Aktuelles zum staatlichen Monopol für Sportwetten
Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung (Az. 8 C 5.10. – Urteil vom 01.06.2011) bestätigt, dass die Regelungen im derzeit noch geltenden Glücksspielstaatsvertrag bezüglich des generellen Verbots von Sportwetten im Internet wirksam sind. Die Thematik staatlichen Monopols für Sportwetten war bereits Gegenstand einer Examensklausur im Europarecht im April 2011 in Berlin-Brandenburg. Es handelt sich dabei aber um einen „Dauerbrenner“, mit dem sich typische Fragen des Verfassungs- und Europarechts abprüfen lassen. Zum Beispiel als guter Einstieg in einer mündliche Examensprüfung. Im Folgenden sollen die wesentlichen Gesichtspunkte der Problematik skizziert werden.
Ausgangslage
In seinem sog. Sportwetten-Urteil vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01) hatte das BVerfG die damalige Rechtslage (im Fall: Bayern) dahingehend kritisiert, dass ein staatliches Wettmonopol für Sportwetten gegen die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs.1 GG verstoße, wenn nicht genau festgelegt sei, auf welchem Wege die Erreichung der verfolgten legitimen Zweck (u.a. Prävention und Bekämpfung von Wettsucht durch staatliche Kontrollmechanismen, Jugendschutz) im Detail gewährleistet werde. Auch hatte das staatliche Lotto-Unternehmen ODDSET in seiner Werbung das Wetten als zu positiv und sozialadäquat dargestellt, sodass den genannten Schutzzwecken nicht entsprochen worden wäre.
Vor allem aber ist der Vertrieb von ODDSET nicht aktiv an einer Bekämpfung von Spielsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichtet. Das tatsächliche Erscheinungsbild entspricht vielmehr dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung.
(a) Dies zeigt sich beispielhaft in der offiziellen Begleitinformation „Hintergrund, Perspektiven, Chancen“ der Staatlichen Lotterieverwaltung im Zusammenhang mit der Einführung von ODDSET. Danach ist die Eröffnung des Wettangebots maßgeblich von dem Ziel der Markterschließung getragen und hat insbesondere die Erschließung der Zielgruppe der 18 bis 40 Jährigen im Blick. Es ist dabei die Rede von einem „umfangreichen Maßnahmen- und Medienpaket, das die Zielgruppen mehrstufig anspricht und kontinuierlich Lust aufs Mitwetten weckt“.
Dem entspricht eine breit angelegte Werbung, in der das Wetten als sozialadäquate, wenn nicht sogar positiv bewertete Unterhaltung dargestellt wird. Die Werbung im Rahmen der über den Deutschen Lotto- und Totoblock bundesweit koordinierten Veranstaltung von ODDSET ist überall auffallend und präsent. Anders als vom Bundesverwaltungsgericht angedeutet kommt es nicht darauf an, ob die Werbung als aggressiv zu bewerten ist. V[…]
(b) Ebenso wenig sind die Vertriebswege für ODDSET auf eine Bekämpfung der Suchtgefahren und auf eine Begrenzung der Wettleidenschaft angelegt.
Die Staatliche Lotterieverwaltung vertreibt ODDSET über ihr breit gefächertes Netz von Lotto-Annahmestellen, dem die offizielle Maxime „weites Land – kurze Wege“ zugrunde liegt. Dabei handelt es sich vor allem um Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnliche kleine oder mittelständische Gewerbebetriebe, so dass der Vertrieb in bewusster Nähe zum Kunden stattfindet. Dadurch wird die Möglichkeit zum Sportwetten zu einem allerorts verfügbaren „normalen“ Gut des täglichen Lebens.[…]
(c) Schließlich ist auch die Präsentation des Wettangebots nicht ausreichend am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht und der Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet.
