Zivilrecht Z II – November 2012 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank an Julia für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls zu der im November 2012 gelaufenen zweiten Klausur im Zivilrecht in NRW. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sowie Lösungsansätze sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle eurer Klausuren an examensreport@juraexamen.info
zu schicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Die Frage des Schockschadens ist einer Entscheidung des BGH nachgebildet, die wir auch bereits besprochen haben.
Sachverhalt
M, gut verdienender Akademiker aus NRW, will mit seiner Frau F und Sohn S sowie dem 14 Monate alten Labradorwelpen Ramos in den Urlaub. Er nimmt telefonisch Kontakt (wie auch die Jahre zuvor) zum Hotelier H auf, der auf seinem Grundstück in Konstanz ein recht günstiges Hotel betreibt. M bucht am 19.10 ein Zimmer (Nr. 14) für sich, F und S inklusive Frühstück für eine Woche.
Einige Zeit zuvor war in dem Hotel ein erheblicher Wasserschaden aufgetreten. H hatte den selbständig arbeitenden Handwerker A beauftragt alles zu reparieren. Das hat A auch fast komplett getan. Allerdings war an der Decke von Zimmer Nr. 14 noch eine Beschädigung, die aber äußerlich nicht erkennbar war und die A unverschuldet nicht repariert hat. Vielmehr hätte es besonderer technischer Mittel bedurft den Schaden zu erkennen. Am 4. 10. gelten die Reparaturen als abgeschlossen.
M, F, S und der Hund halten sich im Hotelzimmer auf. M und F sind im Badezimmer, während S mit dem Hund im Zimmer spielt. Da stürzt ein Teil der beschädigten Decke hinunter und fällt unglücklich auf den Hund. Dieser stirbt schließlich, noch bevor der herbeigerufene Tierarzt kommt.
F hat das mit angesehen und dabei einen Schock erlitten. Sie wurde medikamentös behandelt.
Aufgaben:
F verlangt von H:
1.) Schadensersatz wegen der Anschaffungskosten für einen neuen Hund. Der alte Hund stand im Eigentum der F und F hat nach dem Unfall einen neuen Welpen gekauft.
2.) Schmerzensgeld wegen des erlittenen Schocks
3.) Entschädigung wegen „des ganzen Ärgers“ wegen entgangener Urlaubsfreude.
Zusatzfrage:
Angenommen M bucht ein Einzelzimmer bei B, der ein Hotel in Italien hat und seine Zimmer auf seiner in Deutsch gehaltenen Website anbietet. Auf der Website spricht er auch ausdrücklich deutsche Urlauber an.
Welches Recht findet aus deutschem Blickwinkel Anwendung?
Bearbeiterhinweis: Art. 23 und 25 der RomI-VO sind nicht zu prüfen.
Hat jemand eine lösung parat ?
Ist eine Anwendung der 651 a ff analog denkbar? es ist zwar nur eine leistung geschuldet , also keine pauschalreise, jedoch nimmt der BGH die 651 a ff analog an wenn die Interessenlage der einen reisevertrages entspricht.
Zudem kennt das Mietrecht einen Anspruch aus 651f II ja nicht …..
Soweit ich das sehe, wird eine Analogie hier nicht vertreten. Die Rspr. wendet die Vorschriften auf Ferienhäuser analog an und auch auf Hotels – aber nur, wenn sie über einen Reiseveranstalter gebucht werden, nicht beim Eigentümer direkt.
Möchte jemand seine Lösung präsentieren ?
Da fragt sich aber, ob man nicht zumindest in dieser Konstellation hier den § 651f II analog auf den Beherbergungsvertrag anwenden kann. Die Interessenlage, ob nun beim Reiseveranstalter oder beim Eigentümer selbst gebucht, ist dieselbe. M hat hier eindeutig zu Urlaubszwecken das Hotelzimmer gebucht, das war dem Hotelier (scheinbar) auch bekannt.
