Bundesverwaltungsgericht zu Polizeikosten bei Hochrisikospielen
In der vergangenen Woche erging ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Kostentragungspflichten bei Hochrisikofußballspielen (PM Nr. 26/2019 v. 29.3.2019). Aufgrund der Berührungspunkte mit mehreren Teilgebieten des Öffentlichen Rechts, insbesondere dem Polizeirecht und den Grundrechten, bietet die Entscheidung eine gute Basis für zukünftige Klausuren.
Sachverhalt
Aus Anlass eines Polizeieinsatzes bei einem Fußballspiel des SV Werder Bremen gegen den Hamburger SV erhob das Land Bremen von der Deutschen Fußball Liga (DFL) Gebühren in Höhe von 425.000 €. Dies geschah auf Grundlage eines Gesetzes aus dem Jahre 2014: Es sieht die Möglichkeit vor, von Veranstaltern gewinnorientierter Großveranstaltungen Gebühren für Polizeieinsätze zu erheben, sofern in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang gewaltsame Ausschreitungen zu erwarten und so der Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte voraussichtlich erforderlich sei. Die Gebühr richtet sich nach dem jeweiligen Mehraufwand der Polizei.
Bei dem Spiel bestand die hohe Wahrscheinlichkeit gewalttätiger Auseinandersetzungen, sodass statt der üblichen 150 Beamten über 950 Polizisten, größtenteils aus anderen Bundesländern, im Einsatz waren. Die hierdurch entstandenen Kosten soll die DFL nun ersetzen.
Die DFL ging gegen den Gebührenbescheid vor. Sie selbst sei schon nicht der richtige Adressat, die Gebühren könnten ausschließlich vom Verein Werder Bremen erhoben werden. Das Gesetz sei außerdem verfassungswidrig, insbesondere im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot, Art. 12 GG und Art. 14 GG. Weiterhin sei die Gefahrenabwehr Kernaufgabe des Landes und dürfe nur über Steuern finanziert werden. Auch sei die DFL selbst kein Störer i.S.d. Polizeigesetzes des Landes Bremen, sondern müsse vielmehr selbst vor den Ausschreitungen geschützt werden (siehe zu den Einwänden der DFL die Entscheidung der Vorinstanz, OVG Bremen, Az. 2 LC 139/17 – juris).
Während die erste Instanz der Klage der DFL stattgab und das Gesetz für zu unbestimmt hielt, entschied das OVG Bremen zugunsten des Landes.
So nun auch das Bundesverwaltungsgericht:
Zunächst sei bei der Gebührenerhebung zu beachten, dass der Gebührenpflichtige Steuerzahler sei und so unter anderem auch die Gefahrenabwehr mitfinanziere. Aufgrund einer besonderen Rechtfertigung sei die Erhebung zusätzlicher Gebühren dennoch möglich. Richtig sei der Einwand, die DFL selbst sei kein Störer im polizeirechtlichen Sinne, sodass die Gebühren nicht auf die Grundsätze der Störerhaftung gestützt werden können. Allerdings handle es sich bei dem Einsatz auch nicht um die übliche Gefahrenabwehr, sondern um eine Sonderleistung, die die Gebühren rechtfertige. Die DFL sei insoweit Nutznießer, sodass die Gebührenerhebung gerechtfertigt sei.
Zwar sei auch die allgemeine Gefahrenabwehr betroffen, sodass in Erwägung gezogen werden könnte, einen entsprechenden Betrag in Abzug zu bringen. Das BVerwG stellte jedoch fest, dass das Interesse des Nutznießers das allgemeine Interesse so sehr überwiege, dass ein Abzug nicht angezeigt sei.
Hinsichtlich der Bestimmtheit des Gesetzes bestünden jedenfalls im Hinblick auf Hochrisikofußballspiele keine Zweifel: Aufgrund der bestehenden Erfahrungswerte sei absehbar, in welchem Ausmaß zusätzliche Polizeikräfte erforderlich seien. Zwar müsse die Polizei den betriebenen Aufwand stets im Einzelnen rechtfertigen, dies sei ihr aufgrund der Erfahrungswerte allerdings regelmäßig möglich.
