Zivilrecht ZI – Februar 2013 – 1. Staatsexamen Hessen, Sachsen
Vielen Dank an Olga für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls zu der im Februar 2013 gelaufenen ersten Klausur im Zivilrecht in Sachsen und Hessen. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sowie Lösungsansätze sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
Die Leipzig-GbR (L-GbR) besteht aus den Gesellschaftern A, B und C und handelt mit Immobilien. Sie kauft, verkauft und verwaltet Grundstücke. Alle Gesellschafter haben Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis. Als Eigentümerin der Grundstücke ist die L-GbR samt A, B, und C im Grundbuch eingetragen, § 47 Abs. 2 S. 1 GBO.
Kurze Zeit später scheidet C aus der L-GbR aus. Ihm wird eine Abfindung gezahlt. Trotzdem hat C finanzielle Schwierigkeiten. Außerdem vergessen A und B, C aus dem Grundbuch zu löschen.
C findet einen Kaufinteressenten D, der eines der Grundstücke von L-GbR erwerben will. C zeigt D die Kopie eines ursprünglich abgeschlossen Gesellschaftsvetrages, der ihn als Gesellschafter ausweist. D und C schließen einen notariell beurkundeten Kaufvetrag ab und erklären die Auflassung. C handelte dabei im Namen der L-GbR. D wird dann kurze Zeit später in das Grundbuch als Eigentümer des Grundstücks eingetragen.
Erst jetzt bemerken A und B alles. Sie verlangen von D die Grundbuchberichtung, jedenfalls soll D zur „Rückgabe“ verpflichtet werden.D wendet sich an Rechtsanwalt R und möchte wissen, ob die Ansprüche der L-GbR gegen ihn Bestand haben.
Aufgabe 1: Es ist das Gutachten von R dahingehend vorzubereiten, ob die behaupteten Ansprüche gegen D bestehen.
C hat einen Onkel, den O. O hat eine Ranch, auf der er sich mit Pferden beschäftigt. C hilft seinem Onkel O dabei. Kurze Zeit später findet sich ein Kaufinteressent R, der die Ranch des O kaufen will, um dort seine Pferde zu züchten. O hat aber kein Interesse daran, er will weiter selbst die Ranch betreiben. C ist von dem Verhalten des O entsetzt. Kurz danach hat O einen Unfall und muss ins Krankenhaus. C sieht darin eine gute Gelegenheit, die Sache mit der Erbschaft zu erledigen, da er davon ausgeht, dass O sehr krank ist. C stellt einen täuschend echt aussehenden Erbschein her und begibt sich mit dem „Erbschein“ zum Grundbuchamt. Daraufhin wird er ins Grundbuch als Eigentümer der Ranch eingetragen.
Danach kontaktiert C den R und vereinbart mit ihm einen Notartermin. Es wird ein notariell beurkundeter Kaufvertrag geschlossen und die Auflassung erklärt, gleichzeitig bewilligt C zugunsten des R eine Auflassungsvormerkung. Sie wird am 21.12.2012 ins Grundbuch eingetragen. O wird jedoch schnell wieder gesund. Er findet zufällig die Kaufverträge und schaltet einen Rechtsanwalt ein, der einen Widerspruch gegen die Stellung des C als Eigentümer ins Grundbuch am 28.12.2012 eintragen lässt. O wird kurz danach als Eigentümer der Ranch eingetragen.
R weiß davon aber nichts. Er zahlt den vereinbarten Kaufpreis an C. Daraufhin soll der Notar beim Grundbuchamt die Eintragung von R ins Grundbuch bewirken. Der Grundbuchbeamte sagt dem Notar, dass er diese Eintragung nur mit der Zustimmung von O bewirken kann.
Aufgabe 2: Es ist zu prüfen, ob R von O die Zustimmung zur Eintragung verlangen kann.
Aufgabe 3: Unterstellt, dies ist der Fall, mit welchen Zwangsmitteln kann R die Zustimmung durchsetzen?
Kennt jmd. einen Lösungsvorschlag für den zweiten Teil?
wie in Sachsen ZR I
Im 1. Teil schließt C gerade nicht ausdrücklich „im Namen der GbR“ den KV ab, sondern legt lediglich den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag vor. M. E. ist das entscheidend, da an diesem Punkt eine evtl. bestehende Rechtsscheinsvollmacht diskutiert wird.
Ich habs jedoch auch in erinnerung, dass der C im Namen der L-GbR den Kaufvertrag mit D abschliesst….
