Aufhebung Immunität von Bundespräsident Christian Wulff
Aus aktuellem Anlass soll hier kurz das Verfahren zur Aufhebung der Immunität durch den deutschen Bundestag dargestellt werden:
Für den Bundespräsidenten wurde die Aufhebung seiner Immunität beantragt. Dass er überhaupt diesem Grundsatz unterliegt, ergibt sich aus Art. 60 Abs. 4 GG. Damit gelten die Regelungen zur Immunität auch für ihn. Die Strafverfolgung ist damit nur mit Genehmigung des Bundestages möglich.
Die genauen Verfahrensregelungen ergeben sich aus § 107 GO-BT. Zunächst ist das Anliegen der immunitätsaufhebung an den Bundestagspräsidenten Lammert zu leiten, der es an den Immunitätsausschuss verweist (§ 107 Abs. 1 GO-BT). Dieser hat eine Beschlussempfehlung für den Bundestag zu erstellen. (§ 107 Abs. 2 GO-BT) Dabei unterliegt er keiner Frist (§ 107 Abs. 3 GO-BT).
§ 107 GO-BT Immunitätsangelegenheiten
(1) Ersuchen in Immunitätsangelegenheiten sind vom Präsidenten unmittelbar an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung weiterzuleiten.(2) Dieser hat Grundsätze über die Behandlung von Ersuchen auf Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages aufzustellen (Anlage 6) und diese Grundsätze zum Ausgangspunkt seiner in Einzelfällen zu erarbeitenden Beschlußempfehlungen an den Bundestag zu machen.(3) Die Beratung über eine Beschlußempfehlung ist an eine Fristen nicht gebunden. Sie soll frühestens am dritten Tage nach Verteilung der Vorlage (§ 75 Abs. 1 Buchstabe h) beginnen. Ist die Beschlußempfehlung noch nicht verteilt, wird sie verlesen.(4) Vor der Konstituierung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung kann der Präsident dem Bundestag in Immunitätsangelegenheiten unmittelbar eine Beschlußempfehlung vorlegen.
Grundsätzlich hat der Bundestag in der Anlage 6 zur Geschäftsordnung eine Selbstbindung hinsichtlich der Immunitätsaufhebung festgelegt. Insbesondere wird dabei pauschal die Genehmigung für Ermittlungsverfahren erteilt. Für den Bundespräsidenten gilt diese Regelung freilich nicht, sondern nur für Mitglieder des Bundestages, sodass hier der Bundestag noch explizit entscheiden muss.
Bei seiner Entscheidung sind die Interessen des Präsidenten mit den Interessen an einer Strafverfolgung abzuwägen. Abzuwägen ist, ob das öffentliche Interesse einer Ermittlung dem öffentlichen Interesse an einer ungestörten Amtsausübung überwiegt. Hierbei ist die Abstimmung nicht auf die Aufhebung der Immunität per se, sondern auf die Zulässigkeit der konkreten Verfahrenshandlung gerichtet. Für die Abstimmung über diesen Beschluss gilt auch hier gemäß Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG das Mehrheitsprinzip – das heißt es genügt die Mehrheit der abgegeben Stimmen. Eine andere Regelung sieht auch für die Immunitätsaufhebung das GG nicht vor. Die in vielen Medien verbreitete Ansicht 1/4 der Abgeordneten müsse zustimmen, hat im Gesetz keinen Niederschlag und beruht auf einer Verwechslung mit der Präsidentenklage nach Art. 61 GG.
Hinweis: Allgemein zur Strafbarkeit von Bundespräsident Wulff unser Beitrag hierzu.
https://www.lto.de/de/html/nachrichten/5599/presseschau_17-02-2012_immunitaet_wulff_bgh_ignoriert_ueberwachung_bei_sozialen_netzwerke_eu_rechtswidrig/