Die echte Druckkündigung im Lichte eines aktuellen BAG-Urteils
Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Yannik Beden veröffentlichen zu können. Der Autor ist wissenschaftliche Hilfskraft und Doktorand am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn. Der Beiträg fasst die Grundzüge der Druckkündigung zusammen und erläutert ein examensrelevantes Urteil des Bundesarbeitsgerichtes aus diesem Themenbereich.
I. Einleitung
Das Arbeitsrecht behandelnde Examensklausuren haben regelmäßig die Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung zum Gegenstand. Die sog. Druckkündigung ist ein gerade für die schriftliche Prüfung relevanter Sonderfall der arbeitgeberseitigen Kündigung, welche sowohl in Gestalt einer ordentlichen als auch außerordentlichen Kündigung auftreten kann. Grundkenntnisse zu den Voraussetzungen der Druckkündigung sind für eine erfolgreiche Klausur unabdinglich.
Die Wirksamkeit der Druckkündigung unterliegt strengen Anforderungen, die durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fortlaufend konkretisiert werden. Mit Urteil vom 15.12.2016 – 2 AZR 431/15 hat das BAG nunmehr die Aufklärungs- und Abwehrpflichten des Arbeitgebers, die diesen vor Ausspruch einer „echten“ Druckkündigung (hierzu sogleich unten) treffen, weiterentwickelt.
II. Sachverhalt
Dem Urteil des BAG lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Arbeitgeberin des gekündigten Arbeitnehmers betreibt ein Containerterminal mit etwa 1000 Beschäftigten. Der Arbeitnehmer war für die Arbeitgeberin seit 2007 als Hafenfacharbeiter tätig. Im September 2011 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis wegen des Verdachts eines vom Arbeitnehmer außerdienstlich begangenen Kindesmissbrauchs. Nach Ausspruch der Kündigung wurde der Arbeitnehmer wegen dieser Tat strafrechtlich verurteilt. Im Jahr 2012 wurde die Unwirksamkeit der im September 2011 erklärten Kündigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage rechtskräftig festgestellt.
Als der Arbeitnehmer im Sommer 2013 zum Arbeitsantritt auf dem Gelände der Arbeitgeberin erschien, weigerten sich andere Mitarbeiter sowie Arbeitnehmer von auf dem Gelände tätigen Drittfirmen, ihre Arbeiten zu verrichten, solange sich der betroffene Arbeitnehmer im Terminal aufhalte. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin – nach wirksamer Anhörung des Betriebsrats – erneut außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Die Arbeitgeberin vertritt die Auffassung, dass sie durch die Arbeitsverweigerung der eigenen Belegschaft sowie der Mitarbeiter von Drittunternehmen erhebliche wirtschaftliche Schäden erlitten habe. Sie habe sich auch mehrfach schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer gestellt, ohne jedoch Abmahnungen oder sogar Kündigungen gegenüber den arbeitsunwilligen Mitarbeitern auszusprechen.
III. Grundsätze der Druckkündigung
Eine Druckkündigung kommt immer dann in Betracht, wenn Dritte ernstlich die Entlassung eines Arbeitnehmers unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber fordern. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der „unechten“ und der „echten“ Druckkündigung. Eine unechte Druckkündigung liegt vor, wenn beim Arbeitnehmer ein verhaltens- oder personenbedingter Kündigungsgrund tatsächlich vorliegt und andere Arbeitnehmer bzw. Dritte sich hierauf berufen, um den Arbeitgeber zur Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers zu bewegen. Letzteres bedeutet in der Regel, dass Arbeitskollegen oder betriebsfremde Dritte die Kündigung des Arbeitnehmers zur Bedingung der weiteren Ausführung eigener Tätigkeiten machen.
Beispiel: Ein Arbeitnehmer entwendet nachweislich Gegenstände, die im Eigentum von Arbeitskollegen stehen; daraufhin weigern sich Mitarbeiter, ihre Tätigkeiten zu verrichten, solange der betroffene Arbeitnehmer im Betrieb anwesend ist.
In den Fällen der unechten Druckkündigung ist der durch Dritte ausgeübte Druck auf den Arbeitgeber gerade nicht der eigentliche Grund der Kündigung, sondern vielmehr das zugrundeliegende Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Insofern handelt es sich bei der unechten Druckkündigung um einen gewöhnlichen Fall der verhaltens- oder personenbedingten Kündigung, welche den üblichen Wirksamkeitsvoraussetzungen entsprechen muss.
Im Gegensatz hierzu zeichnet sich eine echte Druckkündigung dadurch aus, dass die Belegschaft oder Dritte die Kündigung des Arbeitnehmers verlangen, ohne dass ein verhaltens- oder personenbedingter Kündigungsgrund nachweisbar ist. Der auf den Arbeitgeber ausgeübte Druck bildet den maßgeblichen Grund der Kündigung, ohne dass der Sache nach ein sonstiger Kündigungsgrund bestünde.