Allein nur darauf abzustellen, ob Vertragspartner ein Reiseveranstalter oder Eigentümer ist überzeugt mich jedenfalls nicht. Denn wie du ja schon sagst wendet die Rspr. Reiserecht durchaus auch auf einzelne Reiseleistungen (wie Ferienhäuser) an.
Interessenlage ist gleich, ok!
Aber für eine Analogie bedarf es mehr Voraussetzungen. Sehe zumindestens keine Planwidrigkeit. Gesetz war eine Umsetzung einer EG Richtlinie für Pauschalurlaube. Man hätte ja sofort mit reinschreiben können auch bei direkter Buchung. Der SInn und Zweck ist ja ein etwas anderer.
Eine Analogie, wenn irgendwo ein Vermittler dazwischen ist, kann ich verstehen, aber nicht wenn direkt gebucht wurde.
Aber allein, dass wir darüber diskutieren, zeigt ja, dass es nicht sehr weit hergeholt ist 😉
Warum sollte hier eine planwidrige Regelungslücke bestehen? Es liegt eindeutig ein Mietvertrag vor, das Mietvertragsrecht kennt eigene, spezifische Tatbestände für Schadenersatz.
Fraglich ist allein, ob „entgangene Urlaubsfreuden“ einen erstattungsfähigen Vermögensschaden – § 253 I BGB – darstellen, da abseits dieser nur in gesetzlich geregelten Fällen (§ 253 II) Geld gezahlt werden muss. Hier waren sicherlich der Kommerzialisierungsgedanke, Frustration o.Ä. anzusprechen und entsprechend zu argumentieren.
Die 651 ff. BGB sind nicht analogiefähig…auch nicht auf Beherbergungsverträge.
Ansprüche aus VSD bzw. DSL kommen mMn ebenfalls in Betracht, sind aber im Ergebnis abzulehnen.
– der Anspruch gegen H auf Abtretung des vertraglichen Schadenersatzanspruchs gegen den Werkunternehmer (§§ 631, 280 I) aus § 285 (entsprechend) iVm den Grundsätzen der Drittschadensliquidation besteht im Ergebnis nicht. Denn dazu müsste F einen Schaden, aber keinen Anspruch haben, der Hotelier müsste einen Anspruch, aber keinen Schaden haben und die Schadensverlagerung von H auf F müsste aus Sicht des Werkunternehmers zufällig erfolgt sein. Die letzten beiden Voraussetzungen liegen mMn nicht vor, da H einen Haftungsschaden gegenüber der F hat und die Schadensverlagerung aus Sicht des Hoteliers auch nicht zufällig erfolgte – denn das bei mangelhaften Werkleistungen in einem Hotel vorrangig dessen Gäste geschädigt werden, ist klar erkennbar.
– ein Anspruch aus §§ 631, 280 iVm den Grundsätzen der VSD scheitert schon daran, dass sich dieser Anspruch wenn dann gegen den Werkunternehmer richten würde, nicht aber gegen den Hotelier.
Aus dem Werkvertrag gibt es ohnehin keinen Anspruch, weder aus DSL noch VSD, da ein Verschulden des H lt. dem hier erschienenen SV ausscheidet („unverschuldet nicht repariert“ (!)).
Gedacht war wohl eher § 536a I 1. Fall, 280 I i.V.m. VSD (Haftung verschuldensunabhängig)…
Für mich stellt sich das als ein Echter Vertrag zugunsten Dritter dar. Mithin liegt ein Beherbergungsvertrag vor. Habe daher nur § 536a I Alt.1 BGB bejaht hinsichtlich der Ersatzbeschaffungskosten, den Rest (§§ 280 I; 823 I; 823 II; 831 I; 836 I BGB) abgelehnt, weil haftungsbegründende Vss nicht vorliegen bzw. die Schäden nicht ersatzfähig sind. Anzuwendendes Recht bei der Zusatzfrage ist im Übrigen italienisches Recht.
