Der Begriff der „Geschäftsbesorgung“ bei Auftrag, GoA und Geschäftsbesorgungsvertrag
Das Merkmal der „Geschäftsbesorgung“ taucht im BGB im Zusammenhang mit unterschiedlichen Vorschriften auf, ohne jedoch notwendigerweise einen jeweils identischen Bedeutungsgehalt aufzuweisen. Der nachfolgende kurze Überblick soll daher den Inhalt dieses Begriffs bei den betroffenen Schuldverhältnissen näher beleuchten, womit nebenbei auch eine Hilfestellung für deren Abgrenzung zueinander angestrebt wird.
1. Die „Geschäftsbesorgung“ beim Auftrag (§ 662 BGB)
Nach § 662 BGB ist der Auftrag dadurch definiert, dass sich der Beauftragte gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet ein „übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen“. Ein wesentliches Kennzeichen des Auftrages ist also die Unentgeltlichkeit der Hauptleistung, es handelt sich somit – eingedenk der ggf. ebenfalls bestehenden Auftraggeberpflichten nach den §§ 669, 670 BGB – um einen unvollkommen zweiseitigen Vertrag. Der Begriff der „Geschäftsbesorgung“ wird dabei im Auftragsrecht weit verstanden, in Frage kommt also jedwedes Tätigwerden im Interesse des Begünstigten, was sowohl rechtsgeschäftliche als auch tatsächliche Handlungen umfasst (vgl. MüKo/BGB-Seiler, 6. Aufl. 2012, § 662, Rn. 16). Da durch den Begriff der „Besorgung“ allerdings der Schwerpunkt auf einer körperlichen oder geistigen (und dabei oftmals höchstpersönlichen, § 664 Abs. 1 S. 1 BGB) Tätigkeit des Verpflichteten, mithin einer Dienstleistung gegenüber dem Auftraggeber, liegt, kann der Auftrag in der Regel gut von anderen unentgeltlichen Gefälligkeitsverträgen, namentlich Schenkung (§§ 516 ff. BGB) und Leihe (§§ 598 ff. BGB), abgegrenzt werden: Hier steht nämlich nicht eine Tätigkeit des Verpflichteten im Vordergrund, vielmehr geht es im Wesentlichen um die Übertragung eines Gegenstandes, zumeist einer körperlichen Sache, die entweder in das Eigentum des Berechtigten übergehen (§ 516 BGB) oder jedenfalls dessen Nutzen dienen soll (§ 598 BGB). Allerdings ist die Abgrenzung zu anderen Gefälligkeitsverträgen nicht stets so eindeutig durchzuführen: So kann etwa auch die Verwahrung nach den §§ 688 ff. BGB nicht nur entgeltlich erfolgen (§ 689 BGB: Im Zweifel gilt eine Vergütung als vereinbart.), sondern auch ohne Gegenleistung erbracht werden (§ 690 BGB). Hier geht es aber sehr wohl um eine Dienstleistung des Verwahrers gegenüber dem Berechtigten, da ersterer nach der Beschreibung des § 688 BGB verpflichtet wird die vom Hinterleger übergebene Sache aufzubewahren. Dementsprechend gehen die Regelungen des Verwahrungsvertrages dem Auftrag als lex specialis vor (vgl. nur Medicus, Schuldrecht II, 14. Aufl. 2007, § 104/416). – Als Fazit lohnt es sich daher zu merken: Da der Auftrag den Begriff der „Geschäftsbesorgung“ weit versteht, handelt es sich sozusagen um einen „Auffangtatbestand“ der Gefälligkeitsverträge, dem anderweitige, speziellere Regelungen vorgehen, welche dementsprechend zuvorderst in Betracht zu ziehen sind.