Im Rahmen des Wettmonopols beschränkt sich die Staatliche Lotterieverwaltung vorrangig auf eine indirekte und gegenüber den – möglichen – Wettteilnehmern nicht aktiv kommunizierte Prävention. Ein für den Einzelnen und die Allgemeinheit schädliches Übermaß an Wettbeteiligungen soll dadurch vermieden werden, dass ein ausreichend attraktives, wenn auch begrenztes Wettangebot eröffnet und dadurch die Wettleidenschaft in geordnete und sichere Bahnen gelenkt wird. Dieses Konzept stellt zwar auch aus suchtmedizinischer Sicht eine geeignete strukturelle Ausgangsbasis für ein an der Prävention problematischen Spielverhaltens ausgerichtetes Wettangebot dar (vgl. Hayer/Meyer, Die Prävention problematischen Spielverhaltens, J Public Health 2004, S. 293 <302>). Im Rahmen des gegenwärtigen staatlichen Wettangebots findet aber die darüber hinaus wichtige aktive Suchtprävention nicht statt. Die Staatliche Lotterieverwaltung beschränkt sich vielmehr auf die Einhaltung der Verpflichtung nach § 4 Abs. 4 des Lotteriestaatsvertrags, Informationen zu Spielsucht, Prävention und Behandlungsmöglichkeiten bereit zu halten. Auf der Internetseite der Staatlichen Lotterieverwaltung befindet sich an wenig exponierter Stelle ein knapper Hinweis auf die Gefahren übermäßigen Spiels sowie ein Verweis auf eine separat abrufbare Kurzinformation.[…]
Entsprechend ist der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (kurz: Glücksspielstaatsvertrag, kürzer: GlüStV) am 01.01.2008 in Kraft getreten. Darin verpflichteten sich alle 16 Bundesländer, die getroffenen Regelungen in das eigene Landesrecht umzusetzen. Der Vertrag setzt die generelle staatliche Zielsetzung fort, Spielsucht durch angemessene Kontrollmechanismen zu verhindern und einzudämmen. Weitere Kernpunkte sind ein effektiver Jugendschutz, sowie Prävention und Erschwerung krimineller Machenschaften, die typischerweise in diesem Zusammenhang auftreten können. Das Monopol für Sportwetten verbleibt beim Staat. Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist generell verboten.
Entscheidung des EuGH im September 2010
Eine Reaktion des Gerichtshofs ließ nicht lange auf sich warten. In C-316/07 (Urteil vom 08.09.2010, siehe auch RÜ 2010 S.719; NJW-aktuell 41/2010, 16 ff.) stellte das Gericht fest, dass der GlüStV in seiner aktuell gültigen Fassung sowohl die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV, als auch die Niederlassungsfreiheit nach Art. 46 AEUV privater Wettanbieter verletzt.
Hier haben die vorlegenden Gerichte nach einem Hinweis darauf, dass Pferdewetten und Automatenspiele von privaten Veranstaltern mit einer Erlaubnis betrieben werden könnten, auch festgestellt, dass zum einen der Inhaber des staatlichen Monopols auf Sportwetten in Bezug auf die ebenfalls dem Monopol unterliegenden Lotteriespiele intensive Werbekampagnen durchführe, in denen der Finanzierungsbedarf sozialer, kultureller oder sportlicher Aktivitäten herausgestellt werde, denen die erzielten Gewinne zugute kämen, und so den Anschein erwecke, dass die Maximierung der diesen Aktivitäten zugedachten Gewinne zu einem eigenständigen Ziel der fraglichen restriktiven Maßnahmen werde. Zum anderen haben die genannten Gerichte festgestellt, dass die zuständigen Behörden in Bezug auf Kasino- und Automatenspiele, obwohl diese ein höheres Suchtpotenzial aufwiesen als Sportwetten, eine Politik der Angebotsausweitung betrieben oder duldeten. Das Angebot neuer Kasinospielmöglichkeiten im Internet werde nämlich von diesen Behörden geduldet, während die Bedingungen für den Betrieb von Automatenspielen in anderen Einrichtungen als Spielbanken, etwa in Spielhallen, Schank- und Speisewirtschaften sowie Beherbergungsbetrieben, unlängst erheblich gelockert worden seien.
Insoweit hat der Gerichtshof zwar in Bezug auf das von einem nationalen Gesetzgeber verfolgte Ziel, einer Ausnutzung von Glücksspieltätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen, entschieden, dass eine Politik der kontrollierten Expansion dieser Tätigkeiten mit dem Ziel in Einklang stehen kann, sie in kontrollierbare Bahnen zu lenken, indem Spielern, die verbotenen geheimen Spiel- oder Wetttätigkeiten nachgehen, ein Anreiz gegeben wird, zu erlaubten und geregelten Tätigkeiten überzugehen. Zur Erreichung dieses Ziels ist es nämlich erforderlich, dass die Veranstalter, die über eine Erlaubnis verfügen, eine verlässliche und zugleich attraktive Alternative zur verbotenen Tätigkeit darstellen, was als solches das Angebot einer breiten Palette von Spielen, einen gewissen Werbeumfang und den Einsatz neuer Vertriebstechniken implizieren kann (vgl. Urteil Placanica u. a., Randnr. 55).[…]
Wie der Generalanwalt jedoch in Nr. 61 seiner Schlussanträge weiter dargelegt hat, kommt es insoweit darauf an, dass die vom Inhaber eines staatlichen Monopols eventuell durchgeführte Werbung maßvoll und strikt auf das begrenzt bleibt, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken. Hingegen darf eine solche Werbung insbesondere nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost oder ihm ein positives Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten im Allgemeininteresse verwendet werden, oder indem die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen.
