Zivilrecht ZIII – Oktober 2014 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der dritten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens im Zivilrecht im Oktober 2014 in NRW. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
K ist 17 Jahre alt und hat einen Führerschein der Klasse A1, um Mofas bis 125cm3 zu fahren. Sein schon volljähriger Freund V hat ein solches Motorrad.
Der V will sich ein Auto kaufen und braucht sein Motorrad daher nicht mehr. K bietet dem V an das Rad für 1000€ zu kaufen, da es noch gut in Schuss ist. V sagt zu. Sie vereinbaren eine Ratenzahlung (10 Raten a 100€) und zudem, dass dem V das Motorrad bis zur vollständigen Zahlung noch gehören solle. Anschließend wird das Moped übergeben.
Der allein sorgeberechtigten Mutter M sagt K nichts vom Kauf, da er glaubt, sie sei nicht einverstanden.
V kauft sich das neue Auto und will es aufrüsten. Er möchte dafür ein Autoradio haben. Er weiss, dass der K auf diesem Gebiet Experte ist und wendet sich an diesen. Allerdings ist er abgelenkt und verspricht sich, sodass er K bittet ein Radio für 200 € statt der gewollten 100€ zu kaufen.
K sagt zu, über den Preis wird aber nicht mehr gesprochen. Wenig später sieht er eine Anzeige des F in den Kleinanzeigen der Lokalzeitung. Er bietet ein Radio für 230€. Er meldet sich bei F und sagt er wolle für V das Radio kaufen. Allerdings wolle der nur 180€ ausgeben. Der F sagt daraufhin, dass er das Radio nicht unter 200€ verkaufen könne, der K nimmt dieses Angebot
an. Sie kommen überein, dass der F das Radio dem V ausliefert.
Als der F das Radio übergeben will, klärt sich die Sache und V sagt, er habe sich versprochen, er weigert sich das Radio anzunehmen.
F ist darüber empört. Er will von V die 200€ Kaufpreis haben. Hilfsweise möchte er Schadensersatz von V. Er wendet (zutreffend) ein, er hätte das Radio anderweitig für 230€ an einen Interessenten veräußern können. Allerdings war zwischenzeitlich eine neue Messe zu Ende gegangen, sodass es mittlerweile neue Produkte gibt, und er jetzt nur noch 180€ für das Radio verlangen könnte, was ebenfalls zutrifft. Am gleichen Tag wurde K volljährig. V erklärt auch ihm, dass er sich versprochen hat.
Wenige Tage später kommt K, stolz über seine Volljährigkeit, bei V mit dem Moped vorbei und zahlt weitere 100€ von seinem Taschengeld. Er hat somit schon 900€ an Raten gezahlt.
Einige Tage später wird das sorgfältig abgeschlossene Moped von einem unbekannten Dieb gestohlen. V verlangt die fällige Rate von K. K will nun nicht mehr an dem Kauf festhalten und verweigert die Zahlung. Er erzählt seiner Mutter M von der Geschichte. Diese ruft bei V an und sagt, der K sei schon nicht an den Kauf gebunden, da er bei Vertragsschluss minderjährig gewesen sei.
A. Welche Ansprüche hat F gegen V und/oder K?
B. Kann V von K Zahlung der letzten Rate iHv 100€ verlangen?
Hinweis: F hatte keine weiteren Aufwendungen.
Lief in Hamburg auch so. Nur, dass der letzte Teil abgewandelt war. K fuhr zum Haus des V, der das nasse Laub in seiner Einfahrt aus Faulheit nicht beseitigt hatte und rutschte mit seinem Mofa aus, wodurch dieses vollständig zerstört wurde. K hätte den Sturz aber abwenden können, wenn er langsamer und vorsichtiger gefahren wäre. Er hatte bisher 500€ an Raten gezahlt und hätte gern noch weiter gezahlt.
Fallfrage war dann nach den gegenseitigen Ansprüchen von K und V.
Hat jemand Lösungsvorschläge?
Nur mal ein paar Ideen:
F vs V
I. § 433 II
V von K vertreten (164).
P1: Kann auch minderjähriger vertreten? (+) § 165 I
P2: Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht möglich? Wenn (+)
P3: Wem muss Erklärung zugehen? Hier muss nicht entschieden werden, da an beide zugegangen und K schon volljährig
Anspruch (-)
II. § 122 I?
P: Negatives Interesse ist hier höher als positives. Daher Beschränkung -> max 20 EUR insgesamt
III. Ggf cic
F vs K
I. § 179 I (-) Arg: K hatte keine Kentnis von der Anfechtung, § 142 II
II. § 179 II (-) Arg: K war noch minderjährig, § 179 III. Zustimmung der M? Hier nicht mehr erforderlich, § 108 III. Keine Genehmigung des K nach Volljährigkeit ersichtlich
Also in Bezug auf 433 II und Anspruch erloschen war wohl insbesondere die Anfechtung problematisch. Und hier genau § 166 II analog…
Dass das GJPA darauf hinaus wollte, ist echt ziemlich mies. Haben bestimmt nicht viele gesehen bzw. das Problem nicht gekannt..
