BVerfG: Zur Strafbarkeit wegen Beleidigung durch „FCK BFE“ und ähnliche Abkürzungen
Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Martha Wendt veröffentlichen zu können. Die Autorin studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und der Sciences Po Paris. Zurzeit absolviert sie ein LL.M.-Studium an der Universität Cambridge.
In einer aktuellen Entscheidung (Beschl. v. 20.12.2020 – Az.: 1 BvR 842/19) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) per Beschluss eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich der Beschwerdeführer gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung (§ 185 StGB) aufgrund des Zurschaustellens eines Pullovers mit dem Schriftzug „FCK BFE“ gewendet hatte. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2015 (Beschl. v. 26.2.2015 – Az.: 1 BvR 1036/14) hatte das BVerfG – auch per Beschluss – einer ähnlichen Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung aufgrund des Tragens eines Ansteckers mit der Buchstabenkombination „FCK CPS“ als „offensichtlich begründet“ stattgegeben. Ähnlich entschied es 2016 und 2017 in zwei Entscheidungen zur Abkürzung „A.C.A.B“ (Beschl. v. 17.5.2016 – Az.: 1 BvR 257/14; Beschl. v. 16.1.2017 – Az.: 1 BvR 1593/16). Eine weitere Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine Verurteilung wegen Beleidigung aufgrund eines A.C.A.B.-Aufdrucks richtete, nahm das Gericht 2017 hingegen wiederum nicht zur Entscheidung an (Beschl. v. 13.6.2017 – Az.: 1 BvR 2832/15). Es stellt sich somit die Frage, worauf sich die unterschiedliche Bewertung dieser Fälle gründet, die das BVerfG als „erheblich anders“ einstuft (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2020, Rz. 10 – FCK BFE). Diese Fragestellung ist sowohl für Examenskandidaten als auch für Studierende der unteren Semester von hoher Prüfungsrelevanz.
I. Sachverhalt
Der Beschwerdeführer, der nach Feststellungen des Amtsgerichts Göttingen der „linken Szene“ angehörte, hatte in der Vergangenheit bereits verschiedene Auseinandersetzungen mit der örtlichen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit, kurz BFE. Im Oktober 2017 demonstrierten er und andere Teilnehmer unter dem Motto „Kein Platz für Neonazis in Göttingen“ aus Anlass eines Strafverfahrens gegen einen Angehörigen der rechtsextremen Szene. Dabei trug er „gut sichtbar“ einen Pullover mit der Aufschrift „FCK BFE“. Beamte der BFE forderten den Beschwerdeführer mehrfach unter Verweis auf eine mögliche Strafbarkeit auf, die Aufschrift zu bedecken. Nachdem der Beschwerdeführer nicht reagierte, ordnete ein Beamter die Beschlagnahme des Pullovers an und forderte den Beschwerdeführer auf, den Pullover auszuziehen. Als dieser der Aufforderung nachkam, stellte sich heraus, dass der Beschwerdeführer unter dem Pullover ein T-Shirt mit identischem Aufdruck trug, was vom Beschwerdeführer spöttisch kommentiert wurde. Der Beschwerdeführer wurde später aufgrund dieses Vorfalls vom AG Göttingen wegen Beleidigung verurteilt. Die Sprungrevision blieb erfolglos. Mit der Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer, dass sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht hinreichend gewürdigt worden sei.
II. Verfassungsrecht vs. Strafrecht
Thematisch behandelt der Fall sowohl verfassungsrechtliche als auch strafrechtliche Fragen. Er könnte also in einer Prüfungssituation sowohl aus strafrechtlicher Sicht gestellt werden („Prüfen Sie die Strafbarkeit von A nach dem StGB“) als auch aus verfassungsrechtlicher Sicht („Hat die Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg“). Die Perspektive ist eine andere, beide Prüfungen kommen aber letztlich zum selben Schluss. Für den Prüfling ist allen voran entscheidend, die Erkenntnisse aus dem Beschluss des Verfassungsgerichts auf die Prüfung übertragen zu können. Hierbei soll die folgende Erläuterung eine Hilfestellung bieten, wobei hier der strafrechtliche Aufbau als Ausgangspunkt gewählt wird. Auf eine Besonderheit bei der verfassungsrechtlichen Prüfung soll jedoch zum Schluss kurz hingewiesen werden.