Zwar sei ein staatliches Wettmonopol in einem Mitgliedsstaat zulässig, wenn es „im Allgemeininteresse liegende Zielen des Verbraucherschutzes und der Sozialordnung dienen kann“. Der Ausschluss privater Anbieter führe aber zu einer besonderen Beachtlichkeit des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, insbesondere der Erforderlichkeit der Maßnahme. Diese sei dann nicht gegeben, wenn – wie in Deutschland nachweislich geschehen – intensive Werbekampagnen und Ausweitungen des Spielautomatenangebots stattfinden, die zu den Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes und der Suchtprävention im Widerspruch stehen. Die Verwirklichung dieser Ziele müsse aber „in konsequenter und widerspruchsfreier“ Art und Weise erfolgen (zu den Einzelheiten, siehe C-316/07), sodass die von Deutschland getroffenen Regelungen mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar seien und ferner auch nicht anwendbar (zur Anwendbarkeit einzelner Regelungen im GlüStV siehe hier).
Entscheidung des BVerwG im Juni 2011 und geplante Änderung des GlüStV
In der Pressemitteilung des BVerwG vom 01.06.2011 wird ein wesentlicher Punkt des GlüStV bestätigt, nämlich die Unzulässigkeit des Angebots von Sportwetten über das Internet. Geklagt hatte das Unternehmen BWIN, welches aufgrund einer alten DDR-Lizenz seit 1990 ein Wettbüro in Sachsen betreibt und Internet-Wetten in Bayern anbieten wollte. Zumindest in den „neuen Bundesländern“ wurden solche Lizenzen nach der „Wende“ von den Behörden weitgehend anerkannt (dagegen überwiegend nicht in den westlichen Bundesländern, vgl. BVerwG, 21.06.2006 – 6 C 19.06). Die Durchführung von Online-Sportwetten wurde dem Kläger somit letztinstanzlich untersagt unter Verweis auf das besondere Suchtpotential und den besonderen Gefahren, die sich aus dem Spielen übers Internet ergeben. Kurios: In seiner Entscheidung vom September 2010 (s.o.) hatte sich der EuGH damit auseinandersetzen müssen, ob ggf. eine gültige Wettlizenz aus einem anderen Mitgliedstaat (Österreich) von den deutschen Behörden anerkannt werden müsse. Nach Ansicht des EuGH nein, da es jedem MS überlassen sei, die „Ziele ihrer Politik und das jeweilige Schutzniveau eigenverantwortlich festzulegen“ (so auch schon in C-6/01 „Anomar“ v. 11.09.2003). Gewisse Parallelen zu der Problematik der Anerkennung alter DDR-Lizenzen sind wohl nicht von der Hand zu weisen.
Schon vor der Entscheidung des EuGH und trotz Einführung des GlüStV ist der Regelungsbedarf offensichtlich geworden. Deshalb haben sich die Minister der Bundesländer vor kurzem (Quelle: Focus-Online) auf eine Neukonzeptionierung des GlüStV geeinigt, der am 01.01.2012 voraussichtlich in Kraft treten soll. Vorgesehen ist die Vergabe von sieben bundesweiten Konzessionen an private Wettanbieter, die 16,66 Prozent der Einsätze an den Bund abzuführen haben. Neben anderen Regelungen im Bereich der Werbung für die Anbieter, sollen auch Live-Wetten im Internet in eingeschränktem Maße möglich werden.
Fazit
In Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG würde der abgeänderte GlüStV den Umfang der geforderten Änderungen sogar übertreffen. Das staatliche Monopol für Sportwetten wird durch die Konzessionsvergabe nicht nur erheblich abgeschwächt, sondern darüber hinaus auch um die Möglichkeit des Internetvertriebs erweitert. Es bleibt im Übrigen abzuwarten, welche Maßnahmen im Einzelnen getroffen werden, um diesem langwährenden Streit ein Ende zu setzen. BWIN hat bereits kurz nach Veröffentlichung der Entscheidung des BVerwG angekündigt, Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil einzulegen.
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