Im zweiten Teil (In Berlin lief der SV mit dem Laub auch)
I. V gegen K
1. § 433 II
P1: Minderjährigkeit des K. Hier § 110 (-) da kein Bewirken durch Ratenzahlen. § 108 III (konkludente Genehmigung durch Ratenzahlung). P2: Fehlendes Erklärungsbewusstsein auf die Genehmigung anwendbar?
Wenn man den Kaufvertrag für wirksam hält, müsste man diskutieren, ob die Gegenleistungspflicht nicht § 326 I unmöglich geworden ist. Hier stellt sich dann das Problem der beiderseitig zu vertrenne Unmöglichkeit.
Im folgenden hätte ich gesagt:
§ 433 II (-) da über § 326 I untergegangen
2. §§ 280 I, 241 II (Schaden im Verlust des Kaufpreisanspruches, gekürzt um den Mitverschuldensanteil von K)
3. § 7 I StVG wohl (-) da Schaden nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst
4. § 989, 990 wohl (-) wenn man den KV für wirksam hält
5. § 823 I wohl (+) aber Problem der Schadenshöhe
Die Gegenleistungspflicht ist nicht unmöglich geworden, da die Übergabe bereits erfolgt ist, s. § 446: Die Preisgefahr geht in dem Moment auf den Käufer über, in dem ihm die Sache übergeben wird, auch beim Eigentumsvorbehalt, d.h. unabhängig davon, ob er in diesem Moment schon Eigentümer wird.
Wenn der Verkäufer bis zur vollständigen KP-Zahlung haften würde, wäre der EV nicht sonderlich attraktiv … 😉
Hm, ich habe daran auch gedacht, da man in folgendem sich sonst ein Problem bei 823 I abschneidet (Erleidet V wirklich einen Schaden wenn er weiterhin den Kaufpreisanspruch gegen K hat? Wohl ja, da das Sicherungsmittel entfällt. Dann müsste man wohl noch erörtern in welcher Höhe).
Zwei Einwendungen jedoch (und ich hatte keinen Kommentar zur Hand, um diese zu verifizieren)
1. 446 I 1 regelt nur den Fall des zufälligen Untergangs. In der Berliner Version des Falles hat der Verkäufer den Untergang der Sache jedoch mitverschuldet
2. Übergabe verlangt den vollständigen Besitzverlust beim Veräußerer. Hier bleibt V durch den EV jedoch mittelbarer Besitzer, da er einen potentiellen schuldrechtlichen Herausgabeanspruch hat
Im Abwandlungsfall, in dem V&K den Rolleruntergang zu vertreten haben, geht es um die beidersetig zu vertr. Unmgl.
Das dachte ich auch. Zu dem Problem würde man aber nicht kommen, wenn man 446 anwendet.
Seid ihr sicher, dass in dem Laubfall der KV wirksam war? Ich habe es auch so, befürchte, aber dass es falsch ist, weil die Genehmigung nach 108 III dem V nicht zugegangen ist. Mit der Folge, dass dann Bereicherungsrecht zu prüfen wäre…
Wieso sollte die nicht zugegangen sein?
War diese nicht sogar konkludent durch die Bezahlung der Rate erteilt worden?
In unserem Fall stand nichts davon, dass er die Rate zahlt, sondern nur, dass er zum Haus des V fährt, wo der Roller zerstört wird und insgesamt schon 500€ gezahlt wurden… Ich habe daher auf die Benutzung des Motorrollers abgestellt.
Also in Brandenburg/Berlin stand, dass eine weitere Rate gezahlt wurde nach dem Geburtstag. Dann fährt er hin, um noch eine Rate zu bezahlen. Daher liegt in der ersten Ratenzahlung nach dem Geburtstag wohl eine konkludente Genehmigung.
Habe bei 326 auch mit 446 argumentiert und die Frage nach einer etwaigen überwiegenden Verantwortung des K offen gelassen und auf später verwiesen. Der Hinweis zu 446 hat aber durchaus was. Wobei das Verschulden des V hier irrelevant sein dürfte, um nicht die Grenze zu 823 ff zu verwischen. Mit dem BMV ist das schon schwieriger, obwohl ich hier Übergabe und Übergabesurrogat wie in 929, 930 gleichsetzen würde, ansonsten hätte man an dieser Stelle m.E. einen Systembruch zu den 929 ff.