BAG: Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung
Das BAG hatte kürzlich darüber zu entscheiden, inwiefern sexuelle Belästigung einen außerordentlichen Kündigungsgrund i.S.d. § 626 BGB darstellen kann (Urt. v. 9. 6. 2011, Az. 2 AZR 323/10).
Für eine solche Konstellation muss der Examenskandidat wissen, dass der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG legaldefiniert ist. Das BAG hatte ausgehend von dieser Definition eine weitere Vielzahl an Fragestellungen zur Definition der sexuellen Belästigung als Kündigungsgrund zu beantworten.
Die Kernvorgaben zu diesem Thema wurden vom BAG als Orientierungssätze prägnant zusammengefasst (vgl. NJW 2012, 407). Wer sich diese Vorgaben vor Augen führt, sollte mit sexueller Belästigung (zumindest in Klausursachverhalten) keine Probleme mehr haben:
1. Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, unter anderem von ihrem Umfang und ihrer Intensität.
2. Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Vorsätzliches Verhalten der für dieses Ergebnis objektiv verantwortlichen Person ist nicht erforderlich.
3. Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit in § 3 Abs. 4 AGG erfordert […] nicht, dass die betroffene Person ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hat. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war.
4. Die nach § 626 Abs. 1 BGB erforderliche Interessenabwägung hat unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen. Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen. Ein solcher innerer Zusammenhang besteht zwischen sexuellen Belästigungen durch körperliche Berührung und solchen verbaler Art.
5. Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen sexuelle Belästigungen […] gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Geeignet in diesem Sinne sind nur Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, d. h. eine Wiederholungsgefahr ausschließen.
„Wer sich diese Vorgaben vor Augen führt, sollte mit sexueller Belästigung (zumindest in Klausursachverhalten) keine Probleme mehr haben.“ 😉
…allenfalls in der mdl. Prüfung… 😀
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