2. Die „Geschäftsbesorgung“ beim Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB)
Der Geschäftsbesorgungsvertrag, der im unmittelbaren Anschluss an den Auftrag geregelt ist, wird vom Gesetz beschrieben als „Dienstvertrag oder (…) Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat“. Es handelt sich also genau genommen um einen Mischvertrag, auf den neben einzelnen Regelungen des Auftragsrechts (auf welche die „Kopfnorm“ des Geschäftsbesorgungsvertrags im Wesentlichen verweist, vgl. § 675 Abs. 1 BGB) auch Werk- oder Dienstleistungsrecht Anwendung findet. Die letzteren beiden Vertragstypen sind dabei durch das Erfordernis der Entgeltlichkeit gekennzeichnet (vgl. § 611 Abs. 1 BGB a.E.: „der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet“ und § 631 Abs. 1 BGB a.E.: „der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet“), sodass der Schluss nahe liegt, dass eine Abgrenzung zum unentgeltlichen Auftrag allein über die dort fehlende Vergütungspflicht erfolgt. Indessen wird auch der Begriff der „Geschäftsbesorgung“ beim Geschäftsbesorgungsvertrag anders als beim Auftragsrecht verstanden, was sich bereits daraus ergibt, dass das Gesetz offensichtlich davon ausgeht, dass neben den Dienst- und Werkverträgen, die gerade eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand haben, ebenso solche existieren, bei denen dies nicht der Fall ist. Dementsprechend wird die Geschäftsbesorgung bei § 675 BGB von der ganz überwiegenden Meinung einem engeren Verständnis unterworfen, wobei innerhalb dieser Strömung wiederum Unstimmigkeiten über die Unterscheidung festzustellen sind: So wird die Abgrenzung zu „reinen“ Dienst- und Werkverträgen teilweise allein dergestalt vorgenommen, dass der Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB eine Tätigkeit zu Grunde liegen soll, welche „die beim Auftrag geltenden Rechtsfolgen notwendig macht, weil sie nach dem Sinn und Zweck des betreffenden Rechtsverhältnisses zu einem sachgerechten Ergebnis führen“ (so MüKo/BGB-Seiler, 6. Aufl. 2012, § 662, Rn. 14 m.w.N. aus der vornehmlich älteren Literatur). Einer solchen Abgrenzung, die allein ergebnisorientiert arbeitet, ist jedoch bereits deswegen eine Absage zu erteilen, weil damit ein „handgreifliches“ tatbestandsbezogenes Kriterium, wann die Rechtsfolge einer Anwendung von Auftragsrecht „sachgerecht“ erscheint, gerade nicht genannt wird. Es besteht somit die Gefahr, dass die Zuordnung von Verträgen zu dem einen oder anderen Schuldverhältnis allein vom „Rechtsgefühl“ des Rechtsanwenders abhängig gemacht wird. Dementsprechend nimmt die ganz h.M. eine konkretere, tatbestandsbezogene Interpretation dergestalt vor, dass Geschäftsbesorgung i.S.d. § 675 BGB „eine selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art“ sei, „für die ursprünglich der Geschäftsherr selbst zu sorgen hatte, die ihm aber durch einen anderen (den Geschäftsführer) abgenommen wird“ (so BGH, Urteil v. 25.04.1966 – VII ZR 120/65 = BGHZ 45, 223 [229]). Dabei werden die einzelnen Kriterien, die den engeren Geschäftsbesorgungsbegriff des § 675 BGB bedingen, freilich durchaus im Hinblick auf die Verweisungen ins Auftragsrecht und die Rechtsfolgen einer solchen Einordnung gerechtfertigt:
- Dass es sich um eine Tätigkeit aus der Sphäre des Geschäftsherrn handeln muss, soll danach etwa daran deutlich werden, dass der Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB, auf den § 675 Abs. 1 BGB verweist, bereits darauf hindeute, dass es sich um eine Angelegenheit handelt, die ursprünglich den Geschäftsherrn selbst getroffen hat.
- Die Selbständigkeit der Tätigkeit ist ebenso dem Umstand geschuldet, dass bestimmte Auftragsregelungen, auf welche § 675 Abs. 1 BGB verweist, nur bei einem gewissen Freiraum des Handelnden Sinn haben: So sieht § 665 BGB vor, dass der Beauftragte berechtigt ist von Weisungen des Auftraggebers abzuweichen, wenn er eine Billigung desselben annehmen darf. Daneben statuiert § 666 BGB eine Rechenschaftspflicht, der v.a. dann eine Bedeutung zukommt, wenn dem Geschäftsbesorger selbständige Entscheidungen offenstehen, sodass auf der anderen Seite auch ein gesteigertes Informationsinteresse des Geschäftsherrn besteht.
- Der wirtschaftliche Bezug der Tätigkeit schließlich ist dem Umstand geschuldet, dass die Pflicht zur Rechenschaft (§ 666 BGB), die Herausgabe- (§ 667 BGB) und Verzinsungspflicht (§ 668 BGB) sowie der Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 670 BGB) auf die Besorgung rein wirtschaftlicher Tätigkeiten hindeuten: So hat etwa die Pflicht für die Beauftragung erhaltenes oder erlangtes Geld zu verzinsen (§ 668 BGB) bei einem ärztlichen Eingriff ebenso wenig Sinn wie bei musikalischen oder sonstigen künstlerischen Darbietungen.
