BGH: Keine Begrenzung einer von Dritten gewährten Mietsicherheit
Mit Urteil vom 10.04.2013 (VIII ZR 379/12) hat der BGH entschieden, dass die einem Vermieter durch einen Dritten zur Abwendung einer Zahlungsverzugs-Kündigung gewährte Sicherheit nicht (wie die sog. Mietkaution) auf drei Monatsmieten (§ 551 Abs. 1, 4 BGB) begrenzt ist. Wir hatten auf dieses Urteil bereits kürzlich in unserer Rechtsprechungsübersicht hingewiesen.
A. Sachverhalt:
Der Bruder (nachfolgend: Mieter) der späteren Beklagen schloss mit dem Kläger einen Mietvertrag über eine Wohnung des Klägers (350 Euro Kaltmiete zzgl. 95 Euro Nebenkosten). Für Zwecke der Mietsicherheit wurde ein Kautionssparbuch angelegt. Der Mieter geriet in der Folgezeit zunächst mit zwei Monatsmieten in Rückstand, woraufhin der Beklagte die Kündigung wegen Zahlungsverzugs androhte. Die Schwester des Mieters und spätere Beklagte überzeugte den Kläger, zur Befriedigung der offenen Forderungen die Mietkaution zu verwenden und von der Kündigung Abstand zu nehmen. Im Gegenzug schloss die Beklagte mit dem Kläger einen Bürgschaftsvertrag, der u.a. folgende Regelungen zum Gegenstand hatte:
Hiermit verbürge ich mich für die Mietzahlungen des Hr. V. in der Wohnung Nr. , M. gegenüber dem Vermieter, Hr. B. .
Die Bürgschaft endet automatisch bei vollständiger Begleichung aller Mieten und Mietnebenkosten zum Ende des Mietverhältnisses.
Da der Mieter erneut in Zahlungsrückstand geriet, kündigte der Kläger das Mietverhältnis fristlos und erstritt vor Gericht neben dem Räumungstitel einen Zahlungstitel in Höhe von ca. 7000 Euro. Wegen dieses Anspruch nimmt er nunmehr die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch.
B. Rechtliche Würdigung:
I. Anspruchsgrundlage: § 765 Abs. 1 BGB
Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklage, gerichtet auf Zahlung der 7000 Euro, könnte sich aus § 765 Abs. 1 BGB ergeben. Voraussetzung ist das Bestehen einer (zu sichernden) Hauptforderung und der Abschluss eines Bürgschaftsvertrages.
II. Hauptforderung
Die gesicherte Forderung des Klägers auf Zahlung von 7000 Euro ergibt sich aus § 535 Abs. 2 BGB und wurde bereits gerichtlich tituliert. Insoweit ergeben sich keine Schwierigkeiten.
III. Bürgschaftsvertrag
Zwar schlossen der Kläger und die Beklagten schriftlich (§ 766 Satz 1 BGB) einen Bürgschaftsvertrag ab. Die Beklagte macht allerdings geltend, dieser sei dahingehend auszulegen, dass sich die Bürgschaftsverpflichtung (in Anlehnung an die Mietkaution) auf einen Betrag von drei Monatsmieten beschränke. Die Mietkaution dürfe nämlich grds. höchstens das Dreifache der auf einen Monat entfallenden Kaltmiete betragen (§ 551 Abs. 1 BGB). Davon könne zum Nachteil des Mieters auch nicht durch Vereibarungen abgewichen werden (§ 551 Abs. 4 BGB). Ihre Bürgschaft aber habe lediglich an die Stelle der Mietkaution treten sollen, weshalb die Höhe der Bürgschaft ungeachtet ihres Wortlauts auf den ursprünglich auf dem Kautionssparbuch vorhandenen Betrag begrenzt sei.
Eine solche Begrenzung der Bürgschaftsverpflichtung ist grundsätzlich zulässig. Ergeben sich insoweit Zweifel ist durch Auslegung des Bürgschaftsvertrags zu ermitteln, ob und in welcher Höhe die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner von der übernommenen Bürgschaft gedeckt ist (st. Rspr., siehe etwa die Nachweise bei Habersack, im Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, Rn. 77).
