Der Fall Puigdemont: Auslieferung an Spanien durch OLG bestätigt
Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Beitrag von Lena Bleckmann veröffentlichen zu können. Die Autorin studiert an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn und ist dort am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit tätig.
Mit Beschluss vom 12.07.2018 hat das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein die Zulässigkeit der Auslieferung von Carles Puigdemont an Spanien bestätigt. Im Folgenden soll kurz das Geschehen geschildert und die relevanten europarechtlichen Normen beleuchtet werden.
Auch wenn die strafrechtlichen Vorschriften des Hochverrats und des Landfriedensbruchs in NRW nicht examensrelevant sind, so ist die Entscheidung doch interessant zu lesen, insbesondere im Hinblick auf die politische Brisanz des Verfahrens.
I. Vorgeschichte
Im Oktober 2017 fand in Spanien auf Vordrängen der katalanischen Regionalregierung ein Referendum statt, bei dem über die Unabhängigkeit Kataloniens entschieden werden sollte. Das Referendum war zuvor vom spanischen Zentralstaat verboten worden. Es sollte auch durch polizeiliche Maßnahmen verhindert werden, was aber nicht gelang. Die Regionalregierung gab an, die Mehrheit habe für die Unabhängigkeit Kataloniens gestimmt. In der Folge wurde am 27. Oktober 2017 die Unabhängigkeit Kataloniens ausgerufen, woraufhin die katalanische Regierung entmachtet wurde.
Puigdemont und anderen Regierungsmitgliedern wird vorgeworfen, den Straftatbestand der „rebelión“ erfüllt und öffentliche Gelder durch die Verwendung für das Referendum veruntreut zu haben. Er folgte einer gerichtlichen Vorladung nicht, sondern floh nach Belgien. Von dort aus kandidierte er für die Neuwahlen in Katalonien. Der in diesem Zuge erlassene erste europäische Haftbefehl wurde im Dezember 2017 aufgehoben. Als im März das Verfahren in Spanien eröffnet wurde, wurde ein erneuter Haftbefehl ausgeschrieben. Kurz darauf konnte Puigdemont in Deutschland festgenommen werden. Das OLG Schleswig-Holstein erließ einen Auslieferungshaftbefehl, setzte den Vollzug allerdings aus.
II. Europäischer Haftbefehl
Mit dem Rahmenbeschluss des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (2002/584/JI, folgend RB) wurde der Europäische Haftbefehl ins Leben gerufen. Hierdurch werden Auslieferungsverfahren zwischen Mitgliedsstaaten der EU erheblich beschleunigt, weil sie nicht ministeriell geleitet werden, sondern die Übergabe der verfolgten Person unmittelbar zwischen den Justizbehörden stattfindet (s. MüKo StPO/Böhm/Werner, § 112 Rn. 19).
Der Beschluss beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen (Erwägungsgrund 2). Art. 2 Abs. 2 RB legt einen abschließenden Katalog von Straftaten vor, bei deren Vermutung die verfolgte Person zwingend auszuliefern ist, wenn sie im Ausstellungsstaat mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren bedroht sind. In allen anderen Fällen können die Mitgliedsstaaten vorsehen, dass eine Auslieferung nur stattfindet, wenn sie auch im Vollstreckungsstaat eine Straftat darstellen, Art. 2 Abs. 4 RB.
Der RB wurde durch das Gesetz über die Internationale Rechtshilfe (IRG) in Deutschland umgesetzt. § 3 IRG macht hierbei von der Ermächtigung des Art. 2 Abs. 4 RB Gebrauch und sieht vor, dass eine Auslieferung nur zulässig ist, sofern die Tat auch in Deutschland den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt (abgesehen von den Katalogtaten des Art. 2 Abs. 2 RB). Erfolgt die Auslieferung zur Verfolgung, so ist zusätzlich erforderlich, dass die Tat in Deutschland im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht ist, § 3 Abs. 2 IRG.
Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung trifft nach § 13 Abs. 1 IRG das Oberlandesgericht. Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 13 Abs. 1 S. 2 IRG. Der Weg zum Bundesgerichtshof steht nach § 42 IRG nur zur Klärung von Rechtsfragen seitens des OLG offen. Eine Verfassungsbeschwerde kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht (zum Rechtsschutz eingehend Leipold/Lochmann, ZRP 2018, 43).
