BGH: Verhältnis von Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu § 278 BGB
Mit Urteil vom 7.12.2017 – VII ZR 204/14 hat der BGH eine besonders prüfungsrelevante Entscheidung zum Anwendungsbereich der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSD) erlassen. Im Vordergrund steht das Verhältnis des VSD zu § 278 BGB. Da sich der VSD leicht in Zivilrechtsklausuren einbauen lässt und in verschiedensten Facetten in Erscheinung treten kann, müssen die rechtssystematischen Grundlagen sowie die von der Rechtsprechung entwickelten Anspruchsvoraussetzungen beherrscht werden. Die Entscheidung des BGH bietet Anlass zur Wissensvertiefung in einem Bereich, der von der Anfängerklausur bis hin zur zivilrechtlichen Examensklausur einen beliebten Prüfungsgegenstand darstellt:
I. Sachverhalt (vereinfacht)
Das Gericht hatte über Schadensersatzansprüche zu befinden, die sich letztlich aus einem Vierpersonenverhältnis ergaben. Anders als bei dem klassischen Dreipersonenverhältnis des VSD trat in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt eine weitere Person hinzu, weil der Schuldner sich zur Erfüllung seiner Pflichten eines Dritten bediente. Folgende (zwecks Übersichtlichkeit vereinfachte) Geschehnisse führten zur Rechtsstreitigkeit:
Die F. & R. GmbH führte aufgrund eines am 18. Juni 2003 mit einem Brauereibetreiber geschlossenen Vertrags Abbrucharbeiten auf einem Gelände in der Stadt S durch, auf dem der Brauereibetreiber bis zum Jahr 2003 seine Brauerei betrieben hatte. Nach dem Vertrag sollten die auf dem Gelände befindlichen Versorgungsleitungen sowie Entsorgungsleitungen vor Beginn der Abbrucharbeiten vom Brauereibetreiber stillgelegt werden. Da mit Umweltgefährdungen gerechnet werden musste, beauftrage der Brauereibetreiber einen Gutachter mit der Untersuchung der auf dem Gelände stehenden Gebäude auf eventuelle Gefahrenquellen. Bei einem vom Gutachter durchgeführten Ortstermin wurde unter anderem das Gebäude Nr. 15 nicht von innen besichtigt. In seinem Gutachten (sog. Rückbau- und Entsorgungskonzept) gab der Gutachter unter Bezugnahme auf diesen Ortstermin an, dass die technischen Anlagen ausgebaut und verkauft worden und Rückstände von Maschinen, Behältern und Rohren nicht vorhanden seien. Einen Hinweis auf ggf. noch unter Druck stehende Leitungen oder mit Gasen gefüllte Behältnisse im Gebäude Nr. 15 erteilte er nicht. Die nur eingeschränkte Begutachtung des Innenraums wurde auch sonst nicht vermerkt.
Die Arbeitnehmer A und B der F. & R. GmbH führten am 15. Dezember 2003 mittels zweier Bagger Abbrucharbeiten auf dem Gelände durch. In dem Gebäude Nr. 15 befand sich eine noch mit Ammoniak gefüllte Kälteanlage, bestehend aus zwei Tanks und Rohrleitungen. Infolge der Abrissarbeiten kam es zu einem Austritt einer gischtartigen Ammoniakwolke, welche ein Ausmaß von 10 x 15 Meter erreichte. Hierdurch wurden die Arbeitnehmer A und B verletzt.
Haben A und B Ansprüche gegen den Brauereibetreiber sowie den Gutachter auf Ersatz von Heilbehandlungs-, Arznei- und Transportkosten?
II. Vorüberlegung: Grundlage und Anspruchsvoraussetzungen des VSD
A und B könnten gegen den Gutachter Ansprüche auf Schadensersatz nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter haben. Für die Fallbearbeitung muss insofern allerdings von vornherein im Hinterkopf behalten werden, dass auch zwischen der F. & R. GmbH und dem Brauereibetreiber ein Vertrag besteht, sodass auch vertragliche Schadensersatzansprüche von A und B gegen den Brauereibetreiber in Betracht zu ziehen sind. Für die gutachterliche Prüfung kommt es dann auf einen sauberen Aufbau und eine stringente Prüfung des VSD an:
1. Rechtsgrundlage
Die rechtliche Grundlage des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wird uneinheitlich beurteilt. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der VSD auf einer ergänzenden Vertragsauslegung beruht und an den hypothetischen Willen der Vertragsparteien anknüpft, §§ 133, 157 BGB (vgl. BGH Urteil v. 17.11.2016 – III ZR 139/14, NJW RR-2017, 888). Anderer Auffassung zufolge handelt es sich um eine auf § 242 BGB gestützte richterliche Rechtsfortbildung (s. Assmann, JuS 1986, 885 (887). Teilweise wird der VSD auch als Gewohnheitsrecht eingeordnet (so bereits Gernhuber, in: FS Nikisch, 1958, S. 269). Auch eine Verortung bei § 311 Abs. 3 S. 1 BGB wurde diskutiert (Kilian, NZV 2004, 489 (494)). Der BGH hat die Frage in manchen Entscheidungen sogar explizit offengelassen. Für die Klausur dürfte es ausreichen, die in Betracht kommenden Anknüpfungspunkte kurz zu benennen.