- Einschränkende Auslegung des § 551 Abs. 1, 4 BGB nach dem Schutzzweck der Norm
Der BGH verneint im vorliegenden Fall jedoch eine der Ansicht der Beklagten entsprechende Auslegung, da § 551 Abs. 1, 4 BGB im Hinblick auf von Dritten gewährte Sicherheiten einschränkend auszulegen sei:
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass § 551 Abs. 1, 4 BGB entsprechend seinem Schutzzweck einschränkend dahin auszulegen ist, dass er keine Anwendung auf eine Sicherheit findet, die dem Vermieter von einem Dritten zur Abwendung einer drohenden Kündigung wegen Zahlungsverzugs gewährt wird.
Die Begrenzung der Mietsicherheit auf drei Monatsmieten dient dem schutzwürdigen Interesse des Mieters vor zu hohen Belastungen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll damit Erschwerungen für den Abschluss eines Mietvertrages entgegengewirkt werden, die in mobilitätshemmender Weise von hohen Kautionsforderungen ausgehen können (vgl. BT-Drucks. 9/2079, Seite 10). Das Sicherungsinteresse des Vermieters wird demgegenüber eingeschränkt.
Bereits entschieden ist, dass diese den Mieter schützende Erwägung nicht greift, wenn die Eltern von sich aus für ihre Kinder gegenüber dem Vermieter eine Bürgschaftsverpflichtung für den Fall eines Vertragsschlusses zusagen. Die gesetzliche Begrenzung der Mietsicherheit steht der wirksamen Übernahme einer Bürgschaft durch die Eltern dann nicht entgegen (BGH, Urteil vom 7. Juni 1990 – IX ZR 16/90, BGHZ 111, 361, 363 = NJW 1990, 2380).
Dieser Rechtsprechung führt der BGH im vorliegenden Fall fort:
Ähnlich verhält es sich bei einer Sicherheit, die – wie hier – im laufenden Mietverhältnis zur Abwendung einer drohenden Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs gewährt wird. Ein unabdingbares Verbot, in dieser Situation eine drei Monatsmieten übersteigende Sicherheit zu vereinbaren, würde in erster Linie den Mieter benachteiligen, weil der Vermieter in diesem Fall keine wirksame zusätzliche Sicherheit erhalten könnte und die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen des eingetretenen Zahlungsverzuges die Folge wäre; die dem Schutz des Mieters dienende Begrenzung der Mietsicherheit würde damit in ihr Gegenteil verkehrt. Auf eine Kaution, mit der eine drohende Zahlungsverzugskündigung des Vermieters abgewendet werden soll, findet § 551 Abs. 1, 4 BGB deshalb generell keine Anwendung; darauf, ob der Bürge eine derartige Sicherheit unaufgefordert beigebracht oder der Vermieter eine zusätzliche Sicherheit verlangt hat, kommt es nicht an.
Der Kläger hat folglich im Ergebnis einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 7000 Euro aus § 765 ABs. 1 BGB.
C. Fazit
Die vorliegende Entscheidung des BGH an der Schnittstelle von Bürgschaft und Mietrecht ist relativ kurz. Die Auslegung des Bürgschaftsvertrages im Lichte mietrechtlicher Schutzzwecke eignet sich aber besonders gut für die Verwendung in einer Examensklausur. Der Schutzgedanke des Mietrechts, wie er etwa in der Begrenzung der Höhe einer Mietkaution zum Ausdruck kommt, betrifft typischerweise eben nur das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Im Verhältnis zu Dritten ist eine Einschränkung anerkennenswerter Interessen des Vermieters (wie etwa seines Sicherungsinteresses) möglicherweise nicht erforderlich. Wie der BGH erkennt, würde die Anwendung des § 551 Abs. 1, 4 BGB den Mieterschutz vorliegend sogar in sein Gegenteil verkehren, da es dem Vermieter nicht möglich wäre, eine zusätzliche Sicherheit zu erlangen und er sich dann erst recht zur fristlosen Kündigung veranlasst sähe.
An dieser Stelle sei auch noch einmal auf unseren Beitrag zu den jüngsten Gesetzesänderungen durch das MietrechtsänderungsG hingewiesen.
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