III. Die Entscheidung des OLG Schleswig-Holstein
Im deutschen Recht gibt es keinen Straftatbestand, der seinem Sinngehalt nach genau dem der Rebellion im spanischen Recht entspricht. In Betracht kommt aber eine Strafbarkeit wegen Hochverrats (§ 81 StGB) und Landfriedensbruchs (§ 125 StGB).
Um den Tatbestand des Hochverrats zu erfüllen müsste es unternommen werden, durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die verfassungsmäßige Ordnung zu ändern. Die Schwelle für das Vorliegen von Gewalt ist im Rahmen des § 81 StGB allerdings erheblich höher als beim Angriff auf Individualrechtsgüter (siehe hierzu eingehend MüKo StGB/Lampe/Hegmann, § 81 Rn. 5). Diese Schwelle sah das OLG vorliegend als nicht überschritten an, weder das Referendum an sich noch die anlässlich erfolgten gewaltsamen Auseinandersetzungen hätten ein Niveau erreicht, durch das die verfassungsmäßige Ordnung Spaniens ernstlich bedroht wurde.
Landfriedensbruch setzt voraus, dass der Verfolgte Täter oder Teilnehmer an Gewalttätigkeiten oder Drohungen aus einer Menschenmenge heraus, die die öffentliche Sicherheit gefährden, ist oder die Menschenmenge beeinflusst, um die Gewaltbereitschaft zu fördern. Puigdemont war bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen selbst nicht anwesend. Eine Beeinflussung der Menschenmenge schließt das OLG aus, weil es ihm nicht um Gewalt gegangen sei, sondern lediglich um die Durchführung des Referendums. Da kein der Rebellion entsprechender deutscher Straftatbestand erfüllt ist, scheidet eine Auslieferung wegen Rebellion aus.
Dennoch ist die Auslieferung Puigdemonts zulässig, da ihm auch die Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen wird. Hierbei handelt es sich um eine Katalogtat des Art. 2 Abs. 2 RB, sodass nicht zu prüfen ist, ob das Verhalten Puigdemonts auch einen deutschen Straftatbestand erfüllt. Dennoch stellt das OLG fest, dass die Tat auch hier als Untreue nach § 266 StGB strafbar wäre, weil ersichtlich gewesen sei, dass das Referundum Geld kosten würde und die so eingegangenen Verbindlichkeiten zu Lasten der öffentlichen Kassen einen hinreichenden Schaden i.S.d. § 266 StGB darstellten. An dieser Stelle ist es entscheidend anzumerken, dass Puigdemont nach der Auslieferung auch ausschließlich im Rahmen dieser strafrechtlich verfolgt werden darf, Art. 27 Abs. 1, 2 RB. Eine Verfolgung wegen Rebellion scheidet also aus. Puigdemont versuchte der Auslieferung durch die Behauptung zu entgehen, das Auslieferungsersuchen des spanischen Staates diene nur dazu, in politisch zu verfolgen. In dem Fall wäre eine Auslieferung nach § 6 Abs. 2 IRG unzulässig.
Das OLG hat dem eine klare Absage erteilt und festgestellt, dies sei nicht vereinbar mit der Wertegemeinschaft der Europäischen Union und dem spanischen Staat ein solches Verhalten zu unterstellen sei schlicht „abwegig“.
Nach Art. 12 RB/§ 34 IRG kann der Vollstreckungsstaat entscheiden, ob der Verfolgte bis zur Auslieferung in Haft zu halten ist. Da Puigdemont bisher seine Haftauflagen befolgt habe, hat das OLG davon abgesehen, ihn in Auslieferungshaft zu nehmen.
Die zulässige und bewilligte Auslieferung wird nach § 13 Abs. 2 IRG von der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Schleswig-Holstein durchgeführt.
Allerdings sei darauf hingewiesen, dass die spanische Zeitung „El Mundo“ am 13.07.2018 unter Berufung auf Quellen, die dem Obersten Spanischen Gericht nahestehen (so die Formulierung der Zeitung), drauf hingewiesen hat, dass der europäische Haftbefehl wohl zurückgezogen werden soll. Gleichwohl stünde auch der Weg nach Luxemburg zum EuGH offen.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!