III. Prüfung der Strafbarkeit wegen Beleidigung
1. Tathandlung
Die Beleidigung setzt als erstes Tatbestandsmerkmal die Kundgabe der eigenen Miss- oder Nichtachtung voraus. In der zugrundeliegenden Entscheidung gingen die Gerichte einhellig davon aus, dass die Abkürzung „FCK BFE“ als „Fuck Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit“ zu verstehen sei. Diese Auslegung liegt auf einer Linie mit früheren Entscheidungen zur Abkürzung „FCK CPS“, bei welcher die Gerichte außerdem hervorgehoben hatten, dass die Abkürzung „mittlerweile einem großen Personenkreis bekannt sei“. Das Wort Fuck bringe auch keine bloße Kritik zum Ausdruck, sondern werde „als Schmäh- oder Schimpfwort verwendet, das eine verächtliche Geringschätzung der so titulierten Person unmittelbar ausdrücke“ (BVerfG, Beschl. v. 20.12.2020, Rz. 3 – FCK BFE). Bei der Abkürzung A.C.A.B. wurde die Bedeutung in früheren Entscheidungen teilweise noch ausführlicher diskutiert. Letztendlich lehnten die Gerichte aber Deutungen als fernliegend ab, wonach A.C.A.B. für „Acht Cola, Acht Bier“, „Autonome Chaoten argumentieren besser” (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.6.2008 – 1 Ss 329/08) oder „All CATS are BEAUTIFUL“ (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2017, Rz. 4 – A.C.A.B.) stehen sollte.
2. Tatobjekt und -erfolg
Im nächste Prüfungsschritt zeigt sich nun der Dreh- und Angelpunkt des Falles: Es geht um die Frage, gegen wen die mögliche Beleidigung gerichtet ist. Hier wird prinzipiell zwischen drei möglichen Konstellationen unterschieden: Beleidigung von Einzelpersonen, von Personengesamtheiten oder Einzelpersonen unter Kollektivbezeichnung (dazu Geppert, NStZ 2013, 553 (556 ff.)). Die Gerichte mussten sich hier folglich damit auseinandersetzen, an wen sich das „FCK BFE“ richten sollte. Dabei stellten sie zunächst fest, dass dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sei, dass sich Beamte der örtlichen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit sowie andere mit der Bedeutung des Kürzels vertraute Polizeibeamte vor Ort befinden würden. Der Beschwerdeführer hatte nichtsdestotrotz argumentiert, dass seine Äußerung nicht auf die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Göttingen oder deren Beamte gerichtet gewesen wäre, sondern allgemein auf solche Einheiten bezogen gewesen sei. Dies überzeugte die Gerichte jedoch angesichts der Umstände des Falles nicht. Insbesondere die „gerade die BFE Göttingen betreffende Vorgeschichte“ und das Verhalten bei und nach der Anordnung, den Pullover auszuziehen, sprächen gegen die Argumentation des Beschwerdeführers. In der Feststellung, dass die Aussage an eine spezielle örtliche Einheit der Polizei gerichtet sei, unterscheidet sich der Fall nun beispielsweise von dem Fall des (anlasslosen) Tragens eines „FCK CPS“ Ansteckers in der Öffentlichkeit. In der Entscheidung aus dem Jahr 2015 hatte das BVerfG zunächst erklärt, dass eine auf ein Kollektiv bezogene Aussage unter Umständen auch ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein kann. Schränkte dies jedoch zugleich ein:
Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht.
(BVerfG, Beschl. v. 26.2.2015, Rz. 17 – FCK CPS; ebenso BVerfG, Beschl. v. 17.5.2016, Rz. 16 – A.C.A.B.)