2. Anspruchsvoraussetzungen
Nach der Rechtsprechung des BGH setzt der Anspruch nach den Grundsätzen des VSD folgende Merkmale voraus:
(1) Bestimmungsgemäße Leistungsnähe des Dritten
Der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der (Haupt-)Leistung in Berührung kommen und den Gefahren von Schutzpflichtverletzungen ebenso ausgesetzt sein wie der Gläubiger
(2) Gläubigernähe des Dritten
Der Gläubiger muss ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags haben
(3) Erkennbarkeit der Leistungs- und Gläubigernähe
Für den Schuldner müssen Leistungs- und Gläubigernähe des Dritten erkennbar und zumutbar sein.
(4) Schutzbedürfnis des Dritten
Für die Ausdehnung des Vertragsschutzes muss ein Bedürfnis bestehen. Dieses entfällt insbesondere, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche zustehen, die den identischen oder zumindest gleichwertigen Inhalt haben.
III. Rechtliche Würdigung des BGH
Der BGH stellt in seiner Entscheidung zunächst fest, dass bei einem VSD die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen wird, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Um die Haftung für den Schuldner jedoch nicht unkalkulierbar auszudehnen, sind an die Einbeziehung von Dritten in den vertraglichen Schutz strenge Anforderungen zu stellen (hierzu bereits BGH Urteil v. 17.11.2016 – III ZR 139/14, NJW RR-2017, 888).
Nach der Rechtsprechung des BGH trifft den Besteller bei einer Werkleistung die vertragliche Pflicht, alles ihm Zumutbare zu tun, um seinen Vertragspartner bei der Ausführung von Arbeiten vor Schaden zu bewahren. Stellt der Besteller das Grundstück oder Arbeitsgerät zur Verfügung, erstreckt sich seine vertragliche Pflicht auch darauf, im Rahmen des ihm Zumutbaren hiervon ausgehende Gefahren für den Vertragspartner zu vermeiden. Bei schuldhafter Verletzung dieser Schutzpflicht haftet der Besteller nach § 280 Abs. 1 BGB (so bereits BGH Urteil v. 24.01.2013 – VII ZR 98/12, NJW-RR 2013, 534). Gleiches gilt dem BGH zufolge, wenn infolge der Schutzpflichtverletzung Arbeitnehmer des Vertragspartners bei Ausführung von Arbeiten geschädigt werden. Das Gericht schlussfolgert: Bei Werkverträgen gehört es regelmäßig zum Vertragsinhalt, dass sich die vertraglichen Schutzpflichten des Bestellers auch auf die Arbeitnehmer des Vertragspartners erstrecken sollen. Der Vertrag zwischen Unternehmer und Besteller entfaltet mithin Schutzwirkung zugunsten dieses abgrenzbaren und bestimmbaren Personenkreises (vgl. BGH Urteil v. 15.06.1971 – VI ZR 262/69, NJW 1971, 1931). Sodann stellt der BGH fest, dass in dem Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Besteller letzterer auch für ein Verschulden seines Erfüllungsgehilfen gem. § 278 BGB haftet, soweit er diesen bei der Erfüllung seiner gegenüber dem Unternehmer und dessen Arbeitnehmer bestehenden Schutzpflichten eingebunden hat. A und B haben deshalb gegen den Brauereibetreiber Ansprüche auf Schadensersatz aus einem VSD (Werkvertrag zwischen der F. & R. GmbH und dem Brauereibetreiber).
