Bayer Leverkusen bekommt Schadensersatz wegen Verletzung eines Spielers
Folgende Meldung wird in den Medien in den letzten Tagen verbreitet: Der Bundesligist Bayer Leverkusen hat gegen zwei Anhänger des 1. FC Köln einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 100.000 Euro erhalten. Hintergrund war, dass die beiden Fans den Spieler Michael Kadlec vor knapp 2 Jahren bei einer Schlägerei das Nasenbein gebrochen hatten und dieser damit mehrere Wochen vom Spielbetrieb ausfiel.
Nun stellt man sich die Frage, woraus dieser Anspruch resultiert:
- Unproblematisch hat der Spieler gegen die Schläger einen Anspruch aus § 823 Abs.1 und Abs. 2 BGB der sich sowohl auf die Erstattung der materiellen Schäden (Behandlungskosten etc.) – vgl. § 249 BGB – als auch auf immaterielle Schäden (§ 253 Abs. 2 BGB) bezieht.
- Ein Anspruch des Vereins gegen die Schädiger ist hingegen schwieriger. Zwar liegt hier auch ein Schaden vor (Ausfall des Spielers als Arbeitnehmer; Weitergewährung des Lohns § 3 EFZG) eine Verletzung eines von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsguts ist aber problematisch, da insbesondere ein Eingriff in den Gewerbebetrieb hier wohl an der Betriebsbezogenheit scheitert.
- Aus diesem Grund enthält § 6 EFZG eine Spezialnorm. Hier liegt ein gesetzlicher Forderungsübergang vor. Der Schädiger soll durch die Entgeltfortzahlung nicht privilegiert werden. Obwohl der Arbeitnehmer also keinen Verdienstausfall hat, wird ein solcher als Schaden angesehen und geht dann aber direkt auf den Arbeitgeber über. Anspruchsgrundlage ist damit hier § 6 EFZG iVm. § 823 Abs. 1 und 2 BGB.
Die Prüfung dieses Falles eignet sich sehr gut für eine mündliche Prüfung, da Bekanntes und unbekanntes verknüpft wird.
Der Fall lässt sich auch noch modifizieren: Ein Spieler wird während eines Fußballspiels von seinem Gegner verletzt und fällt dadurch länger aus. Hat auch hier der Verein einen Anspruch gegen den foulenden Spieler? Dies wäre nach dem eben Gesagten dann zu bejahen, wenn der Spieler selbst gegen den ihn foulenden Spieler einen Anspruch insbes. aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB hätte. Hier ist zwischen den verschiedenen Formen des Foulspiels zu unterscheiden; eine Haftung kommt allein bei grob regelwidriger Spielweise in Betracht. Die Grenzen sind hier aber fließend.
Da Kadlec selbst von den Tätern bereits 120.000€ Schadensersatz bekommen hat, fällt anscheinend unter den Tisch. Nun müssen die Täter nochmal zahlen und damit faktisch einen Drittschaden ersetzen, der normalerweise in das Betriebsrisiko des Vereins fällt. Mal abgesehen davon sitzen Ersatzspieler auf der Bank.
Ich bezweifle jedenfalls, dass das alles noch vom Telos des EFZG gedeckt ist, denn damit platzt jeder Schulfall zum nichtersatzfähigen Drittschaden, bei dem ein Arbeitnehmer in einen Unfall verwickelt wird und deshalb nicht zur Arbeit kommen kann.
Fussballer mit Millionengehältern – und der Weisung zum Toreschießen – passen offensichtlich doch nicht in den traditionellen Arbeitnehmerbegriff.
Vielleicht sollte man für die Täter sowas die analogen Grundsätze der „gefahrgeneigten Schlägerei“ einführen und den Schadensanspruch deckeln. Wer einem unerkannten Bundesligaprofi im Bierlokal eins in die Fresse schlägt, kann Privatinsolvenz anmelden.
*Dass*
Der Unterschied zu den beschriebenen Schulfällen liegt in der Verschuldensform.
Die Täter handelten vorsätzlich. Dieser Vorsatz bezog sich ja gerade auch auf die Eigenschaft Kadlec als Spieler der Werkself und auch auf die folgende Arbeitsunfähigkeit.