Eine allgemeine politische Stellungnahme zur Institution der Polizei und ihrer gesellschaftlichen Funktion ist daher durch die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2020, Rz. 10 – FCK BFE). Unzulässig ist es nach Ansicht des Gerichts ebenfalls, eine auf Angehörige einer Gruppe im Allgemeinen bezogene Aussage als auf eine hinreichend überschaubare Personengruppe bezogen zu behandeln, weil diese eine Teilgruppe der Gruppe bildet (BVerfG, Beschl. v. 26.2.2015, Rz. 17 – FCK CPS). Entscheidend ist nach der Überzeugung des Gerichts eine personalisierende Zuordnung (BVerfG, Beschl. v. 26.2.2015, Rz. 18 – FCK CPS). Ebenso hatte das Gericht auch bereits in der A.C.A.B.-Entscheidung aus 2016 entschieden (BVerfG, Beschl. v. 17.5.2016, Rz. 17 – A.C.A.B.). Es ist also zunächst einmal für die Prüfung unerheblich, welche Abkürzung hier verwendet wird: Wie schon die unterschiedliche Bewertung in den „A.C.A.B.“‑Entscheidungen zeigt, können die Ausdrücke „A.C.A.B.“, „FCK CPS“ und „FCK BFE“ alle je nach Situation entweder straffreie Meinungsäußerungen sein oder strafbare Beleidigungen. Hier kommt es maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an. Für die Strafbarkeit entscheidend ist, ob ein individueller Bezug einer solchen Aussage zu einer bestimmten Einheit oder einzelnen Beamten hergestellt wird (ebenso Geppert, NStZ 2013, 553 (558 f.)). Der bloße Aufenthalt im öffentlichen Raum beispielsweise beim Spazierengehen, bei dem es zu einem zufälligen Zusammentreffen mit Polizeibeamten kommt, reicht hierfür nicht aus. Anders kann der Fall aber liegen, wenn die despektierliche Aussage bewusst auf Veranstaltungen zur Schau gestellt wird, in denen mit einem Zusammentreffen mit der Polizeieinheit gerechnet wird – wie im aktuellen Fall – oder sich der Äußernde bewusst in die Nähe der Polizei begibt, um diese mit seiner Parole zu konfrontieren (BVerfG, Beschl. v. 17.5.2016, Rz. 17 – A.C.A.B.) oder mit dem Finger auf bestimmte Beamte deutet (OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.6.2008 – Az.: 1 Ss 329/08). Der Grad ist hier zuweilen sehr schmal. Denn nicht ausreichen soll nach Ansicht des BVerfG in der A.C.A.B.-Entscheidung von 2016 wiederum die bloße Tatsache, dass dem Beschwerdeführer bewusst war, dass Einsatzkräfte der Polizei anwesend sein würden, wenn dieser sich nicht bewusst in die Nähe der Einsatzkräfte begeben habe (BVerfG, Beschl. v. 17.5.2016, Rz. 17 – A.C.A.B.). Hier gilt es in der Prüfung also genau mit dem Sachverhalt zu arbeiten. Aus der bisherigen Rechtsprechung lassen sich aber immerhin einige Faktoren herausarbeiten, die für die personalisierende Zuordnung von Relevanz sein können. So können etwa vorangegangene Auseinandersetzungen mit der Polizei (wobei hier aber einschränkend sowohl ein zeitlicher als auch ein örtlicher bzw. sachlicher Zusammenhang gefordert werden sollte), die (mehrfache) Weigerung, die Äußerung nach Aufforderung zu verdecken, der Anlass oder die Art, wie die Aussage kundgegeben wird, bei der Beurteilung eine Rolle spielen. Denkbar wäre auch, dass etwa die Sichtbarkeit und Größe einer verschriftlichten Äußerung (Plakat, Anstecker, Aufdruck etc.) eine Rolle spielen. Unter Umständen ergibt sich die Personalisierung auch erst aus der Kombination verschiedener Faktoren.