Das Gericht stellt im Anschluss Erwägungen zu Ansprüchen von A und B gegenüber dem Gutachter aus einem VSD an. Entscheidend ist insofern nach Auffassung des Gerichts, dass die beiden Arbeitnehmer bereits von den vertraglichen Schutzpflichten des Bestellers umfasst werden. Deshalb kommt der BGH zu dem Ergebnis:
„Steht den Arbeitnehmern eines Unternehmers nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ein Schadensersatzanspruch gegen den Besteller einer Werkleistung zu, weil sie bei Ausführung der Arbeiten aufgrund einer schuldhaften Verletzung auch ihnen gegenüber bestehender vertraglicher Schutzpflichten durch den Besteller einen Schaden erleiden, scheidet ein weiterer Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter gegen einen vom Besteller beauftragten Dritten, der für die Schädigung mitverantwortlich ist und dessen Verschulden sich der Besteller nach BGB § 278 BGB zurechnen lassen muss, grundsätzlich aus.“
Maßgeblich für diese Wertung ist, dass die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer es regelmäßig nicht erfordert, neben dem Besteller einen weiteren Vertragsschuldner zur Verfügung zu stellen, mithin den Kreis der Haftenden zu erweitern. Der BGH argumentiert darüber hinaus damit, dass der Unternehmer – hätte er selbst den Schaden erlitten – aufgrund von § 278 BGB auch nur einen unmittelbaren Anspruch gegen den Besteller hätte. Einen vertraglichen Anspruch gegen den vom Besteller beauftragten Dritter (hier der Gutachter) wäre nach den Grundsätzen des VSD ausgeschieden. Gleiches muss deshalb gelten, wenn Arbeitnehmer geschädigt werden, da diese insoweit an die Stelle des Unternehmers treten. Andernfalls wären sie bessergestellt als der Unternehmer, da ihnen dann gegen zwei Schuldner inhaltsgleiche Ansprüche zustünden. Anders als die Vorinstanz noch annahm, bestand deshalb keine gesamtschuldnerische Haftung des Brauereibetreibers und Gutachters. Vielmehr war aufgrund von § 278 BGB und den o.g. Wertungen allein der Brauereibetreiber Anspruchsgegner der Arbeitnehmer A und B.
IV. Schlussfolgerung
Aus dem vermeintlichen Vierpersonenverhältnis wird mit der Entscheidung des BGH doch noch das klassische Dreipersonenverhältnis des VSD. Für die Klausur ist entscheidend, dass die unterschiedlichen Vertragsverhältnisse klar differenziert und die jeweilige Schutzbedürftigkeit der Geschädigten herausgearbeitet werden. Der Zugriff auf § 278 BGB liegt nahe, das Argument der hypothetischen Substitution des Unternehmers durch seine Arbeitnehmer dürfte jedoch nicht von jedem Prüfling erkannt werden. Insgesamt handelt es sich um eine äußerst prüfungsrelevante Entscheidung des BGH, die den Anwendungsbereich des VSD erneut konkretisiert.
Kann von Seiten des Brauereibetreibers eventuell noch eine Anfechtung von seiner Seite wegen Irrtumes über eine Eigenschaft eines Werkgegenstandes eingewendet sein?
Eine Anfechtung i.S.v. Paragraph 119 II scheidet nach meiner bescheidenen Meinung an folgenden internen (nur auf 119 II inhaltlich bezogen) sowie externen (Telos des Anfechtungsrechts generell) Gründen:
Intern:
I. Rechtliche und tatsächliche Gegebenheiten, sollen sie denn als willentlich eingehauchte Motive ausnahmsweise zur Anfechtung berechtigen, müssten in der Sache ursprünglich angelegt sein und sie damit an sich kennzeichnen bzw. unmittelbar von ihr ausgehen. Damit wird begriffsnotwendig ein gewisses Dauerelement vorausgesetzt. Dies ist bei Gefahrenquellen in Gebäuden i.d.R nicht zu behaupten, da sie ja gestillt und damit aus der Welt geschafft werden können (vorliegend die Kälteanlage). Anders wenn das Gebäude als architektonisches Konstrukt an sich eine Gefahrenquelle darstellt. Darum geht es hier aber nicht.
II. Auch ist wohl von keinem Auseinanderfallen des subjektiv Gewollten und objektiv Erklärten auszugehen, da es – nach dem Sachverhalt zu urteilen- hauptsächlich um umweltliche Gafahrenpoteltiale ging und nicht um solche Quellen strenggenommen, welche die unternehmerische Arbeit gefährden, verzögern etc. könnten.
