiskontrolle als hinreichend erachten. – Als Grundrecht könnte die informationelle Selbstbestimmung der betroff. Personen betroffen sein, die nicht so ohne weiteres – schon gar nicht willkürlich – eingeschränkt werden kann. Fehlt ein konkret (mit Tatsachen belegbarer) Anlass, ein greifbarer „Ordnungsgrund“, so dürfte das Kopieren von Ausweisen unzulässig sein.
Richtig. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht könnte ebenfalls möglicherweise verletzt sein, Art.2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG. Eine Ablichtung der Ausweiskopie bei Einlass ist m.E. auch kein geeignetes Mittel um Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Verfahrens zu gewährleisten. Sinn würde eher eine vorgeschaltete Durchleuchtung der Personen machen. Dies ist aber hier nicht der Fall. Es werden Kopien gemacht und dann werden die Personen eingelassen. Zudem werden die Personen bereits nach gefährlichen Gegenständen durchsucht, sodass die Kopie des Ausweises als gefahrenabwehrende Maßnahme nicht effektiv ist.
Gratulation zu diesem Artikel. An Ihrer fundierten Argumentation dürfen sich einige Medienvertreter ein Beispiel nehmen, statt einfach in den Kanon der Entrüstung einzustimmen.
Herrn Stiebert ist zu widersprechen: Zwei ehem. Verfassungsrichter (Hassemer und Hoffmann-Riem) haben sich zu dem Prozedere am OLG München bereits deutlich geäußert und halten die Verfahrensweise bei der Vergabe der Plätze für nicht vertretbar. Insbesondere die Übertragung in einen zweiten Sitzungssaal (vgl. die Ansicht von Roxin) sollte ernsthaft geprüft werden: Sie ist auch vom ehem. Verfassungsrichter HOFFMANN-RIEM in einem Fernsehinterview anempfohlen worden. Irgendwelche Vermutungen / Befürchtungen der Art, dass „auch in dem zusätzlichen Sitzungssaal die Ordnung“ nicht gewahrt werden könne, sind m.E. Ausflüchte und noch kein Grund, diesen Weg a priori zu meiden. Es sollte einen Versuch wert sein, mit Unterstützung durch Gerichtskräfte einen Verfahrensablauf herzustellen, der dem GVG entspricht (Öffnen einer Tür). Dabei muss man sich zunächst vor Augen führen, dass § 169 GVG natürlich die Öffentlichkeit – als Kontrolle des Gerichts – herstellen will. Das ist der Sinn und Zweck der Vorschrift. Dem ist Rechnung zu tragen. Allein „zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts“ ist eine Übertragung des Gerichtsverfahrens unzulässig, nicht aber – das sei betont – zum Zwecke nur einer Verfolgung des Prozessablaufs. Dieser Zweck deckt sich mit dem Sinngehalt des § 169 GVG. Man vergegenwärtige sich einmal, welche Vorkehrungen im Andreotti-Prozess oder bei verschiedenen Mafia-Prozessen in Italien (Palermo) getroffen wurden, welche in Stammheim oder welche beim Prozess gegen Breivik in Norwegen.
Ehemalige Verfassungsrechtler sind auch nur Juristen und deren Meinungen müssen nicht der herrschenden entsprechen. Was anderes zu suggerieren ist grob fehlerhaft. So gesehen musste das OLG abwäge: Einer womöglichen Mindermeinung folgen und damit riskieren, dass der Prozess bereits revisibel ist, bevor er begonnen hat oder der gefestigten Meinung anhängen und diesen Revisionsgrund vermeiden. Letzteres erscheint logisch klüger. Dass der Gesetzgeber jahrzehntelang versäumt hat, § 169 GVG entsprechend zu ändern, steht auf einem anderen Blatt.
