Die Abnahme im Werkvertrag
Wir freuen uns heute eine Gastbeitrag von Roy Dornhöfer veröffentlichen zu können. Der Autor war in der Justiz beschäftigt und verfasst E-Books zum Zivilrecht und Zivilprozessrecht. Titel seines Artikels ist die Abnahme im Werkvertrag.
Das Werkvertragsrecht stellt einen Teil des Kernbereichs im Schuldrecht dar und ist damit Pflichtstoff an der Universität. Insofern sollte jeder Studierende Kenntnisse in diesem Bereich haben und insbesondere die Problematik der Abnahme des Werks in den Grundzügen beherrschen. Für Referendare gilt das selbstredend, da Bauprozesse in der Praxis einen Großteil der Tätigkeit des Anwalts und des Gerichts ausmachen. Die Abnahme zieht mehrere Folgen nach sich und kann in verschiedenen Formen erfolgen. Der Bundesgerichtshof hat in einer neueren Entscheidung Stellung dazu bezogen, wann eine konkludente Abnahme vorliegen kann (BGH Urteil vom 20. Februar 2014 – Az. VII ZR 26/12). Dazu soll ein kurzer Überblick über diese Materie gegeben werden.
I. Folgen der Abnahme
Zunächst lohnt sich ein Blick auf die Folgen der Abnahme, um deren Bedeutung für die Abwicklung des Werkvertrags zu verstehen. Erst danach soll dargestellt werden, wann überhaupt eine Abnahme vorliegt. Die wesentlichen Folgen sind:
1.Erfüllung
Der allgemeine Erfüllungsanspruch des Bestellers aus dem Werkvertrag nach § 631 I BGB erlischt und konkretisiert sich auf die Mangelbeseitigung.
2. Fälligkeit
Die für den Unternehmer wohl wichtigste Folge dürfte die Fälligkeit der Vergütung sein, die im Grundsatz erst nach einer Abnahme seitens des Bestellers eintritt, obwohl der Vergütungsanspruch schon mit dem Abschluss des Werkvertrages entstanden ist. Ohne sie würde eine Klage auf Vergütung als derzeit unbegründet abgewiesen. Eine erneute Klage nach Fälligkeit bliebe für den Unternehmer jedoch möglich, da durch die Entscheidung keine Aberkennung des Anspruchs erfolgt, sondern nur dessen Fälligkeit verneint wird. Hinsichtlich der Fälligkeit der Vergütung gibt es zudem eine Sonderregelung, nämlich die Durchgriffsfälligkeit. Die Vergütung wird nach § 641 II 1 Nr. 1 BGB spätestens dann fällig, wenn der Besteller von dem Dritten für das versprochene Werk wegen dessen Herstellung seine Vergütung oder Teile davon erhalten hat. Das betrifft Fälle, in denen etwa ein Subunternehmer von einem Bauträger oder Generalunternehmer mit der Durchführung bestimmter Arbeiten beauftragt worden ist, wobei Letzterer vom Bauherrn bereits den Werklohn erhalten hat. Hier ist also keine Abnahme zwischen dem Subunternehmer und dem Generalunternehmer nötig. Des Weiteren soll noch kurz eine Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Kündigung eines Werkvertrags erwähnt werden. Die Kündigung, die den Vertrag für die Zukunft beendet, beschränkt den Umfang der vom Unternehmer geschuldeten Werkleistung auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil und seinen Vergütungsanspruch ebenfalls auf diesen Teil der ursprünglich geschuldeten Leistung. Nach Kündigung eines Bauvertrags wird die Werklohnforderung grundsätzlich erst mit der Abnahme der bis dahin erbrachten Werkleistungen fällig.
3. Gefahrübergang
Mit der Abnahme geht die Preisgefahr nach § 644 I 1 BGB auf den Besteller über. Das bedeutet, dass der Unternehmer den Werklohn selbst dann vom Besteller verlangen kann, wenn das Werk zufällig untergehen sollte.
4. Beweislastumkehr
Eine weitere wichtige Folge der Abnahme ist die Umkehr der Beweislast hinsichtlich der vom Besteller behaupteten Mängel des Werks. Vor der Abnahme ist der Werkunternehmer dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass seine Werkleistung mangelfrei ist, nach der Abnahme allerdings trifft diese Darlegungs- und Beweislast den Besteller.