Beispiel: Ein Kreditinstitut verwehrt dem Arbeitgeber die für die Fortführung seines Betriebs erforderliche Verlustübernahmeerklärung. Diese will das Kreditinstitut nur erteilen, wenn ein Arbeitnehmer, der angeblich private Fahrten vertragswidrig mit einem Firmenfahrzeug getätigt hat, gekündigt wird. Ein dahingehender Pflichtverstoß des Arbeitnehmers kann jedoch nicht nachgewiesen werden.
Die dogmatische Einordnung der echten Druckkündigung ist umstritten. Das BAG geht davon aus, dass es sich um einen Fall der betriebsbedingten Kündigung handelt. Anderen Auffassungen zufolge komme durchaus eine Einordnung als personenbedingte Kündigung in Betracht, da das den Druck auf den Arbeitgeber auslösende Moment an der Person des Arbeitnehmers anknüpfe. Darüber hinaus sei in den Fällen der echten Druckkündigung bereits denklogisch keine Sozialauswahl möglich, sodass die Annahme einer betriebsbedingten Kündigung systemfremd wirke. Ungeachtet der dogmatischen Qualifizierung besteht Einigkeit darüber, dass die Wirksamkeit einer echten Druckkündigung strengen Voraussetzungen unterliegt. Der Arbeitgeber muss sich zunächst darum bemühen, das Kündigungsverlangen der Belegschaft bzw. des Dritten abzuwenden. Er muss sich schützend vor seinen Arbeitnehmer stellen und alles ihm Zumutbare unternehmen, um die Mitarbeiter oder Dritte von deren Drohungen abzubringen. Insofern treffen den Arbeitgeber umfangreiche Abwehr- und ggf. Aufklärungspflichten. Entscheidend ist dabei, dass diese Pflichten ein aktives Handeln des Arbeitgebers verlangen, welches auf die nachhaltige Beseitigung des Drucks gerichtet sein muss. Nur wenn trotz jeglicher Bemühungen die Verwirklichung der Drohungen weiterhin in Aussicht gestellt werden (z.B. Eigenkündigung anderer Mitarbeiter, Auftragseinstellung eines Kunden) und der Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Nachteile zu befürchten hat, kann eine echte Druckkündigung gerechtfertigt sein. Die Kündigung muss in jedem Fall das einzige verbleibende Mittel sein, welches die drohenden Schäden abzuwenden vermag.
IV. Konkretisierung der Abwehrpflichten durch das Urteil des BAG
Die dem Urteil des BAG zugrunde liegende Kündigung stellt eine echte Druckkündigung dar. Diese war mitunter durch eine Arbeitsverweigerung eines Teils der eigenen Belegschaft bedingt. Diesbezüglich nahm das Gericht eine Konkretisierung der arbeitgeberseitigen Abwehrpflichten vor:
Zunächst stellt das BAG fest, dass dem Arbeitgeber bei der Arbeitsniederlegung andere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen als bei einer Drohung mit Eigen- oder Auftragskündigungen. Das Gericht erklärt diesbezüglich, dass „Arbeitnehmer, die die Arbeit verweigern, weil der Arbeitgeber einem – unberechtigten – Kündigungsverlangen nicht nachkommt, ihre arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten [verletzen]. Es ist dem Arbeitgeber stets zumutbar, sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwerwiegenden, nach Abmahnung gegebenenfalls zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und dass ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht.“ Ohne einen dahingehenden Hinweis des Arbeitgebers kann nach Auffassung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden, dass Mitarbeiter weiterhin zur Arbeitsverweigerung um den Preis finanzieller Einbußen und rechtlicher Nachteile für den Fortbestand ihrer Arbeitsverhältnisse bereit seien. Diese Abwehr- und Rügeobliegenheit des Arbeitgebers entfällt laut BAG auch dann nicht, wenn der Anlass für die Druckausübung eine als moralisch besonders verwerflich empfundene Straftat des Arbeitnehmers außerhalb der Arbeitszeiten ist. Auch in einem solchen Fall ist der Arbeitgeber gehalten, kein Verständnis für das Entlassungsverlangen der Mitarbeiter aufzuzeigen. Dies gilt umso mehr, wenn – wie in dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall – eine arbeitsrechtliche Sanktion der begangenen Straftat rechtskräftig ausgeschlossen wurde.
Im Ergebnis entschied das BAG, dass die Kündigung des Arbeitnehmers rechtswidrig ist, da gegenüber der arbeitsunwilligen Belegschaft weder Abmahnungen noch Kündigungen angedroht oder gar ausgesprochen wurden – der Anlass für die Druckausübung änderte an diesem Ergebnis nichts.
V. Fazit
Das BAG hat mit seiner Entscheidung die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer echten Druckkündigung für den Fall der Arbeitsniederlegung eigener Mitarbeiter klar abgesteckt. Für die Klausur ergibt sich aus der Entscheidung, dass die bisherige Feststellung, der Arbeitgeber muss „alles ihm Zumutbare versuchen, um die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen“, nunmehr unter Berücksichtigung der arbeitsrichterlichen Rechtsfortbildung konkretisiert werden muss.
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