Sachverhalte der Zivilrecht Examensklausuren – März 2011 – 1. Staatsexamen Baden-Württemberg
Wir danken für die Zusendung einer Zusammenfassung der drei Zivilrecht Examensklausuren, die im 1. Staatsexamen im März 2011-Termin in Baden-Württemberg liefen:
1. Zivilrecht Examensklausur
– Aus GmbH ausscheidender Gesellschafter verkauft seinen Anteil an verbleibenden Alleingesellschafter. Der Ausgeschiedene soll „Beratungsleistungen“ im Wege eines Dienstvertrags an den verbleibenden Gesellschafter erbringen. Dieser kündigt den Vertrag, weil die Beratungsleistung nie erbracht wurde. Die „Vergütung“ aus diesem Vertrag sollte nach Absprache der beiden einen Teil des Kaufpreises für den Gesellschaftsanteil beinhalten. Das haben die beiden wegen steuerlicher Vorteile so vereinbart. Der Vertrag war nichtig nach § 134 BGB i.V.m. § 370 AO.
– Haftung für Schein-GbR.
– Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis
2. Zivilrecht Examensklausur
– Regress nach § 1143 BGB
– Problem des Wettlaufs der Sicherer (Es gab insgesamt vier Sicherer: Hypothek, Verpfändung von Wertpapieren, Sicherungsübereignung eines Autos und eine Höchstbetragsbürgschaft)
– Erbrecht
3. Zivilrecht Examensklausur
– Schwerpunkt: Handels- und Gesellschaftsrecht
– Haftung austretender und eintretender Gesellschafter einer KG
– Rechtsschein nach § 15 I HGB
– Rechtsscheinhaftung für die Verbindlichkeit einer GmbH wegen fehlenden Rechtsformzusatzes
– Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben
– Blankobürgschaft
– Anfechtung
Oh jee, da wollte man mal lieber nicht in Baden-Württemberg in diesem Termin schreiben.
Vielleicht revanchieren sich die Prüfer im ÖffRecht mit einer einfachen Urteils-VB … 😉
Da hat sich ein Fehler in die Hinweise zur 1. Klausur eingeschlichen:
Der Vertrag war wohl nicht nach § 134 nichtig. Der Fall ist fast wörtlich BGH, NJW 1983, 1843 entnommen. Hier wurde auch von einer Wirksamkeit ausgegangen. Das Hauptproblem, war wohl die aus dem BGB AT bekannte Heilung des Scheingeschäftes durch notariellen Vertrag und die Erstreckung auf den Beratervertrag als Kaufvertragsbestandteil.
Und wenn außer 2 kurzen Nennungen in der 2. Klausur „Erbrecht“ behandelt wurde, dann hab ich wohl was falsch gemacht.
In der 3. Klausur fehlt noch die Arbeitnehmerbürgschaft als Problem.
In der 1. Klausur war vielleicht wegen der angegebenen Daten noch nach der analogen Anwendbarkeit von § 4 KschG in Befristungsverhältnissen gefragt, wenn man den Berater als AN ansieht (was wohl eher nicht der Fall war, daher die Frage, ob man das problematisieren will)
Der Vertrag wird wohl doch nach § 134 BGB iVm. § 370 AO nichtig sein.
Denn in BGH NJW 1983, 1834 ging der BGH davon aus, dass der Beratervertrag wirklich zumindest von einer Seite zu einer Beratung führen sollte:
(Der) Bekl. (hat) nach (seiner) Sachdarstellung den Beratungsvertrag abgeschlossen, weil (er) sich eine „echte und unterstützende Beratung durch den Kl. sichern wollte“. Wenn das (sein) Motiv war, entfällt der Vorwurf, der Vertrag sei ausschließlich zum Zwecke der Steuerhinterziehung abgeschlossen worden; er kann dann auch nicht als Scheingeschäft bezeichnet werden. Ob der Kl. sich von dem Abschluß des Beratungsvertrages einen – legalen – oder illegalen – Steuervorteil erhoffte, ist für die Gültigkeit des Vertrages unerheblich. (Ist weiter ausgeführt.)
Da im Examen ein solcher Sachvortrag fehlte, hatte der Beratungsvertrag allein den Zweck der Steuerhinterziehung, sodass hier § 370 AO als Verbotsgesetz greift.
§ 370 AO greift nur dann nach hM nicht als Verbotsgesetz, wenn der Vertrag noch einem anderen Zweck dient.
Aber:
„Mit einer Steuerhinterziehung verbundene Verträge sind nicht ohne weiteres, sondern nur dann nichtig, wenn die Steuerhinterziehung den Hauptzweck des Geschäfts bildet (…), selbst dann ist der Vertrag insgesamt (§ 139 BGB) nur dann nichtig, wenn die Steuerverkürzung die Preisvereinbarung beeinflußt hat (…BGH MDR 1968, 834).“ (OLG Hamm, BB 1989, 651)
Damit gibt es hier 2 Möglichkeiten: 1. Der Vertrag ist nur zur Verschleierung -> daher nichtig
2. Der Vertrag ist eben auch zum Anteilskauf, die Steuerersparnis hatte keine Preisauswirkung.
Grundsätzlich hätte ich den Vertrag auch für nichtig befunden. Doch ist mir dann unklar, warum er im Volltext (!) abgedruckt war.
So manches wurde (in Bezug auf die erste Klausur!) bislang übersehen:
1. Zunächst stellt sich die Frage nach § 117 BGB.
Scheingeschäft liegt vor, es wird gem. § 117 II das dissimulierte Geschäft geprüft. Hier ggf. wegen Formmangels nichtig (notarielle Beurkundung der Anrechnung auf den Kaufpreis fehlt), aber durch Übertragung letztlich geheilt, § 15 IV 2 GmbHG.
2. Erst dann (!) stellt sich die Nichtigkeit dieses Vertrags nach § 134 BGB iVm § 370 AO. Dagegen kann man schon einwenden, dass die steuerliche Vereinfachung nicht der alleinige oder Hauptzweck der Vereinbarung war. Hauptzweck war die Veräußerung des Geschäftsanteils.
3. Nimmt man Nichtigkeit an, stellt sich noch ein kleines Zusatzproblem: Kann man einen Vertrag kündigen, der nichtig ist? Nach ganz h.M. geht das – aus prozessualen Gründen (sog. Kipp’sche Doppelwirkung im Recht): So kann es einfacher sein, die Voraussetzungen der Kündigung zu beweisen als die der Nichtigkeit wegen § 134 BGB. Daher sollen beide Möglichkeiten offen stehen.