Extern:
III. Einer Anfechtung – und dies ist wohl ausschlaggebend – stünde der Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen, unlauteren Anwendung entgegen. Denn hier ginge es nicht um einen vermeintlich irrig wahrgenommenen Vertragsgegenstand, sondern um eine Loslösung von Sorgfaltspflichten, indem dem Vertrag gekippt werden soll. Das Anfechtungsrecht soll der Willensfreiheit und damit der Privatautonomie Rechnung tragen; keineswegs soll es einen Ausweg für verschuldete Unannehmlichkeiten generieren (unabhängig davon, dass es eventuell Ansprüche aus c.i.c. oder Delikt geben könnte ).
Wobei sich schon schlicht und einfach die Frage stellt, welche Vorstellungen am 13. Juni (Vertragsschluss) zugegen waren bzw. ob die Arbeiten in mehrere vertragliche Abschnitte unterteilt waren. Rechtlich relrvante nachträgliche Motivirrtümer, auch im Gewande des 119 II, gibt es nämlich nicht.
Der werkvertragliche Vertragsgegenstand als „Sache“, hinsichtlich der ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum erwägbar sein kann, können Abrrucharbeiten gewesen sein. Für die bei Vertragsschluss vertraglich erforderlichen Arbeiten können vorhandene Gefahrenquellen vorerst, bis zur Beseitigung, dauerhaft verkehrswesentlich gewesen sein. Beseitigung kann nicht Vertragsinhalt sein und daher nicht einfach hypothetisch hineineinterpretierbar sein.
Das kann für eine Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtumes über eine eigenschaft der sache sprechen o.ä.
Man kann schwer ein mögliches Gestaltungsrecht als rechtsmissbräuchlich ansehen, weil einem Konsequenzen davon nicht leicht ins Bild passen.
Das Bild schiene hier, dass ein Drittschadensanspruch bestehen muss, und dass deshalb alles, was dagegen sprechen kann, rechtsmissbräuchlich sein muss. Das kann ein wenig nach einem mit einem vorweggenommenen Ergebenis begründeten Ergebnis sprechen.
Eine Anfechtung muss hier nicht zum Ausschluss aller Anspruchsmöglichkeiten führen. Es kann etwa nur zu einer Anspruchsverlagerung auf andere führen. Was daran rechtsmissbräuchlich sein muss, kann noch einer weitergehenden zwingend überzeugenden Begründung bedürfen.
Ungeachtet der Erwägung in meinem 2. Kommentar, dass hier wohl chronologische Gründe gegen ein mögliches Anfechtungsrecht sprechen ( nachträgliche Motivirrung):
Unter Sachen im Sinne von § 119 Abs. 2 sind neben körperlichen Gegenständen auch unkörperliche zu verstehen, insbesondere Rechte und Sachgesamtheiten. Abbrucharbeiten, als einfache tatsächliche Gegebenheit, unter den rechtssprachlich gesteuerten Begriff der ,,Sache“ zu subsumieren erscheint mir vom historischen-teleologischen, grammatisch-teleologischen und auch systematisch-teleogischen Blickwinkel methodisch inkorrekt. Oder um es einmal mit juristisch inkorrekten Worten zu sagen: es ist überzogen und total konstruiert. Das gleiche gilt, wenn ein Vertragsverhältnis in dem Abbrucharbeiten stattfinden sollen, als ,,Sache“ gemeint war. Der Eigenschaftsirrtum als ausnahmsweise bedeutender Motivirrtum ist restriktiv zu handhaben.
Da mir eine zirkuläre Argumentationsweise vorgeworfen wird, in der ich ,,vom Ergebnis her“ gedacht haben soll, will ich mich einmal zur Wehr setzen; da mir so harte methodologische Schlamperei vorgehalten wird.
