BGH: Anspruch des Käufers auf Ersatz von Aufwendungen zum Auffinden eines Mangels
In einer aktuellen Entscheidung vom 27.06.2014 – VIII ZR 275/13 hat der BGH entschieden, dass ein Käufer nach § 439 Abs. 2 BGB auch die Kosten für das Auffinden eines Mangels als Aufwendungsersatzanspruch vom Verkäufern verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn er später statt Nacherfüllung eine Minderung des Kaufpreises geltend macht.
I. Sachverhalt
„Die Kläger kauften im Herbst 2009 bei der Beklagten, die mit Bodenbelägen handelt, Massivholzfertigparkett, das sie anschließend durch einen Schreiner in ihr Wohnhaus einbauen ließen. Dieser ging dabei nach einer von der Beklagten mitgelieferten Verlegeanleitung vor, die von der Streithelferin der Beklagten als der Herstellerin des Parketts stammte. In der Folgezeit traten an dem verlegten Parkett u.a. Verwölbungen auf. Die von den Klägern erhobene Mängelrüge wies die Beklagte zurück, weil die Veränderungen nach deren Einschätzung auf einer zu geringen Raumfeuchte beruhten. Die Kläger beauftragten daraufhin einen Privatsachverständigen mit der Begutachtung der Mangelerscheinungen und wandten dafür 1.258,72 Euro an Sachverständigenhonorar auf. Als Gutachtensergebnis stellte sich heraus, dass die Veränderungen des Bodenbelages auf eine in diesem Fall ungeeignete, in der mitgelieferten Verlegeanleitung so aber als zulässig und möglich empfohlene Art der Verlegung zurückzuführen war. Hierauf gestützt, begehrten die Kläger anschließend eine Minderung des Kaufpreises um 30 Prozent.“
II. Entscheidung des BGH
Der Käufer machte nun einen Anspruch i.H.d. Sachverständigenkosten gegen den Verkäufer aus § 439 Abs. 2 BGB als Aufwendungsersatzanspruch geltend.
Zunächst klärt der BGH die Rechtsnatur und Voraussetzungen eines Anspruches aus § 439 Abs. 2 BGB:
„§ 439 Abs. 2 BGB bestimmt, dass der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat. Der BGH hat in anderem Zusammenhang bisher ausgesprochen, dass es sich hierbei um eine Kostentragungsregelung mit Anspruchscharakter handelt, welche die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll, dabei aber keine Rückschlüsse auf sonstige Rechte und Pflichten der Kaufvertragsparteien zulässt (BGH, Urt. v. 13.04.2011 – VIII ZR 220/10 – BGHZ 189, 196 Rn. 23 ff., 37). Außerdem muss in zeitlicher Hinsicht der Vollzug des Kaufvertrags bei Entstehung der Aufwendungen sich bereits im Stadium der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB befinden (BGH, Urt. v. 15.07.2008 – VIII ZR 211/07 – BGHZ 177, 224 Rn. 9), und letztlich muss ein Mangel tatsächlich vorliegen (vgl. BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05 – WM 2006, 1355 Rn. 21).“
Fraglich war nun, ob auch die Kosten zur Aufdeckung eines Mangels „zum Zwecke der Nacherfüllung“ erfolgen und somit erforderlich nach § 439 Abs. 2 BGB sind.
1. § 439 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage
In der Literatur wird teilweise vertreten, dass § 439 Abs. 2 BGB nur solche Aufwendungsersatzansprüche umfasse, die unmittelbar mit der Behebung des Mangels zusammenhängen (MüKoBGB/Westermann, 6. Aufl. 2012, § 439 Rn. 15; zur Frage, ob § 439 Abs. 2 BGb selbst eine eigene Anspruchsgrundlage darstellt, s. Bamberger/Roth/Fuchs, 31. Ed. 2011, § 439 Rn. 21). Der BGH hingegen sieht in § 439 Abs. 2 BGB eine eigene Anspruchsgrundlage (BGH NJW 1991, 1604). Zudem umfasse § 439 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch die Kosten für das Auffinden eines Mangels, da diese „zum Zwecke der Nacherfüllung“ erfolgten. Ein Sachverständigengutachten sei hierzu regelmäßig erforderlich und somit ersatzfähig. Begründet wird dies zum einen mit dem Wortlaut, da die Zielrichtung der Vorbereitung von Nacherfüllungsansprüchen gerade zu deren Zweck im Sinne der Vorschrift erfolgt. Historisch gesehen beruht § 439 Abs. 2 BGB auf § 476 a.F. BGB, zu dem der BGH gleichlaufend schon eine Ersatzfähigkeit von vorbereitenden, aufklärenden Maßnahmen durch den Käufer als umfasst angesehen hatte (BGH NJW 1991, 1604). Dem stehe auch nicht die zugrunde liegende RL 1999/44/EG entgegen, die für die Ersatzfähigkeit solcher Kosten ein Verschulden des Verkäufers erfordert (Art. 8 Abs. 2). Die RL 1999/44/EG ist bloße Mindestvorgabe und dient nicht der Vollharmonisierung, so dass der nationale Gesetzgeber über deren Anforderungen hinaus gehen kann, um ein höheren Schutzniveau für Verbraucher zu realisieren.