Wird die Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitnehmer vorsätzlich herbeigeführt ist der Arbeitgeber nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet (§ 3 Abs. 1 EFZG). Gleiches muss gelten, wenn ein Dritter die Arbeitsunfähigkeit vorsätzlich herbeiführt. Dieses wird durch § 6 EFZG geregelt.
Auch die drohende Privatinsolvenz kann kein Gegenargument darstellen. Das Deliktsrecht bezweckt grundsätzlich
den wirtschaftlichen Ausgleich der erlittenen Schäden. Dem Deliktsrecht kommt somit aber auch eine präventive Wirkung zu, da es von schadensverursachendem Verhalten abhalten soll.
Wie könnte diese Funktion besser erreicht werden? Der nächste hirnverbrannte „Fußballfan“ der einem Spieler der gegnerischen Elf auf die Zwölf hauen will, wird sich dies angesichts der Folgen zweimal überlegen.
Es sind ja zwei verschieden Schadensersatzansprüche: Zum einen wegen der Verletzung des Körpers und der Gesundheit (den Kadlec bzw. die Versicherung ja behält) und wegen des Verdienstausfalls (den er aber wegen dem EFZG gerade nicht hat). Für letzteren Fall soll aber der Schädiger nicht privilegiert, sondern der Arbeitgeber, der das ja faktisch durch seine Beiträge „erkauft“ hat. Aus diesem Grund wird der Täter auch nicht doppelt bestraft – ohne das EFZG müssten beide Zahlungen an den Geschädigten geleistet werden.
Naja Pech gehabt, man muss das Opfer nehmen wie es kommt.
Am besten startet man einfach keine Schlägerei, wie es einem bereits der gesunde Menschenverstand gebietet.
Danke für die Darstellung, interessanter Fall, eine kleine Frage dazu:
Kann man § 6 I EntgFG als gesetzlich normierte Drittschadensliquidation verstehen, ähnlich wie § 421 I 1 Hs. 1 HGB, oder handelt es sich um eine gesetzliche Forderungsübergang iSd. § 412 BGB?
Nein, hier liegt kein gesetzlich angeordneter Fall der Drittschadensliquidation vor. Der Arbeitnehmer (Fußballspieler) hat nämlich einen Anspruch und einen Schaden. Eine DSL würde nur vorliegen, wenn auf Seiten des AN ein Anspruch dem Grunde nach besteht, aber kein Schaden vorliegt, auf Seiten des AG (Vereins) ein Schaden, aber kein Anspruch.
Der Anspruch geht aufgrund gesetzlicher Fiktion gem. § 6 EntgeltFZG auf den AG über.
Danke für die Antwort, ich sehe bei erneutem Lesen auch, dass es bereits im Artikel als gesetzlicher Forderungsübergang dargestellt ist.
Allerdings kann ich der Aussage, der AN (Fussballspieler) habe einen Anspruch und einen Schaden in Bezug auf den Lohnausfall nicht zustimmen. Was den Lohn betrifft besteht zwar ein Anspruch des AN, den Schaden hat wegen der Weitergewährung des Lohns (§ 3 EFZG) jedoch der Arbeitgeber. Dabei handelt es sich um eine zufällige Schadensverlagerung wie auch bei den Gefahrtragungsregeln iSd §§ 446,447,644 BGB.
Meines Erachtens die typische Konstellation einer DSL?
Die Konstellation entspricht natürlich der einer DSL. Die DSL ist allerdings richterrechtliche Rechtsfortbildung und dort, wo eine gesetzliche Regelung das Auseinanderfallen regelt überflüssig (jedenfalls sollte man den Begriff tunlichst vermeiden). Man spricht in Zusammenhang mit § 6 EntfG auch von einem „normativen“ Schaden. Du sagst ja zurecht, dass der AN aufgrund der Lohnfortzahlung streng genommen keinen Schaden hat. Das ist bei natürlicher Betrachtung vollkommen richtig, § 6 EntfG blendet dies aber bewusst aus und lässt den Anspruch (inkl. „fingiertem“ Schaden) übergehen.
Insofern natürlich ein Fall der Liquididation von Schäden Dritter…nur rechtskonstruktiv eben geringfügig anders.