Natürlich geht es hier nicht um ein „Suggerieren“: Die Meinungsvielfalt unter Juristen ist bekannt – und sollte nicht von „Logik“ gesteuert sein, sondern vor allen Dingen von Wertungen. In diese ist auch Art. 5 GG (Pressefreiheit) einzubeziehen und abwägend zu berücksichtigen – ein Abwägungspunkt mit hohem Rang, der Gewicht hat, da auch die „Gewährleistung“ der Öffentlichkeit / § 169 GVG (nicht etwa der Zulassung) hiervon mitgesteuert wird. Die Auslegung der §§ 169 ff. GVG erfolgt keineswegs abgeschottet vom Grundgesetz.
Übrigens: Nach neuesten Meldungen gab es beim „Windhundverfahren“ eine Panne, indem nämlich einige potentielle Interessenten erst mit 20-minütiger Verspätung vom OLG München über die Platzvergabe informiert wurden.
Art. 5 GG ist insofern irrelevant. Nach Art. 19 III GG gelten die Grundrechte auch für „inländische juristische Personen“ soweit ihre Anwendung entsprechend möglich ist. Sie gelten niemals für ausländische juristische Personen (Ausnahme EU-Ausland wegen Europarecht), also können türkische Medien sich nicht auf Art. 5 GG berufen. Deren deutsche Ableger die in türkischer Sprache erscheinen können sich darauf berufen, diese sind aber inländische Pressevertreter und wären bei einer Kontigentierung sowieso nicht bevorzugbar gewesen.
Ich weiß nicht, ob man das so eindeutig sagen kann. M.E. muss man eher auf die hinter der JP stehenden natürlichen Prsonen abstellen und dies sind ja hier dann vor allem Türken, sodass es m.E. sehr gut vertretbar ist, trotz der Klassifizierung als dt. JP eine Ungleichbehandlung zu bejahen.
Im Übrigen kristallisiert sich ja hraus, dass das Verfahren sehr viele grobe Fehler aufwies. Dies an sich führt ja bereits zu einer Verletzung von Art. 5 und 3 GG.
Verfügung vom 04. März 2013
Zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Hauptverhandlung wird gemäß § 176 GVG angeordnet:
3. Nach Vorzeigen der Ausweispapiere sind Zuhörer, Zeugen und Angeklagte durch Abtas- ten der Kleidung und Durchsicht der Behältnisse – auch unter Zuhilfenahme eines Metall- detektors, einer Metalldetektorschleuse sowie eines Durchleuchtungsgeräts – auf Waffen und Gegenstände zu durchsuchen, die geeignet sind, zur Störung der Hauptverhandlung verwendet zu werden.(…)
4. Die Zuhörer (mit Ausnahme der sich durch die deutlich sichtbar getragene Akkreditie- rung legitimierten Vertreter von Presse, Rundfunk und Fernsehen) haben ihre Ausweispa- piere an der Zugangskontrolle einem Justizbediensteten zum Zwecke der Anfertigung von Ablichtungen auszuhändigen. Die Ausweise werden nach Anfertigung der Kopien den Zuhörern zurückgegeben.
Die Ausweise werden zur Identifizierung etwaiger Störer abgelichtet. Personaldaten dürfen nicht gespeichert oder listenmäßig erfasst werden. Die Ablichtungen sind unverzüglich dem Vorsitzenden oder dem von ihm hierfür bestimmten Beisitzer auszuhändigen. Sofern sie zu dem vorgenannten Zweck nicht mehr benötigt werden, werden sie spätestens an dem auf den Sitzungstag folgenden Werktag vernichtet. Eine Verwendung der Ablichtun- gen zu anderen Zwecken als zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Haupt- verhandlung bzw. zur Verfolgung von Störungen ist untersaghttps://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/oberlandesgerichte/muenchen/sicherheitsverf_gung_vom_04_03_2013_mit_angef_gter_sitzungsliste_in_dem_strafverfahren_gegen_beate_z__u_a___nsu_.pdf
Wie bestimmt sind „Gegenstände“, die „geeignet sind“, welche sind das ganz konkret und wer entscheidet über deren „Eignung“ ? Welche konkreten Tatsachen stützen die Maßnahme unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr bzw. Ordnung der Verhandlung ? Wer sind „etwaige Störer“, die Veranlassung geben, pauschal alle Zuhörer zu erfassen und deren inform. Selbstbestimmung (Ausweisablichtung) zu berühren ?