Nicht ganz eindeutig ist, ob sich die aktuelle Entscheidung lediglich auf die Beleidigung einzelner Mitglieder des Kollektivs BFE bezieht oder auch auf eine Beleidigung der BFE Göttingen als Personengesamtheit. Im Lichte der früheren Entscheidungen betrachtet, deutet die Formulierung eher auf die Annahme einer Beleidigung einzelner Mitglieder des Kollektivs hin. Denkbar wäre hier aber beides (auch kumulativ, vgl. LG Mannheim, Urt. v. 17.4.1996 – Az.: (10) 5 Ns 16/94).
Für die Beleidigungsfähigkeit einer Personengesamtheit wird allgemein vorausgesetzt, dass diese einen einheitlichen Willen bilden kann und eine rechtlich anerkannte Funktion in der Gesellschaft erfüllt. Sie muss eine eigene Verbandsehre haben. Das wird etwa für die Bundeswehr angenommen, scheitert aber bei „der“ Polizei daran, dass diese keinen einheitlichen Willen bilden kann (vgl. BayObLG, Urt. v. 30.6.1989 – Az.: RReg. 3 St 66/89; ebenso Geppert, NStZ 2013, 553 (557)). Für eine bestimmte Polizeieinheit gilt das aber nicht (vgl. LG Mannheim, Urt. v. 17.4.1996 – Az.: (10) 5 Ns 16/94) und so kann auch davon ausgegangen werden, dass die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit Göttingen zur einheitlichen Willensbildung durchaus fähig ist. Hier könnte man folglich davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer aufgrund früherer Auseinandersetzungen mit der BFE Göttingen diese als Einheit ablehnt und damit in ihrer Verbandsehre angreifen wollte. In diesem Fall ist die Abgrenzung der einzelnen Einheit Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine beleidigungsfähige Personenmehrheit vorliegt.
Ebenso gut könnte man auch argumentieren, dass der Beschwerdeführer die einzelnen am Polizeieinsatz vor Ort beteiligten Beamten, die zur BFE gehören, beleidigen wollte. In diesem Fall ist die Eingrenzung jedenfalls im Rahmen der oben erörterten Prüfung der personalisierenden Zuordnung nach der vom BVerfG postulierten „je-desto“-Prüfung relevant. In beiden Fällen kommt man zur Beleidigungsfähigkeit des Adressaten.
3. Subjektiver Tatbestand und Rechtfertigung
Nach Ansicht des Tatgerichts handelte der Beschwerdeführer auch vorsätzlich. Bei der Prüfung von Ehrdelikten mit einem Bezug zur Meinungsfreiheit sollte man schließlich immer an den besonderen Rechtfertigungsgrund nach § 193 StGB denken. Die Rechtfertigung scheidet aber bei reiner Diffamierung oder Schmähkritik aus. Das Tatsachengericht sah hier in diesem Sinne „keinerlei sachbezogenen Beitrag im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung“ und schloss daher eine Rechtfertigung aus.
Somit kommt man insgesamt im aktuellen „FCK BFE“-Fall zu einer Strafbarkeit wegen Beleidigung.
IV. Exkurs zur verfassungsrechtlichen Prüfung
Verfassungsrechtlich soll an dieser Stelle nur auf eine Besonderheit beim Prüfungsmaßstab des BVerfG bei derartigen Konstellationen noch einmal gesondert eingegangen und hingewiesen werden. Prinzipiell gilt, dass ein Rechtsträger sich nur noch durch Erhebung einer Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG gegen ein Urteil zur Wehr setzen kann, wenn der ordentliche Rechtsweg erschöpft ist. Allerdings handelt es sich hierbei um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, mit dem lediglich die spezifische Verletzung von Grundrechten gerügt werden kann. „Das BVerfG ist kein Superrevisionsgericht“ – ein Satz, der wohl jedem Juristen in Fleisch und Blut übergeht. Das heißt, es findet grundsätzlich keine Prüfung der Auslegung und Anwendung von einfachem Recht statt, sondern es wird lediglich geprüft, ob ein Gericht die Reichweite eines Grundrechtes prinzipiell verkannt hat. Bei den Kommunikationsgrundrechten nach Art. 5 (vor allem der Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit) gilt es nach der Rechtsprechung des BVerfG allerdings eine Besonderheit zu beachten. Hier prüft das BVerfG auch, ob die Gerichte die Meinungsäußerung richtig ausgelegt haben. So verstoße
die Verurteilung wegen einer Äußerung schon dann gegen Art. 5 Abs. 1 GG, wenn diese den Sinn, den das Gericht ihr entnommen und der Verurteilung zugrunde gelegt hat, nicht besitzt oder wenn bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Deutung zugrunde gelegt worden ist, ohne dass andere, ebenfalls mögliche Deutungen mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden sind.