5. Verjährung
Für den Besteller dürfte die wichtigste Folge der Abnahme der Beginn der Verjährung sein. Nach der Vorschrift des § 634 a II BGB beginnt die Verjährung von Ansprüchen des Bestellers wegen Mängelgewährleistung mit der Abnahme des Werks. Allerdings gilt das nicht bei einem arglistigen Verschweigen der Mängel durch den Unternehmer, § 634a III 1 BGB.
6. Verzinsung
Sofern die Abnahme erfolgt ist, hat der Besteller zudem die Vergütung zu verzinsen, § 641 IV BGB.
II. Begriff
Nachdem die Folgen der Abnahme erörtert worden sind, muss geklärt werden, was überhaupt eine Abnahme ist. Sie wird allgemein als die körperliche Entgegennahme unter Billigung des Werkes als im Wesentlichen vertragsgemäß umschrieben. Es müssen also vom Grundsatz her eine körperliche Entgegennahme und eine Billigung gegeben sein. Auf sie sind trotz des Streits über ihre Rechtsnatur die Vorschriften über Rechtsgeschäfte entsprechend anzuwenden. Die Abnahme stellt dabei eine Hauptpflicht des Bestellers dar, also ist hier auch ein Schuldnerverzug möglich. Der Besteller kann sich bei der Abnahme vertreten lassen. Bei Bauwerken wird regelmäßig ein Architekt beauftragt, bei dem es problematisch ist, ob er die Abnahme erklären kann. Im Zweifel bleibt das Recht zur Erklärung beim Bauherrn, es sei denn, dieser hat den Architekten zur Abgabe der Erklärung bevollmächtigt. Dazu wird man aber wohl regelmäßig eine ausdrückliche Bevollmächtigung verlangen müssen. Für das Vorliegen der Abnahme trägt der den Werklohn einklagende Unternehmer die Beweislast.
III. Arten
Es gibt verschiedene Arten der Abnahme.
1. Ausdrücklich
Eine ausdrückliche oder gar förmliche Abnahme ist nach dem Gesetz nicht erforderlich, es sei denn, dies wurde vertraglich so vereinbart. Dabei muss die Erklärung nicht unbedingt das Wort „Abnahme“ enthalten. Wenn aber die Parteien bei Vertragsschluss die Geltung der VOB vereinbart haben, muss auf Verlangen einer Partei nach § 12 IV Nr. 1 VOB/B eine förmliche Abnahme erfolgen. Hier muss der Besteller nach § 12 I VOB/B auf das Verlangen einer Abnahme durch den Unternehmer diese innerhalb von 12 Werktagen durchführen. Nach fruchtlosem Ablauf tritt jedoch keine Abnahme ein, sondern der Besteller gerät lediglich mit der Annahme in Verzug, sodass etwa die Gefahr des zufälligen Untergangs auf ihn übergeht, § 644 I 2 BGB.
2. Vollendung
Die Vollendung nach § 646 BGB ersetzt die Abnahme, wenn Letztere nach der Art des Werks nicht möglich ist, wie etwa bei Theater- und Musikaufführungen. Bei einer Kinovorstellung als unkörperlichem Werk wird also der Film vollendet und die Abnahme ersetzt, selbst wenn der Kunde ihn nicht billigt. Eine Billigung ist bei Konzerten und Sportveranstaltungen auch nicht üblich. Wer also in die Oper geht und mit der Aufführung des „Boris Godunov“ nicht einverstanden ist ☺, kann nicht erwarten, dass es für die Abnahme auf seine Billigung ankommt. Es reicht aus, dass die Oper aufgeführt wurde, um die Folgen der Abnahme herbeizuführen.
