Zivilrecht ZI – Juni 2016 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank auch für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur im Zivilrecht des 1. Staatsexamens im Juni 2016 in NRW. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
A und F sind verheiratet und leben getrennt. Für den gemeinsamen Sohn S hat F das alleinige Sorgerecht.
A plant mit Einverständnis der F einen gemeinsamen Urlaub mit S für 2 Wochen in Südafrika.
A lässt sich im Reisebüro der V-GmbH beraten und entscheidet sich für das „Exklusiv-Reisepaket“ mit Hin- und Rückflug, Unterbringung und Vollverpflegung in einem 4-Sterne-Hotel sowie einer 4tägigen Safaritour mit Übernachtung in Mehrpersonenzelten aus dem Reisekatalog. Für A beträgt der Preis 3500€ und für S 2500€. B die Mitarbeiterin des Reisebüros weist A darauf hin, dass mit einem Vertragsschluss auch die „Allgemeinen Reisebedingungen“ (ARB) der V-GmbH gelten. Unter anderem Ziffer 10:
„Für Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche mit Ausnahme von vorsätzlichen Pflichtverletzungen und für Ansprüche auf Rückzahlung wegen Minderung beträgt die Verjährungsfrist 1 Jahr und beginnt mit dem Tag des vertraglich vereinbarten Endes der Reise.“
A hat eine Sehschwäche und seine Brille im Auto vergessen und kann deshalb das Kleingedruckte nicht lesen. Er bittet B unter Hinweis auf seine Sehschwäche ihm die wesentlichen Punkte vorzulesen. B liest das ihr als Wesentlich Erscheinende vor. Ziffer 10 liest sie unter anderem nicht vor. A ist einverstanden und unterschreibt daraufhin den Buchungsauftrag.
Wenige Tage später erhält er von der V-GmbH eine Buchungsbestätigung und weitere Reiseinformationen.
Er überweist den gesamten Betrag.
A und S treten die Reise an und müssen im Hotel angekommen feststellen, dass dieses nur 3 Sterne hat. A beschwert sich umgehend, woraufhin er an den örtlichen Vertreter der V-GmbH M verwiesen wird. Dieser sagt wahrheitsgemäß, dass es kein anderes 4-Sterne-Hotel in der Umgebung gibt. Daraufhin beziehen A und S ihr Hotelzimmer.
Auf der Safaritour (geleitet von M als erfahrenem und seit 10 Jahren stets pflichtbewusstem Reiseleiter) kann A nachts nicht schlafen. Zum einen stört ihn das laute Summen der Mücken außerhalb des Zelts. Zum anderen schnarcht sein Zeltmitbewohner T. Am nächsten Morgen beschwert sich A bei M. Dieser weist T ein Einzelzelt zu und sagt aber, dass das Summen der Mücken landes- und klimatypisch sei. A kann daraufhin auch die nächsten 3 Nächte nicht schlafen.
Zum Ende der Safaritour lässt M die Reiseteilnehmer in ein Großgehege mit ungefährlichen Meerkatzen. Diese sind so zahm und an Menschen gewöhnt, dass M keinerlei Verhaltensregeln für das Betreten des Geheges aufstellt. Während M die Tür aufhält und aufgrund einer Nachfrage einer älteren Teilnehmerin nach den Meerkatzen nicht aufpasst, gelangt ein gefährlicher Bärenpavian von M ungesehen in das Gehege. S streichelt den aus seiner Sicht zahmen Bärenpavian. Dieser beißt ihn in die linkte Hand, woraufhin S sich eine tiefe Fleischwunde zuzieht und sofort von M und A in ein Krankenhaus gebracht wird.
A und S landen wieder in Hamburg wie geplant am 14.3.15.
Am 1.4.15 macht A per E-Mail an die V-GmbH Ansprüche auf Reisepreisrückzahlung iHv 700€ geltend (350€ für Sterneklassifizierung und je 175€ für Safaritour Unannehmlichkeiten) sowie einen noch nicht bezifferten Schmerzensgeldanspruch für die Verletzung des S.
Daraufhin reger E-Mail-Verkehr zwischen A und J, dem Justiziar der V-GmbH. Die Verhandlungen scheitern jedoch am 12.5.15. J verweist dann A auf eine gerichtliche Geltendmachung.
In der Folgezeit hat A sehr viel zu tun und so keine Zeit sich über eine mögliche gerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche zu informieren.
Ein Bekannter macht ihn jedoch dann darauf aufmerksam, dass er sich den Schmerzensgeldanspruch doch von S abtreten lassen solle und dann alsbald Klage erheben solle.
Daraufhin tritt F als Vetreterin für S dem A alle Ansprüche aufgrund des Pavianbisses ab.
Am 6.4.16 erhebt A vetreten durch einen RA Klage beim zuständigen AG auf Rückzahlung von 700€ und Zahlung von Schmerzensgeld iHv 1000€.
J erhebt die Einrede der Verjährung und meint außerdem die Abtretung sei unwirksam.
Ist die zulässige Klage begründet?
Bearbeitervermerk:
• Ggf. Hilfsgutachten
• Der Pavianbiss stellt keinen Reisemangel dar
• Anforderungen aus der BGB-InfoV wurden eingehalten
Die Abtretung könnte aufgrund des Bestimmtheitsgebots im Sachenrecht unwirksam sein, richtig? Die Höhe des Anspruchs war noch nicht bekannt. Bekanntlich ist die Abtretung nach der Prinzenrollentheorie ja ein dingliches Recht. Ansonsten bestehen Ansprüche aus §651d Abs. I ivm VSD für S. Ein Anspruch aus §651f besteht dann wohl mangels Reisemangel nicht- sicher, dass im Sachverhalt stand, der Biss sei (k)ein Reisemangel!? Ansonsten ist die AGB auch unwirksam , weil sie nicht wirksam einbezogen wurde, §305 Abs. II BGB
Safari Thematik auch bei BGH Urt v 12.1.16, X ZR 4/15, RÜ 7/2016 s 414