BGH: Höhe der Stundensätze im Rahmen einer Reparaturkostenabrechnung infolge eines Verkehrsunfalls
Problem
Es hat gekracht, der andere zahlt (z.B. §§ 7, 18 StVG, § 823 BGB). Fragt sich nur, wie viel? Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, § 249 Abs. 1 BGB. Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Was aber ist „erforderlich“? Nach § 254 Abs. 2 BGB obliegt (Obliegenheit!) es dem Verletzten, den Eintritt eines außergewöhnlich hohen Schadens abzuwenden. Bei einem Verkehrsunfall stellt sich die Frage, ob der Geschädigte einen Anspruch darauf hat, bei einer Markenwerkstatt zu höheren Kosten die Reparatur durchführen zu lassen, oder ob er sich auf eine günstigere Werkstatt verweisen lassen muss, die aber nicht zum Markennetz gehört. Der BGH war bislang der Auffassung, dass der Schädiger grundsätzlich den üblichen Stundensatz einer markengebundenen Fachwerksatt verlangen darf, wenn ein Sachverständiger diesen als regionalen üblichen Marktpreis ermittelt hat (BGHZ 155, 1). Will der Schädiger den Geschädigten gleichwohl auf eine freie Fachwerkstatt verweisen, muss er darlegen, dass diese in gleicher Qualität den Schaden zu beheben imstande ist.
Entscheidung
Der VI. Zivilsenat hält in einem Urteil vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09 – an diesen Grundsätzen fest, präzisiert seine Rechtsprechung aber. Danach kann es aus mehreren Gründen unzumutbar sein, zu einer günstigeren Nichtmarkenwerkstatt zu gehen, obwohl diese dieselbe Qualität liefert: „…Dies gilt insbesondere für Fahrzeuge bis zum Alter von 3 Jahren. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf andere Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten, einer Herstellergarantie und/oder Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten. Auch bei älteren Kraftfahrzeugen kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Geschädigte konkret darlegt, dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch eine konkrete Reparaturrechnung belegt (BGH-Pressemitteilung Nr. 216/2009).“
Bewertung
Der Entscheidung ist hinsichtlich sogenannter Neuwagen sicherlich zuzustimmen, denn der Grundsatz des Naturalrestitution verbietet es, den Geschädigten mit dem Nachteil zu belasten, Garantie- oder Kulanzansprüche gegen den Hersteller oder die Markenwerkstatt zu verlieren. Für eine Examensklaussur könnte ich mir den Sachverhalt weiter so vorstellen, dass der Schädiger geltend macht, die Garantie-AGB der Werkstatt seien unwirksam (dazu etwa BGH-Urteil vom 14. Oktober 2009 – VIII ZR 354/08). Kann der Schädiger sich im Verhältnis zum Geschädigten darauf berufen? Dagegen spricht die Relativität des Schuldverhältnisses Geschädigter-Hersteller/Werkstatt. Dafür spricht die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB.
Für problematisch halte ich das Urteil, soweit es sich auf Gebrauchtwagen bezieht. Nur weil jemand seinen Wagen immer zu derselben Werkstatt bringt („Dat ham wa schon imma so jemacht!“), darf der Schädiger nicht mit höheren Kosten belastet werden. Anderes gilt natürlich, wenn die Werkstatt dem Geschädigten Sonderkonditionen – etwa aus Kundentreueprogrammen – einräumt.
Katze!
Miau! 🙂