Warum italienisches Recht bei der Abwandlung? Art.6 Rom I VO: M hält sich gewöhnlich an seinem Wohnort in Deutschland auf -> deutsches Recht, oder ist da ein Denkfehler?
Ich würde sagen, dass Art. 6 der Rom-I VO auf Mietverträge über unbewegliche Sachen keine Anwendung findet, (Art. 6 Abs. 4 der VO). Daher gilt die allgemeinere Norm des Art. 4 Abs. 1 c Rom-I VO -> Anknüpfungspunkt ist der Liegenheitsort der gemieteten Sache.
Dann würde ital. Recht gelten.
Habe es so gelöst, wie Klaus es beschrieben hat!
Ist es hier auch nicht eine typengemischter Vertrag?? Es sind ja die Elemente des Dienst,- Werk und Mietvertrags drin mitenthalten!!
Allerdings fällt die Unterbringung in einem Hotel auch unter den Dienstleistungsbegriff des Art. 6 Rom-I (Rauscher-Heiderhoff, Art. 6 Rom-I VO Rdnr. 40), da auch noch weitere Leistungen wie Verpflegung etc. erbracht werden.
Über die Bereichsausnahme des Art. 6 Abs. IV lit a) (DL wird ausschließlich im Ausland erbracht) gelangt man dann in den Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 1 lit b) Rom-I VO
-> gewöhnlicher Aufenthaltsort des Dienstleisters (Vermieters)
Da letztlich beide Wege zum Ziel führen, könnte man vorliegend wohl zu beidem argumentieren, ohne sich entscheiden zu müssen. Allerdings spricht „Hotel“ für ein ganz Paket an Leistungen im Gegensatz zur „nackten“ Miete eines Ferienhauses.
Es handelt sich hier nicht um einen Reisevertrag, also KEINEN Se-As aus §651 f BGB. Dafür bräuchte es 2 selbstständige Leistungen, eine Pauschalreise.
Hier liegt nur eine Leistung vor.
Mangels planwidriger Regelungslücke kommt § 651 f. BGB auch nicht analog zur Anwendung.
Zu prüfen wäre also zunächst §536a I BGB. Der Schwerpunkt der Leistung liegt hier nicht auf dem Frühstück, sondern auf der Beherbung.
Hier verlangt F den SE und nicht der ursprüngliche Vertragspartner M. Der M könnte jedoch stellvertretend für die F den Vertag geschlossen haben. Einer Offenkundigkeit bedarf es wegen § 1357 BGB nicht. Das Geschäft ist auch dem äußerlich erkennbaren Lebensstil nach angemessen. Folglich wurde F mitberechtigt- und verpflichtet.
Des weiteren kommt ein AS aus Vetrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht. Hier ist insbesondere das Risiko der versteckten Mängel zu beachten.
Der Schadensersatz für den Hund ist somit zu bejahen.
In Betracht käme auch ein Anspruch aus § 836 BGB bei dem es jedoch wie bei §831 eine Exkulpationsmöglichkeit gibt.
2.) Ein Schmerzensgeld für die Tochter aufgrund eines Schockschadens kommt nicht in Betracht, da die Rechtsprechung bzgl Schockschäden nicht auf Tiere übertragen werden kann. Sie greift nur bei Angehörigen (oder ggf unm. beteiligten Menschen). Der Tod des Haustiers ist (so tragisch es sich auch anfühlen mag) Teil des allgemeinen Lebensrisikos.
3.) Schockschäden werden gem. § 651 f II BGB im Reiserecht ersetzt. Dies ist hier aber (wie bereits oben dargestellt) nicht einschlägig. Dem § 651 f II BGB kommt kein allgemeiner Kommerzialisierungsgedanke zu. Folglich ist der Anspruch i.E. anzulehnen.