Die Medienvertreter werden gebeten, sich schriftlich für
„NSU“ unter Übermittlung eines gültigen Presseausweises eines Presseunternehmens bzw.einer Rundfunk-oder Fernsehanstalt im Sinne des Pressegesetzes und/oder eines Referenzschrebens (Beschäftigungs-oder Auftragsbestätigung) eines solchen Unternehmens bis i-
spätesrichts München (
tens Donnerstag, den 14. März 2013 bei der Pressestelle des Oberlandesge-
pressestelle@olg-m.bayern.de; Fax-
kreditieren.
Nr. +49(89)55975176) zu ak-
Akkreditierungsgesuche, die den oben genannten Anforderungen nicht entsprechen oder nach Ablauf der Frist eingehen, können nicht berücksichtigt werden. Die hier-
nach zulässigen Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge des Eingangs berücksichtigt, wobei Mehrfachbenennungen zunächst außer Betracht bleiben.
https://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/oberlandesgerichte/muenchen/sicherheitsverf_gung_vom_04_03_2013_mit_angef_gter_sitzungsliste_in_dem_strafverfahren_gegen_beate_z__u_a___nsu_.pdf
Verfügung gem. § 176 GVG vom 22.3.2013 zur Ergänzung der Verfügung vom 4.3.2013
https://www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/oberlandesgerichte/muenchen/erg._sicherheitsverf_gung_vom_22.03.2013.pdf
Wie kann eine juristische Stellungnahme zu solch einem Verfahren ausgewogen sein, wenn sie auf die entscheidende Phase der Veröffentlichung der Bedingungen für das Akkreditierungsverfahrens gar nicht eingeht? Hier zum Beispiel der Umstand, dass das Gericht an ausgesuchte Medienvertreter telefonisch! im Vorfeld relevante Auskünfte zum Ablauf erteilt hat, die jenen zum Vorteil gereicht haben, die diese Information hatten. Das auch vor dem Hintergrund, dass das Gericht zuvor ersucht hatte, von telefonischen Anfragen abzusehen!
Auch mag der Kommunikationsweg Mail auf dem Hinweg zum Gericht ausreichend sein, als Weg zur Informationsverbreitung erscheint er doch aus diversen Gründen ungeeignet! Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Gericht selbst in der Hand hatte, den Startschuss für die Akkreditierung beliebig nach hinten zu setzen und dadurch unabhängig und unangreifbarer für diese Frage zu machen. Statt am Montag, den 8.3. hätte es völlig problemlos und besser so laufen können, dass man am 8.3. die Bedingungen veröffentlicht einschließlich der Mitteilung, dass man sich bspw. ab Mittwoch 8 Uhr per mail akkreditieren kann.
Hallo,
danke für den Artikel!
Wie steht es denn jetzt aus mit den Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwere???
Antragsbefugnis der türkischen Zeitung Sabah, des Koordinierungsrates der Muslime (KRM)….
Welche GR müssen wie geprüft werden?!
Bitte um schnelle Antwort, mündliche Prf. findet noch diese Woche statt!
Vielen Dank für diese Seite!
Dazu kommt in wenigen Minuten ein eigener Beitrag 🙂
Vielen Dank!!