3. Fiktion
Die Abnahme kann darüber hinaus auch durch eine gesetzliche Fiktion eintreten, § 12 V VOB/B, § 640 I 3 BGB. Hier ist die Unterscheidung zwischen einer Fiktion und einer Vermutung zu treffen. Bei einer gesetzlichen Vermutung, wie etwa beim Verschulden nach § 280 I 2 BGB, tritt lediglich die Umkehr der Beweislast ein, sodass es möglich ist, das Gegenteil zu beweisen. Bei einer Fiktion gibt es aber nicht den Beweis des Gegenteils. a) VOB/B Soweit die VOB/B vereinbart wurde, gilt nach § 12 V Nr. 1 VOB/B die Leistung als abgenommen mit Ablauf von 12 Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung. In der Praxis liegt die Mitteilung regelmäßig in der Übermittlung einer Schlussrechnung. Ebenso gilt die Abnahme nach Ablauf von 6 Werktagen als erfolgt, wenn der Auftraggeber die Leistung oder einen Teil der Leistung in Benutzung genommen hat, § 12 V Nr. 2 VOB/B. b) BGB und VOB/B Nach § 640 I 3 BGB liegt eine Fiktion der Abnahme beim Werkvertrag nach dem BGB und der VOB zudem auch dann vor, wenn der Unternehmer den Besteller zur Abnahme unter Setzung einer Frist auffordert und diese fruchtlos abläuft. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Besteller die Fristversäumung zu vertreten hat. Für eine so fingierte Abnahme müssen demnach die folgenden Voraussetzungen gegeben sein: aa) Abnahmepflicht des Bestellers Es muss die Abnahmereife vorliegen, also muss das Werk vollständig fertiggestellt sein, wobei unbedeutende Restarbeiten unerheblich sind, und das Werk muss im Wesentlichen mangelfrei sein. bb) Fristsetzung Der Unternehmer muss eine Frist zur Abnahme gesetzt haben. cc) Fristablauf Die Frist muss erfolglos abgelaufen sein, der Besteller hat also keine Abnahme erklärt.
4. Konkludent
Letztlich kann der Besteller das Werk auch konkludent abnehmen. Dazu muss ihm ein angemessener Zeitraum zur Prüfung des Werks eingeräumt werden. Hier ist die zu Eingang des Beitrags erwähnte Entscheidung des Bundesgerichtshofs anzusprechen. Der Leitsatz der Entscheidung lautet: „Eine konkludente Abnahme kommt in Betracht, wenn das Werk nach den Vorstellungen des Auftraggebers im Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt ist und der Auftragnehmer das Verhalten des Auftraggebers als Billigung seiner erbrachten Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht verstehen darf.“ Als nächstes definiert das Gericht unter Rn. 15, wann eine konkludente Abnahme vorliegt: „Konkludent handelt der Auftraggeber, wenn er dem Auftragnehmer gegenüber ohne ausdrückliche Erklärung erkennen lässt, dass er dessen Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt. Erforderlich ist ein tatsächliches Verhalten des Auftraggebers, das geeignet ist, seinen Abnahmewillen dem Auftragnehmer gegenüber eindeutig und schlüssig zum Ausdruck zu bringen.“ Nach dem Bisherigen handelt es sich um die allgemein anerkannte Auffassung, dass eine konkludente Abnahme durch Ermittlung des Abnahmewillens möglich ist. In Rn. 18 der Entscheidung bestätigt das Gericht die Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine solche konkludente Abnahme: „Zwar kann eine konkludente Abnahme im Regelfall nur angenommen werden, wenn alle vertraglich geschuldeten Leistungen erbracht sind. Die Vollendung des Werks ist jedoch nicht ausnahmslos Voraussetzung für eine konkludente Abnahme, da es stets maßgeblich darauf ankommt, ob nach den gesamten Umständen das Verhalten des Auftraggebers vom Auftragnehmer dahin verstanden werden kann, er billige die erbrachte Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht. Das kann auch dann der Fall sein, wenn die Leistung Mängel hat oder noch nicht vollständig fertig gestellt ist.“ Nach dieser Rechtsprechung muss sich der Besteller hüten, ein Verhalten an den Tag zu legen, das auf eine Billigung des Werks schließen lässt, wenn Mängel gegeben oder noch nicht einmal alle Leistungen erbracht sind. In dem entschiedenen Fall war das Bauvorhaben allerdings bereits vier Jahre zuvor in Benutzung genommen worden, und der Besteller hatte nichts dazu vorgetragen, dass etwa noch gewichtige Restleistungen ausstünden.
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