(st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.12.1976 – Az.: 1 BvR 460/72)
Das bedeutet bezogen auf die aktuelle Problematik des Beleidigungsadressaten:
[…] insoweit ist, wenn der sprachliche Zusammenhang und die außertextlichen Begleitumstände des konkreten Einzelfalls eine Deutung zulassen, welche die inkriminierte Äußerung als eine vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckte allgemeine oder anlassbezogene Kritik an dem Kollektiv selbst ohne erkennbar ehrverletzenden Bezug zu einzelnen individualisierbaren Angehörigen des Kollektivs erscheinen lassen, dieser grundrechtsschonenden, bereits die objektive Tatbestandsmäßigkeit der Beleidigung entfallen lassenden Deutungsvariante grundsätzlich und regelmäßig der Vorzug zu geben.
(OLG Karlsruhe, Urt. v. 19.7.2012 – Az.: 1 (8) Ss 64/12 – AK 40/12)
Die Meinungsfreiheit kann im Rahmen der Prüfung einer Strafbarkeit nach § 185 StGB folglich an zwei Stellen relevant werden: Zunächst und vorrangig bei der Auslegung des Tatbestands. Und zum anderen im Rahmen der Prüfung der Rechtfertigung nach § 193 StGB.
IV. Fazit
Der aktuelle Beschluss des BVerfG zu „FCK BFE“ reiht sich in eine Folge kontinuierlicher Entscheidungen ein. Es handelt sich um einen „Klassiker“, bei dem der Prüfling jedoch besonders genau auf die Details des Sachverhalts achten sollte. Entscheidend ist nach der Rechtsprechung die personalisierende Zuordnung. Unter Berücksichtigung dieser Unterscheidung überrascht es folglich keineswegs, dass die auf den ersten Blick ähnlich wirkenden Sachverhaltskonstellationen zum „FCK CPS“-Anstecker und zum „FCK BFE“-Pullover hier unterschiedlich bewertet wurden.
(Die umfangreiche Kasuistik in Rechtsprechung und Literatur zu Ehrdelikten kann, nach mancher Ansicht, mitunter teils selbst für ausgewiesene Experten, nur noch schwer stets klar und sicher, systematisch völlig widerspruchsfrei einheitlich verständlich überzeugend wirken).
Vorliegend sollten die beteiligten Polizeibeamten wohl unter Umständen selbst als Opfer „befangen“ gewesen sein können.
Polizeiliches Vorgehen könnte hier damit teils noch formell nur zweifelhaft rechtmäßig wirken.
Die fraglichen, möglich ehrverletzenden Äußerungen könnten dabei noch etwa als bedingt vorweggenommene, möglich zulässige Verteidigung gegenüber, tatsächlich vielleicht nicht völlig unbegründet zu Unrecht, als möglich erwartetem, eventuell rechtswidrigem oder nur fragwürdig grenzwertig zulässigem polizeilichem Vorgehen in Betracht kommen.
Die Äußerungen könnten dadurch weniger als pure Schmähungen oder Verletzung von Menschenwürde und dadurch weniger klar und sicher als strafbare Beleidigung einzuordnen sein o.ä.