Kann man den Beitrag zum Lesen erhalten, sehr geehrter Herr Stiebert ?
https://www.juraexamen.info/erfolgsaussichten-und-prufungsrelevanz-der-verfassungsbeschwerde-im-nsu-verfahren/
Besonders nach der offiziell eingeräumten „Panne“ des OLG-Verfahrens (20 Minuten Verzögerung) und den schon angesprochenen Vorabauskünften per Telefon scheint das Windhundverfahren in München angreifbar zu sein – allein schon als ein nicht sauberes Verfahren.
Ein sehr guter Beitrag.
Den Kommentatoren, die auf die angeblichen Nachteile für „ausländische“ Medien hingewiesen haben, sei erläutert, dass immerhin mindestens zwei ausländische Medien auf der Liste der ersten 50 sind und dass die lautstark klagenden türkischen Medien und auch die BBC und NYT in Deutschland nicht gerade kleine Büros unterhalten. Wer sich tatsächlich so brennend für den Prozess interessiert hat, dürfte keine Probleme gehabt haben, sich vorab über das übliche Prozedere zu informieren, zumal das Thema Platzmangel schon deutlich vor der Sicherheitsverfügung des Senats durch die Medien geisterte.
Auch der Verweis auf zwei ehemalige Verfassungsrichter greift etwas kurz.Das BVerfG praktiziert selbst das Windhundverfahren, wie man auf der BVerfG -Homepage bei den Pressemitteilungen zu bevorstehenden Verkündungsterminen nachlesen kann.
Zudem hat das BVerfG schon 2001 explizit die gesetzgeberische Wertung, Öffentlichkeit sei die Saalöffentlichkeit in dem Saal, in dem verhandelt wird, gebilligt. Jeder, der meint, mit Übertragungen in Nebenräume experimentieren zu müssen, muss sich fragen lassen, warum der Senat in diesem „Jahrhundertprozess“ ein revisionsanfälliges Urteil riskieren sollte. IN der 2001er Entscheidung hat das BVerfG auch ein paar erfreuliche Worte zur Mediendramaturgie vs. formalisierten gerichtlichen Abläufen gefunden.
Inzwischen sind es 3 ehem. Verfassungsrichter – auch E.G. Mahrenholz hat sich in der Südd. Zeitung v. 9.4.13 / S. 9 zu Wort gemeldet und gemeint, die „Videoübertragung“ in einen „hinlänglich großen Raum“ sei richterliche Pflicht, um die Öffentlichkeit zu „gewährleisten“ (§ 169 GVG). Auf die verfassungsrechtliche Komponente in den §§ 169 ff. GVG wird dabei deutlich angespielt: Ohne Grundgesetz geht es nicht.
Wird das Urteil ggf. nicht gerade deshalb revisionsanfällig, weil die Öffentlichkeit nicht genügend „gewährleistet“ wurde – im Sinne einer am speziellen Öffentlichkeitsinteresse für diesen Prozess (10 Morde, begangen aus rechtsradikaler Untergrundorganisation) orientierten Auslegung der §§ 169 ff GVG ?
Windhundverfahren bei „Verkündungsterminen“ (BVerfG) ist etwas anderes als bei einem Strafverfahren der hier zur Rede stehenden Dimension.
@Stiebert: Erfreulich, dass es noch Juristen gibt, die mit Logik und Sachlichkeit ein angemessenes Urteil gefällt haben ( 12.04.2013 – 1 BvR 990/13).
Ich habe ja bereits in meinen vergangenen Ausführungen immer wieder versucht Ihnen klar zu machen, dass sich Recht veränderten Gegebenheiten anpassen und althergebrachte Ansichten ständig neu überprüft werden müssen. So auch das Proritätsprinzip des OLG München.
Im Urteil steht u.a.: „Vertretern von ausländischen Medien mit besonderem Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten“.
Genau diese geistige Beweglichkeit erwartet man von guten Juristen. Die unreflektierte Anwendung von Ansichten ohne auf das Ergebnis zu schauen, kann auch im Examen oft fatal sein.
