BGH: Mieter muss bunt gestrichene Wände bei Auszug weißen
Der BGH hat mit Urteil vom 6.11.2013 – VIII ZR 416/12 entschieden, dass der Mieter bei Auszug aus seiner Wohnung verpflichtet ist, diese in neutralen Farben zurückzugeben, sofern dieser Zustand schon bei Einzug bestand.
I. Sachverhalt und Entscheidung
„Die Beklagten waren von Anfang 2007 bis Juli 2009 Mieter einer Doppelhaushälfte der Klägerin. Die Beklagten, die das Objekt frisch in weißer Farbe renoviert übernommen hatten, strichen einzelne Wände in kräftigen Farben (rot, gelb, blau) und gaben es in diesem Zustand zurück. Die Klägerin ließ im August 2009 die farbig gestalteten Wände zunächst mit Haftgrund und dann alle Wand- und Deckenflächen zweimal mit Wandfarbe überstreichen. Sie wendete hierfür einen Betrag von 3.648,82 Euro auf.“
„Der BGH hat entschieden, dass der Mieter gemäß §§ 535, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine in neutraler Dekoration übernommene Wohnung bei Mietende in einem ausgefallenen farblichen Zustand zurückgibt, der von vielen Mietinteressenten nicht akzeptiert wird und eine Neuvermietung der Wohnung praktisch unmöglich macht. Der Schaden des Vermieters bestehe darin, dass er die für breite Mieterkreise nicht akzeptable Art der Dekoration beseitigen muss.“
II. Rechtliche Erwägungen
Bislang liegt nur eine Pressemitteilung vor, aus der die Gründe für die Entscheidung wie üblich nicht hervorgehen.
Der BGH löst den Fall aber offenbar über einen Schadensersatzanspruch aus Nebenpflichtverletzung, §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, 535 BGB. Er nimmt somit an, dass der Mieter eine Nebenpflicht verletzt, wenn er eine Wohnung in einem derart im Vergleich zum Ausgangszustand veränderten Zustand zurückgibt, dass der Vermieter praktisch keine Vermietungsmöglichkeit mehr hat.
Diese Nebenpflicht lässt sich im Regelungszusammenhang des § 546 Abs. 1 BGB konstruieren. Danach hat der Mieter nach Ende der Mietzeit die Mietsache an den Vermieter zurückzugeben. Zwar ist hier ausdrücklich der Zustand der Mietsache, in der sie zurückzugeben ist, nicht geregelt. Zunächst gilt hier der Vorrang der (wirksamen) vertraglichen Vereinbarung. Vermieter und Mieter können bspw. vereinbaren, dass die Wohnung bei Rückgabe „besenrein“ sein muss. Grenzen werden der Vereinbarungsfreiheit hier durch die in der Regel durchzuführende AGB-Kontrolle gesetzt, §§ 305, 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB.
Liegt keine (wirksame) Vereinbarung vor, stellt sich die Frage nach einer gesetzlichen Lösung. Hier wird allgemein davon ausgegangen, dass die Wohnung sich in einem „ordnungsgemäßen Zustand“ befinden muss (BeckOK-BGB/Ehlert, § 546 Rn. 14). Ordnungsgemäß ist grundsätzlich der bei Einzug bestehende Zustand, sofern Schönheitsreparaturen wie üblich wirksam auf den Mieter übertragen wurden; andernfalls der Zustand, welcher der üblichen Abnutzung entspricht (BGH NJW 2008, 2432: Schwarzfärbung). Verändert der Mieter nun aber freiwillig den Zustand der Mietsache, hängt das Vorliegen einer Nebenpflichtverletzung davon ab, ob der Vermieter durch diese Veränderung benachteiligt wird. Es ist also, so lese ich die Entscheidung des BGH, ein Vergleich zwischen dem Zustand der Mietsache bei Bezug (hier: frisch weiß gestrichene Wände) und Auszug anzustellen (hier: bunte Wände) (so auch schon KG Berlin, ZMR 2010, 956; AG Kassel WuM 2011, 467). Gewisse Abweichungen sind also möglich, sofern der jetzige Zustand noch dem Ausgangszustand auch hinsichtlich seiner Vermietbarkeit vergleichbar ist. Interessant wäre die Beurteilung eines Falles, in dem die Wände schon grell Pink gestrichen waren und dann in eine andere grelle Farbe geändert werden. Knüpft man allein an die Ordnungsgemäßheit und Vermietbarkeit an, läge wohl keine Pflichtverletzung vor; grell ist grell. Entschieden ist das freilich nicht.
Anders aber, wenn weiße Wände bunt gestrichen werden. Hierin liegt eindeutig eine starke Veränderung, sodass der Zustand nicht mehr ordnungsgemäß ist, weswegen der Mieter eine Nebenpflicht verletzt.
Das Abstellen auf die „praktische Unvermietbarkeit“, die der BGH vornimmt, erscheint aber nicht unbedingt notwendig – hierauf kommt es gar nicht an. Der Mieter hat selbstverständlich nicht die Pflicht, die Mietsache so zu übergeben, dass der Vermieter bestmögliche Weitervermietungsmöglichkeiten hat. Insoweit ist die Pressemitteilung etwas missverständlich. Gemeint ist hier vielmehr, dass sich aus der Tatsache, dass der jetzige Zustand derart weit vom Ausgangszustand entfernt ist, ergibt, dass die Sache praktisch unvermietbar werde. Maßgebend bleibt also allein der Vergleich zwischen Ein- und Auszug.
III. Praktische Folgen
Folge der Entscheidung ist, dass Mieter bei Auszug nun genau aufpassen müssen, ob sich die Mietsache in einem ordnungsgemäßen Zustand befindet. Maßgebend wird ein Vergleich zum Ausgangszustand sein. Dass der Mieter die Mietsache nicht farblich völlig verändert zurückgeben kann, liegt aber auf der Hand. Als Vergleichsfall bietet sich ein gemietetes Auto an: Man stelle sich vor dieses wäre in dezentem Schwarz gehalten und der Mieter veränderte es nun in ein grelles Gelb. Diesen Zustand kann man dann verglichen mit dem Ausgangszustand nicht mehr als ordnungsgemäß bezeichnen. Es wäre schlicht unvermietbar. Nichts anderes kann bei farblicher Änderung der Wände einer Wohnung gelten.
Daher ist dem BGH in seiner Entscheidung ausdrücklich zuzustimmen und abzuwarten, ob seine rechtlichen Erwägungen in eine ähnliche Richtung gehen.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!