Aktuelle examensrelevante verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung
In den letzten Tagen ist wieder eine Reihe von öffentlich-rechtlichen Problemkreisen durch die verwaltungsgerichtliche Judikatur gegangen. Kandidaten, für die bald die mündliche Prüfung ansteht, sollten sich deshalb mit den im Folgenden genannten Themen einmal kurz auseinandergesetzt haben. Daneben ist es zumindest denkbar, dass die folgenden Sachverhalte zu gegebener Zeit auch als Aufhänger in Klausuren für das erste sowie zweite Staatsexamen Eingang finden werden. Da die Pressemitteilungen der genannten Fälle die jeweils einschlägige Problematik bereits ausreichend erläutern, werden im Folgenden lediglich Auszüge aus den respektiven Mitteilungen zitiert, wobei jeweils am Ende auf weiterführende Lektüre hingewiesen wird.
VG Koblenz: Verteilung von Spendengeldern durch Rat oder Bürgermeister?
Der Bürgermeister einer Gemeinde […] darf ohne besondere Dringlichkeit nicht über die Festlegung der Kriterien zur Verteilung von Spendengeldern nach einer Hochwasserkatastrophe entscheiden. Vielmehr ist in einer solchen Angelegenheit ausschließlich der Gemeinderat zuständig (Urteil vom 15.01.2013 – 1 K 593/12.KO).
In der Sache geht es in der Entscheidung um die Festlegung der Organzuständigkeit, also die Frage, ob der Gemeinderat oder der Bürgermeister zuständig ist, was wiederum einen Prüfungspunkt bei der formellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung eine Rolle spielt . Dies Organzuständigkeit richtet sich nach der jeweiligen Landesgemeindeordnung (in NRW ergibt sich die Organzuständigkeit beispielsweise aus § 41 GO NW, wobei in besonders dringlichen Fällen nach § 60 Abs. 1 S. 2 GO NW der Bürgermeister entscheiden kann). Ein vergleichbarer Problemkreis, der einen Klausurklassiker darstellt, stellt sich bei Einvernehmensentscheidungen nach § 36 BauGB (siehe dazu ausführlicher hier).
VG Neustadt: NPD-Mitglied aus Ausschuss abberufen
Das VG Neustadt hat entschieden, dass die Entscheidung des Kreistages des Landkreises Südwestpfalz, eines seiner Mitglieder, das der NPD angehört, als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss des Landkreises Südwestpfalz abzuberufen, rechtmäßig war (Urteil vom 28.01.2013 – 3 K 845/12.NW).
Nach Auffassung des VG Neustadt ist die Entscheidung des Kreistages, den Kläger als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss abzuberufen, rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sei ein Beisitzer von seinem Amt abzuberufen, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt habe. Dies sei hier der Fall. Ein Beisitzer im Kreisrechtsausschuss übe ein Ehrenamt aus und unterliege deshalb gegenüber dem Landkreis einer besonderen Treuepflicht. Der Kreisrechtsausschuss sei weisungsunabhängig und überprüfe das vom Bürger beanstandete Verhalten der Verwaltung auf seine Recht- und Zweckmäßigkeit. Insofern übe er hoheitliche Gewalt aus. Die Stellung des von Weisungen des Landkreises unabhängigen Beisitzers des Rechtsausschusses sei derjenigen eines ehrenamtlichen Richters angenähert. Dieser unterliege jedoch einer Pflicht zur besonderen Verfassungstreue. Da der Beisitzer dasselbe Stimmrecht wie der vorsitzende Landrat bzw. dessen Vertreter habe, dieser aber die Gewähr dafür bieten müsse, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten, müsse dies ebenso für die Beisitzer gelten. Der Kläger biete diese Gewähr aber nicht. Er sei langjähriges Mitglied in der NPD, einer rechtsextremen Partei, und nehme dort eine herausgehobene Funktion wahr. So gehöre er als NPD-Mitglied dem Kreistag des Landkreises Südwestpfalz. Er trete als Organisator rechtsextremistischer Demonstrationen und Veranstaltungen in Erscheinung und berichte auf den Seiten des NPD-Kreisverbandes Westpfalz und der „Pfalzstimme“, deren Herausgeber er sei, über aktuelle politische Themen und Veranstaltungen der NPD sowie anderer rechtsextremistischer Organisationen. Bei Kundgebungen verunglimpfe er die Bundesrepublik öffentlich als „Bananenrepublik“, „BRD-Regime“ und „Besatzer-Regime“.