Interessant ist ja dann noch die Folgefrage, wieso gute bayerische Juristen (OLG München) diesen Bezug im Verfahren nicht gesehen haben oder auch vielleicht nicht sehen wollten.
Tja, diese Frage kann kein Gericht der Welt klären und man sollte mit Spekulationen vorsichtig sein. Lieber mit Freunden bei einem Bier darüber diskutieren. Für solche Fragen bleibt dann nur der Stammtisch übrig. 😉
Ich möchte mich einmal Gast-freundlich zeigen und Ihnen – trotz Ihrer teilweise etwas unsachlichen Argumentation – antworten.
Im nunmehr 10 Tag alten Artikel bin ich noch von dem Sachverhalt ausgegangen, dass zwar das Prioritätsprinzip angewendet wurde, es aber keine formellen Vergabefehler gab. Diese haben sich erst nach und nach herauskristallisiert.
Durch die Änderung des Sachverhalts hat sich natürlich auch die rechtliche Bewertung geändert. Insofern kann ich dem Urteil des BVerfG vollumfänglich zustimmen. Dies steht aber NICHT im Gegensatz zum hier Geschriebenen – allein der Sachverhalt differiert.
Im Übrigen fordert das BVerfG explizit nicht inen speziellen Topf für ausländische Medien, sondern lässt es auch zu, das gesamte Verfahren neu aufzurollen (Rn. 27). In Rn. 22 erkennen sie zudem, woran die Kritik des BVerfG anknüpft – an einzelnen Fehlern (die vor 10 Tagen noch nicht kommuniziert wurden= und nicht am Prioritätsprinzip als solchen!
Insofern erscheint mir eher ihre Argumentation wenig beweglich und insbesondere wenig problembewusst.
Herr Stiebert,
ich muss nicht mal selbst argumentieren. Alle meine Kommentare zu Ihrem Beitrag gibt das BVerfG wider:
„.Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass es sich vorliegend um ein Strafverfahren handelt, das eine ungewöhnlich große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht und damit auch auf das Interesse von Medienvertretern stößt, die mit Fragen der Gerichtsberichterstattung und den Verfahren zur Akkreditierung in Deutschland möglicherweise wenig vertraut sind. Insofern stellt sich die Frage, ob dem die Verfahrensgestaltung hinreichend Rechnung getragen hat“ (Rn.22)
Zum separaten Topf:
„Schließlich stellt sich auch die Frage, ob in Anbetracht der Herkunft der Opfer ausnahmsweise ein zwingender Sachgrund für eine eventuell teilweise Differenzierung zwischen verschiedenen Medien beispielsweise im Sinne einer Quotenlösung gegeben gewesen wäre.“ (Rn.22)
Bitte lesen Sie das Urteil nochmal genau. Meine Argumentation wird hier wiedergegeben. Das Verfassungsgericht äußert sich hier grundsätzlich. Sie müssen sich nicht hinter dem geänderten Sachverhalt verstecken.
Vielleicht wäre es angebracht, wenn man die Anordnung vollständig hier postet.
Zunächst einmal danke für den Artikel. Als Nichtjurist möchte ich nur hinzufügen, dass -Gesetz hin oder her- das Windhundprinzip eben doch, besser organisierte Menschen/Medien bevorzugt. Ganz egal aus welchem Grunde diese nun organisierter waren, ist das nicht wünschenswert und sogar ungerecht. Zwei Medienvertreter mit dem Wunsch den Prozess zu sehen haben eben nicht die gleiche Chance, da sich ihre Organisationsstrukturen und Informationen unterscheiden. Will man wirklich gleiche Chancen für alle, ist meiner Meinung nach das Los, nachdem eine wirklich ausreichende Zeit zur Registrierung gegeben worden ist, unumgänglich. Gut organisierte Medien, wie die FAZ, Sueddeutsche, die sonst bevorzugt Plätze ergattern konnten stehen dann natürlich aussen vor…