Sicherlich ist es unsauber, wenn eine Argumentationslinie von vornherein mit gewünschten Ergebnissen vergiftet ist. Dies ist mir aber nicht unterlaufen. Ich habe Sinn und Zweck der Anfechtung vor dem Hintergrund der Informationen, die der Sachverhalt liefert, analysiert; insbesondere welche Auswirkungen eine Anfechtung hätte und welcher Zweck eigentlich damit wirklich verfolgt werden würde.Vor allem im Anfechtungsrecht ist es in der Jurisprudenz gang und gäbe das Verhalten des Anfechtungsaussprechenden und seine möglichen Intentionen mitzuberücksichtigen ( Anfechtung eines Verkäufers in Konkurrenz zu den Gewährleistungsrechten, Doppelirrtümer, Anfechtung als Reuerecht, nur um wenige Beispiele anzuführen). Vor diesem Hintergrund schien mir eine Anfechtung an den Haaren herbeigezogen, anders gesprochen: rechtsmissbräuchlich eingesetzt. Denn unter dem Strich wird ein über § 278 zurechenbarer, nicht vermiedener Sorgfaltsverstoß (mit schweren Folgen!) zur Anfechtung ausgenutzt. Die Gefahrenquelle die ja im Lichte der Nebenpflichten aus § 241 II BGB beseitigt werden sollte, soll jetzt über einen sich mir nicht erschließenden konstruierten Weg als Eigenschaft irgendeiner Sache zur Anfechtung berechtigten. Als perverse Rechtsfolge würde sich ergeben, unvorsichtiger und schlampiger denn je zu sein, da man sich dann total verdutzt auf einen Irrtum berufen kann, weil man ,, das ja gar nicht so wollte und auch nicht wusste und die Willenserklärung überhaupt nie so abgegeben worden wäre“. All dies führt zu einer – offensichtlich – rechtsmissbräuchlichen Handhabe: Es geht nicht um die Wiederherstellung des falsch ausgedrückten Willens, sondern um ein Lossagen eines Vertrages mit unangenehmen, sicherlich auch einschneidende Folgen.
Nichtsdestominder scheitert man m.M. nach an der zeitlichen Chronologie der Willenserklärungen und erst Recht an § 119 II BGB.
Vertragsinhalt (wie hier Abbruchwerkarbeit) soll weithin grundsätzlich unkörperliche Sache iSe. Anfechtungsrechtes sein können.
Das Gelände mit Gefahrenquelle war zudem Sache. Gefahrfreiheit kann dauerhafte Eigenschaft sein.
Darüber scheint später und damit bereits bei Vetragsschluss Irrtum iSv. Nichtkenntnis vorgelegen zu haben.
Bei Kenntnis und damit Nichtirrtum kann der Vertrag mit seinen Pflichten anders geschlossen sein. Das kann grundsätzlich Anfechtungsmöglichkeit offen lassen.
Es als pervers anzusehen, dadurch vertragliche Pflichten („rechtsmissbräuchlich“) gestalten zu können, kann eben von einem erwünschten Ergebnis her begründet sein.
So, als wenn man die Anfechtung eines Mietvertrages als rechtsmissbrächlich ausschließen möchte, wenn damit eine Mietzinspflicht gestaltbar sein soll.
Das Recht scheint stets Konstruktion. Konstruiertheit allein scheint rechtliche Erheblichkeit nicht ausschließen zu können.
Eine Anfechtung kann schlüssig erklärt sein und braucht nicht so ausdrücklich bezeichnet zu sein.
Zurückhaltung gegen Haftungsverantwortung für eine Störungsquelle kann für diesbezüglich mangelnden Vertragsbindungswillen und schlüssige Anfechtung sprechen.
Das muss nicht sonstige schlüssige weitere neue Vertragsfortführung ausschließen.
Die Diskussion läuft ins Leere. Sie liegen richtig, Recht hat immer etwas mit Konstruktion zu tun. Das BGB z.B. ist eine sehr intelligente, logische, wie auch stringente Konstruktion. Ihr Lösungsvorschlag hingegen – in meinen Augen – leider nicht.
Der Sachverhalt gibt her, dass mit Umweltgefährdungen gerechnet werden musste. Wozu wird denn auch sonst ein Gutachter seitens des – in Ihren Augen- Anfechtungsberechtigten bestellt ? Eben um Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Jetzt ist dies misslungen. Und genau dieser Umstand soll nun 1. einen nachträglichen Irrtum hervorrufen und 2. Zur Anfechtung berechtigten. Der vorgeschlagene Nexus – eine Verletzung der Sorgfaltspflicht führt anschließend eben aufgrund dieser Verletzung zu einem (nachträglichen) Irrtum, welche den Verletzenden dann schützen (!) soll, indem er zur Anfechtung seiner WE desjenigen Vertrages, im Rahmen dessen der Nebenpflichtverstoß unterlaufen ist , berechtigt ist – ist aus unter den gängigen Methoden nicht haltbar. Davon weicht ihre Meinung ab – dass darf sie auch . Wir sollten dennoch einen Schlussstrich ziehen und es dabei belassen.
Schöner knackiger Beitrag!
Eine kurze Frage,
kommen noch deliktische Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Gutachter in Betracht? Wäre das der Fall, würde eine gesamtschuldnerische Haftung mit der Vorinstanz doch vorliegen (?)