Demgemäß lässt sich festhalten: Der Geschäftsbesorgung nach § 675 Abs. 1 BGB liegt durch das Erfordernis der Abgrenzung zu sonstigen Dienst- und Werkverträgen ein eingeengtes Verständnis dieses Begriffes zugrunde, was allerdings auch nur für den Bereich der entgeltlichen Erbringung solcher Leistungen zu gelten hat. Wird demgegenüber z.B. eine eigentlich dem reinen Werkvertrag zuzuschreibende Dienstleistung kostenlos vorgenommen (etwa: Reparatur eines Kfz für einen Freund), so unterfällt dies ohne Weiteres dem Auftragsrecht nach den §§ 662 ff. BGB.
3. Die „Geschäftsbesorgung“ bei der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 677 BGB)
Zum Schluss des Beitrags soll der Begriff der Geschäftsbesorgung noch beim gesetzlichen Schuldverhältnis der „Geschäftsführung ohne Auftrag“ (GoA) eine kurze Betrachtung erfahren, wobei dieses in gesetzessystematischer Hinsicht wiederum im Anschluss an den Geschäftsbesorgungsvertrag bzw. diesem ähnliche „Zahlungsdienste“ geregelt ist. Bei der GoA wird der Begriff der „Geschäftsbesorgung“ nach ganz h.M. wieder identisch zu dem weit gefassten Pendant des Auftragsrechts verstanden: Unter die GoA fällt also jedwede Tätigkeit, die der Sphäre eines Dritten als „Geschäftsherrn“ zuzurechnen ist, mag diese rechtsgeschäftlicher oder auch rein tatsächlicher Natur sein. Genau genommen kann der Begriff der Geschäftsbesorgung hier sogar über das beim Auftrag erfasste Tätigkeitsfeld hinausreichen, da etwa auch die (unentgeltliche) „Verwahrung ohne Auftrag“ (Beispiel: aus dem brennenden Haus des Nachbarn wird der Hund gerettet und gepflegt) hierunter subsumiert werden kann, wohingegen im Falle des Auftrags die vorrangigen Sonderregeln der §§ 688 ff. BGB zu beachten wären (oben 1.; zu beachten ist allerdings, dass bei verlorenen Sachen wiederum die Regelungen zum Fund der GoA vorgehen, §§ 965 ff. BGB, welche dementsprechend als GoA-ähnlich qualifiziert werden; vgl. MüKo/BGB-Oechsler, 5. Aufl. 2009, § 965, Rn. 1). Die (weitestgehende) Identität des Begriffs der Geschäftsbesorgung zu demjenigen des Auftragsrechts erscheint dabei insofern stimmig, als die GoA sozusagen „an der Schwelle“ zwischen Auftrag und rein gesetzlichem Schuldverhältnis, namentlich dem Bereicherungsrecht nach den §§ 812 ff. BGB, angesiedelt ist: Sofern die Geschäftsführung dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht, wird nämlich sozusagen ein „Fast-Auftrag“ gesetzlich konstruiert, was sich für den Geschäftsführer in der Anwendbarkeit der Regelung über den Aufwendungsersatz niederschlägt (§ 683 i.V.m. § 670 BGB). Ist hingegen ein entsprechender Wille des Geschäftsherrn nicht belegt, ist auch keine – zumindest hypothetische – Willensübereinstimmung der Parteien anzunehmen, sodass sich die Rechte des Geschäftsführers regelmäßig allein nach den Regelungen über die ungerechtfertigte Bereicherung bestimmen (§ 684 BGB). Auf der anderen Seite gilt zugunsten des Geschäftsherrn stets Auftragsrecht, sofern dies zumindest dem subjektiven Tatbestand des Geschäftsführers entspricht, weil dieser in Kenntnis seines Eingriffs in eine fremde Rechtssphäre gehandelt hat (§§ 681, 687 Abs. 2 BGB); dementsprechend ist die Anwendung der Auftragsregelungen zugunsten des Geschäftsherren dann ausgeschlossen, wenn ein Fall der irrtümlichen Eigengeschäftsführung vorliegt (vgl. § 687 Abs. 1 BGB).
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