Wichtig: Anderes soll für andersartige Großveranstaltungen gelten, für die keine ähnlichen Erfahrungswerte bestehen – die in diesem Fall mit dem Gebührentatbestand verbundenen Unsicherheiten seien dem Veranstalter unzumutbar, sodass keine Gebühr erhoben werden dürfe.
Auch die Höhe der erhobenen Gebühr sah das BVerwG als unproblematisch an: Zwar können die polizeilichen Ausgaben eine beträchtliche Höhe erreichen, dies sei aber zumutbar, da der Tatbestand ausschließlich an gewinnorientierte Veranstaltungen anknüpfe. Insbesondere in der (hier betroffenen) Ersten Bundesliga stehe die Gebühr in einer angemessenen Relation zu dem durch den Veranstalter erzielten Gewinn. Dieser erhöhe sich auch gerade durch die gewährleistete Sicherheit – ohne den Einsatz der Polizeikräfte sei das Risiko von Ausschreitungen so hoch, das Besucher fernbleiben, der Gewinn einbrechen und der Ruf der DFL leiden könnte. In nachrangigen Ligen oder bei anderen Großveranstaltungen, bei denen keine vergleichbaren Gewinne erzielt werden, können die Gebühren jedoch unverhältnismäßig sein.
Soweit die DFL geltend macht, sie sei nicht der richtige Adressat des Gebührenbescheids, führt das BVerwG lediglich aus, das Land könne nach seiner Wahl zwar auch den Verein Werder Bremen in Anspruch nehmen – die DFL sei jedoch jedenfalls Mitveranstalter des Fußballspiels. Sie bestimme wesentlich mit, wann und wo die Spiele der Ersten Bundesliga stattfinden. Der interne Ausgleich zwischen den Beteiligten bleibe diesen überlassen.
Problematisch seien die erhobenen Gebühren allerdings insoweit, als dass sie auch direkt von den jeweiligen Störern erhoben werden könnten. Dies betrifft insbesondere die Kosten für zahlreiche Ingewahrsamnahmen am Spieltag. Hier seien ausschließlich die Störer in Anspruch zu nehmen, um eine doppelte Erstattung auszuschließen.
Bezüglich möglicher Grundrechtseingriffe lässt sich der Pressemitteilung des BVerwG nichts entnehmen. Allerdings stellte schon die Vorinstanz fest, Art. 14 GG schütze nicht das Vermögen als solches und damit nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten. Ein Eingriff in Art. 12 GG sei zwar aufgrund einer objektiv berufsregelnden Tendenz gegeben, jedoch durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt – der Schutz bei Hochrisikospielen diene vorrangig dem wirtschaftlichen Interesse des Veranstalters, sodass die Kosten auch von diesem, nicht aber von der Allgemeinheit zu tragen seien.
Fazit
Die Entscheidung eröffnet dem Klausursteller viele Möglichkeiten: je nach Schwerpunktsetzung und Fragestellung können Ansprüche aus dem Polizeirecht gegen Veranstalter und Teilnehmer sowie grundrechtliche Fragestellungen zu prüfen sein. Die Möglichkeit der Kostenerhebung bei „Sonderleistungen“ der Polizei ist ungewöhnlich und stellt eine besondere Schwierigkeit dar. Der Bearbeiter, der diesbezüglich Überlegungen anstellt, dürfte sich bei vertretbarer Argumentation besonders vom Durchschnitt abheben.
Eine Begründung über eine polizeiliche Sonderleitung und Nutznießertum scheint weniger überzeugend.
Eine Kostentragungspflicht sollte eher aus einem Interessenausgleich kollidierender Verfassungswerte und daher aus dem Grundgesetz folgen.
Aus solch verfassungsrechtlichen Herleitung sollte eine verhältnismäßige Begrenzung bei grundrechtsspezifischer Erdrosselungswirkung folgen.
Insgesamt sollte damit zudem weniger eine Grundrechtsbetroffenheit vorliegen können.
Eine Kostentragungspflicht sollte hier solch Grundrechtsträger und Störer wie Gesamtschulner treffen können.
Daher sollte weniger eine Pflicht zum Herausrechnen von Kosten für Störer bestehen.