2. Ausschluss durch Übergang zur Minderung, § 441 BGB
Der Verkäufer machte nun geltend, dass die Aufklärungskosten nach § 439 Abs. 2 BGB jedenfalls dann ausgeschlossen sein müssten, wenn der Käufer später gar keine Nacherfüllung mehr geltend mache, sondern zur Minderung nach § 441 BGB übergehe. Dann seien die Sachverständigenkosten nicht mehr „zum Zwecke der Nacherfüllung“ erfolgt. Dieser Auslegung tritt der BGH entgegen: Es komme auf den Zeitpunkt des Anfallens der Kosten an; in diesem wollte der Käufer ja noch Nacherfüllung geltend machen. Die Zweckbindung entfalle nicht nachträglich. Ein teleologisches Argument führt der BGH zumindest in der Pressemitteilung nicht an. Würde man bei Fehlen eines späteren Nacherfüllungsverlanges einen Anspruch hinsichtlich der Aufklärungskosten aus § 439 Abs. 2 BGB verneinen, hätte der Verkäufer es durch sein vertragswidriges Verweigern der Nacherfüllung in der Hand, diese Kosten zu vermeiden. Hinzu kommt, dass die Rechte und Ansprüche aus § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB letztlich an einen Nacherfüllungsanspruch anknüpfen und diesen fortführen. Der Käufer kann also neben sekundären Rechten wie Minderung etc. parallel einen Anspruch aus § 439 Abs. 2 BGB auf Erstattung der Mängelaufklärungskosten geltend machen.
III. BGH stärkt Käuferrechte
Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen. Wertungstechnisch verlagert sie das Risiko der Aufdeckungskosten eines Mangels zu Recht auf den Verkäufer, soweit es sich um „erforderliche“ Kosten handelt. Die Konstellation sollte Examenskandidaten auf jeden Fall bekannt sein. Insbesondere die Rechtsnatur des § 439 Abs. 2 BGB und die Wendung „zum Zwecke der Nacherfüllung“ sollten ein Begriff sein, um in der Klausur eine gute Argumentation zeigen zu können. Ein anderes Ergebnis als der BGH zu vertreten ist mE aufgrund der genannten wertungstechnischen Gesichtspunkte nicht zu empfehlen.
Schöner Beitrag. Knapp und verständlich formuliert.
Man könnte sich noch fragen, ob dies auch für Unternehmer als Käufer gilt (m.E. wohl ja, wenn der BGH in seiner Entscheidung sich nicht auf die Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf stützt) und was gilt, wenn eine Nacherfüllung von Anfang an ausgeschlossen ist, etwa wegen Unmöglichkeit von Nachlieferung und Nachbesserung (Klassiker: Gebrauchtwagenkauf und es handelt sich um einen Unfallwagen).
Im letzten Fall ist es von Anfang an ausgeschlossen, dass der Käufer Nacherfüllung geltend machen kann. Dann wird es schwierig, mit dem Wortlaut von § 439 II BGB. Man könnte vielleicht argumentieren, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 476 a.F. BGB (der mir zugegebenermaßen unbekannt ist) nicht einschränken wollte.
Ich verstehe nicht wie der Verkäufer durch Verweigerung der Nacherfüllung die Kosten für die Mangelerforschung abwehren kann.
Der Käufer könnte auf Nacherfüllung klagen und dann vollstrecken die Verweigerung der Nacherfüllung seitens des Verkäufers wäre hier irrelevant.
Der Käufer könnte aber auch gem 441 mindern, ohne dass dadurch sein Anspruch auf Nacherfüllung (Kostenerstattung) für die Vergangenheit entfiele, da 441 auf das Rücktrittsrecht und in Abs. 4 auf die Rechtsfolgen des 346 verweist. Der Rücktritt hat aber keine ex-tunc-Wirkung, sondern modifiziert das Rechtsverhältnis für die Zukunft, was auch für die Minderung gelten müsste.