Zwar habe es bisher keine aktenkundigen Beanstandungen aufgrund seines Verhaltens in Sitzungen des Kreisrechtsausschusses gegeben. Jedoch stelle auch ein außeramtliches Verhalten eines Beisitzers eine Amtspflichtverletzung dar, wenn durch dessen gezeigtes Verhalten sein Ansehen in einem solchen Maße erschüttert werde, dass seine Vertrauenswürdigkeit ausgeschlossen werde. Davon sei hier auszugehen. Der Kläger habe mehrfach mit E-Mails die Betriebsabläufe in der Kreisverwaltung gestört, um Arbeitskraft zu binden und zu provozieren. Ferner habe der Kläger einen Beitrag in der „Pfalzstimme“ verfasst („NPD legt Bürokratie in der Südwestpfalz lahm“), in dem er seine negative Einstellung zur Kreisverwaltung eindeutig zu erkennen gegeben habe. Mit diesem Artikel habe er ebenfalls gegen die Treuepflicht verstoßen. Es sei aufgrund einer Gesamtschau nicht anzunehmen, dass der Kläger seiner Aufgabe im Rechtsausschuss unvoreingenommen (z.B. Ausländer betreffend) und offen für unterschiedliche Auffassungen und Überzeugungen nachzukommen vermöge. Das Ansehen des Rechtsausschusses als von Weisungen unabhängiges Kontrollorgan bei der Kreisverwaltung sei daher in hohem Maße gefährdet.
Die Entscheidung reiht sich nahtlos in die bereits bestehende Judikatur zu nachteiligen Folgen durch die NPD-Mitgliedschaft ein. Das Urteil ist als äußerst examensrelevant zu bezeichnen und wird ganz sicher auch Gegenstand von Examensklausuren werden. Um sich mit dem breiten Kontext der anderen examensrelevanten Entscheidungen vertraut zu machen, sei die Lektüre der folgenden weiterführenden Artikel sehr empfohlen (siehe dazu hier, hier, hier und schließlich hier).
Mit welchem Rechtsbehelf kann der NPD-Mitglied gegen den Ausschluss als Beisitzer aus dem Kreisrechtsausschuss des Landkreises vorgehen? Anfechtungsklage im Rahmen der Kommunalverfassungsbeschwerde?
Die statthafte Klageart hängt davon ab, ob man den Ausschluss als Verwaltungsakt iSd § 35 S. 1 VwVfG qualifizieren kann; insb. ob die dafür erforderliche Außenwirkung vorliegt. Dies wäre nur dann der Fall, sofern der Ausschluss als Beisitzer den Inhaber des Ehrenamtes auch außerhalb seiner organschaftlichen Funktion, mithin im verwaltungsexternen Bereich, tangiert. M.E. steht Vorliegend lediglich die organschaftliche Position als solche und nicht etwa weitere subjektive öffentliche Rechte in Frage, so dass das Vorliegen von Außenwirkung zu verneinen ist. Da es somit an einem Verwaltungsakt fehlt, wäre die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO nicht die statthafte Klage. Vielmehr wäre im vorliegenden Fall m.E. eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO (unter Berücksichtigung der Besonderheiten des sog. Kommunalverfassungsstreites) einschlägig und zwar gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit (und damit Rechtsfolgenlosigkeit) des Kreistagsbeschlusses.