BVerfG: Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen verfassungskonform
Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 12.08.2010 (2 BvR 1447/10) entschieden, dass die Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen auf der Grundlage von § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO verfassungskonform ist und die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Der in solchen Aufnahmen liegende Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sei durch den Zweck gerechtfertigt, die Sicherheit des Straßenverkehrs aufrecht zu erhalten und damit Rechtsgüter mit erheblichem Gewicht zu schützen.
Sachverhalt
Der Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes im Straßenverkehr zu einer Geldbuße verurteilt. Die Verurteilung stützt sich im Wesentlichen auf das Ergebnis einer Abstandsmessung mittels einer geeichten Anlage und die dabei angefertigten Videoaufnahmen, auf denen der Beschwerdeführer zu erkennen ist. Das Oberlandesgericht verwarf dessen Rechtsbeschwerde als unbegründet. Dieser erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde und rügte insbesondere eine Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Eingriff sei mangels gesetzlicher Grundlage nicht gerechtfertigt. § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG könne nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da diese Befugnis nur bei der Herstellung von Bildaufnahmen zu Observationszwecken greife, nicht dagegen bei der Fertigung von Lichtbildern zur Beweissicherung und Auswertung.
BVerfG: Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht verletzt
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da ihr weder grundsätzliche Bedeutung zukomme noch die angegriffenen Entscheidungen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG oder das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzten. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte die Vorschrift des § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Videoaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen herangezogen haben. Die Norm erlaube die Anfertigung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Dies gelte sowohl für die Anfertigung von Einzelaufnahmen als auch von Videoaufnahmen.
Zweck der Verkehrsüberwachungsmaßnahme rechtfertigt Eingriff
Zudem sei der in den Bildaufnahmen mittels einer Identifizierungskamera liegende Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung auch verhältnismäßig. Der Zweck derartiger Maßnahmen der Verkehrsüberwachung, nämlich die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs und damit der Schutz von Rechtsgütern mit erheblichem Gewicht, rechtfertigten eine Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass – auch wenn es sich um verdeckte Datenerhebungen handelt – nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet würden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar seien. Die Maßnahme ziele außerdem nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben hätten, da der Verdacht eines bußgeldbewehrten Verkehrsverstoßes bestehe. Schließlich entfalte die Maßnahme über die Ahndung der Verkehrsordnungswidrigkeit hinaus grundsätzlich keine belastenden Wirkungen für den Betroffenen. Denn es bestünden in § 101 StPO hinreichende grundrechtssichernde Verfahrensvorschriften über die Benachrichtigung sowie zur Kennzeichnung und Löschung von Daten.
Bezüglich der Übersichtsaufnahmen liegt bereits kein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vor
Soweit im vorliegenden Fall auch Übersichtsaufnahmen von einer Brücke aus angefertigt wurden, verneint das BVerfG bereits einen Eingriff in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle Selbstbestimmung. Denn zum einen sei nach den amtsgerichtlichen Feststellungen eine Identifizierung der Fahrer oder Kennzeichen anhand der dauerhaft angefertigten Übersichtsaufnahmen nicht möglich gewesen. Zum anderen seien die Übersichtsaufnahmen nach ihrer Zweckbestimmung nicht auf eine Individualisierung des Betroffenen ausgerichtet. Diese sollten vielmehr ausschließlich durch die verdachtsabhängige Anfertigung von Bildaufnahmen mittels der am Fahrbahnrand aufgestellten Identifizierungskamera erfolgen.
Das Urteil im Volltext: hier
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