Wie kann dem den Spieler ein Verdienstausfallschaden entstehen, wenn er doch im Gegenzug von der Arbeitsverpflichtung in gleicher Höhe als Vermögenswert befreit ist, bzw. diese erspart?
Ein Schaden im Hinblick auf die entfallene Arbeitsleistung – etwa vielleicht auf GoA-Basis – kann doch eigentlich sowieso nur dem das Entgeld
fortzahlenden Arbeitgeber entstehen, der für seine Entgeldfortzahlung keine entsprechende Gegenleistung erhält?
Wichtig ist doch zwischen den verschiedenen Schäden zu differenzieren. Bezüglich des Lohnes hat der Verein den Schaden (Lohnfortzahlung ohne Arbeitsleistung), bezüglich der Nasenbeinbruches liegt der Schaden (Arztkosten, Schmerzensgeld) aber beim Spieler. Deshalb werden die Schuldner auch nicht doppelt in Anspruch genommen, sondern für jeden Schaden nur einmal. Auf die Drittschadensliquidation muss in dem Fall wegen § 6 EFZG bzgl. des Lohnes gerade nicht zurückgegriffen werden, da dieser die vorstehende Konstellation doch gerade vollumfänglich erfasst. Die GoA-Voraussetzungen sind schon gar nicht erst erfüllt (absolut kein fremdes Geschäft). Eine Benachteiligung der Täter liegt jedenfalls nicht vor, insgesamt also alles sehr sachgerecht.
§ 6 EFZG liegt zu Grunde, dass ein Anspruch beim Verletzten entsteht, welcher dann übergeht.
In Bezug auf den Verdienstausfall war jedoch gerade meine Frage, inwieweit dem Spieler selbst da ein Anspruch entstehen kann, wenn er doch selbst seine Dienstpflicht „erspart“ hat? Dies soll ja nicht heißen, dass dies nicht erklärbar sein kann, jedoch habe ich da zunächst ein „Verständnisproblem“.
Hier ein „auch fremdes Geschäft“ absolut ausschließen zu wollen, leuchtet mir ebenfalls nicht ohne weiteres ein ( weiteres „Verständnisproblem“).
Grds. hat der AN keinen Lohnanspruch, wenn er seine Arbeit nicht erbringen kann (vgl. § 611 BGB). Kann der AN nicht leisten (aufgrund Krankheit), entfällt folglich sein Lohnanspruch, was zunächst auch seinen Schaden darstellt. Dass dieser eigentlich bestehende Schaden aufgrund §§ 3, 6 EFGZ ausgeglichen wird, spielt hierbei keine Rolle, da dies eine unbillige Entlastung des Schädigers darstellen würde. Daraus ergibt sich grds. ein Anspruch auf Schadensersatz iHd entgangenen Lohnes (aus § 823 I und II BGB) gegen die Schädiger. Dieser Anspruch geht aber gerade als cessio legis auf den AG über, vgl. § 6 EFZG.
Ein „auch fremdes Geschäft“ scheidet mM nach aus, da der AG ausschließlich im eigenen Interesse tätig wird, namentlich in Erfüllung der sich für ihn aus § 3 EFZG entstandenen Pflicht zur Lohnfortzahlung ggü. dem AN.
Dass der der Lohnanspruch grds. entfällt, steht außer Frage. Es entfällt aber auch die Dienstleistungspflicht im Gegenseitigkeitsverhältnis. Diese ist aber genau den Lohn wert. Der AN hat also in gleichen Umfang, wie er etwas verliert, einen Wert erspart. Was allein das Dienstverhältnis betrifft, steht der AN quasi ja sogar besser als ohne das „Schadensereignis“: er braucht nicht zu arbeiten, kriegt aber dennoch sein Geld. Wie kann dies bei der Beurteilung eines Schadens einfach ganz unter den Tisch fallen?
Hinsichtlich eines „auch fremden Geschäftes“ wäre ja weniger der Arbeitgeber Geschäftsführer, sondern eher der Schädiger mit dem Arbeitgeber als Geschäftsherrn.
(Evtl. könnte man auch etwas wie cic. zu Lasten des Arbeitgebers andenken entsprechend den „Kaufhausfällen“, bei welchen haften kann, wer im Kaufhaus etwas beschädigt, unabhängig davon, ob er kaufen möchte).