Aufgabe 2:
Anspruch des R vs O gem. 888 (analog, strittig) BGB
I. R ist Inhaber einer Vormerkung
1. zu sichernder Anspruch und Form 311b
2. Eintragung des R ins GB gem. 13 GBO
Bewilligung gem. 19 GBO des formell Berechtigten.
3. Einigsein R + C
4. Verfügungsbefugnis C (-)
– Überwindung umstritten ob gem. 892 oder 893
a) RG iSe VG
b) Unrichtiges GB
c) Gutläubiger R
d) Kein Widerspruch
= Vormerkung für R (+)
II. Erwerb eines Rechts durch O
– Jedenfalls durch einen gesetzlichen Umstand
III. Unwirksamkeit dieser „Verfügung“
Gem. 883 II analog (umstritten) ist nachträgliche, den R beeinträchtigende Verfügung unwirksam.
IV. Rechtsfolge
Anspruch des R auf Zustimmung.
Aufgabe 3:
Leistungsklage, dann Fiktion der Zustimmung nach 894 S.1 ZPO.
Was mache ich genau bei Aufgabe 1? Nur GrundbuchberichtigungsAS oder auch RückgabeAS?
Erst § 894 BGB – Grundbuchberichtigung.
Problem bei der Einigung, da C Vertretungsmacht fehlt. Aber über § 899a (und m.E. vorrangig vor allg. Rechtsschein o.Ä.) Gutglaubensschutz ausgeweitet auf Gesellschafterstellung des C. Das i.V.m. dem Gesellschaftsvertrag (jeder einzeln geschäftsführungsbefugt) führt zu wirksamer Vertretung der GbR durch C -> Übereignung wirksam.
Dann § 812 I 1 1. Fall gerichtet auf Rückübereignung des Grundstücks. Rechtsgrund könnte nur ein wirksamer Kaufvertrag GbR – D sein.
§ 899a BGB greift aber nur „in Ansehung des eingetragenen Rechts“, sprich: nur auf dinglicher Ebene.
Über die Analogiefähigkeit wird gestritten, die h.M. lehnt das ab.
– kein Grund, den Erwerber von der GbR gegenüber § 892, dem Normalfall zu privilegieren, indem der gutgl. Erwerb kondiktionsfest ist.
– Gesetzgeber wollte Grundbuch nicht zu einem allg. GbR-Register machen.
Anspruch besteht daher.
Teil 2 und 3 hat JudgeDredd m.M.n. richtig zusammengefasst, auch wenn bei II. problematisch ist, dass R überhaupt kein Recht – auch nicht „gesetzlich“ erwirbt – er korrigiert nur das GB, war aber die gesamte Zeit Eigentümer.
Hallo Klaus, ich weiß dass der Eintrag schon drei Jahre her ist, aber ich schreibe gerade an meiner Hausarbeit und habe genau den Sachverhalt bekommen. Stecke gerade bei dem 899a fest, genauer bei der Frage der Anwendung. Jeder verneint dies, ich jedoch bin auch der Meinung dass 899a zu bejahen ist. Vielleicht kannst du mir ja helfen und sagen mit welcher Argumentation ich doch noch zu dem Ergebnis komme.
Liebe Grüße
Hab eine Anmerkung zu Aufgabe 1:
Kann § 899a denn wirklich greifen? Immerhin schützt § 899a nicht den guten Glauben in eine besonders geregelte Vertretungsbefugnis, sondern immer nur darin, dass diejenigen auch Gesellschafter sind, die im GB eingetragen sind. Daraus abgeleitet folgt ein Gutglaubensschutz (besser kraft öffentlichen Glaubens des GB) nur für die gesetzliche Vertretungsbefugnis (vgl. §§ 709, 714). D.h. alle aus dem GB ersichtlichen Gesellschafter gemeinschaftlich.
Hier noch eine Anmerkung bzw. Anregung zu Aufgabe 2:
M.E. sollte noch die Auswirkungen des Widerspruchs bzgl. der Anspruchsvereitelung diskutiert werden. Da der Widerspruch noch vor GB-Änderung erfolgte, könnte man argumentieren, dass der Auflassungsanspruch von R. bereits im Zeitpunkt der Widerspruchseintragung untergegangen ist (vgl. § 275 BGB). Begründung: R kann Eigentum nur vom Nichtberechtigten C erlangen. Dafür müssen Voraussetzungen des § 892 I BGB vorliegen. Durch Widerspruch liegen diese aber nicht mehr vor.
Streitentscheid: Vormerkung verlagert maßgeblichen Zeitpunkt des § 892 I auf Vormerkungseintragung.
Stimmt, ist noch ein Punkt…. hM sagt: Egal, es zählt die Antragsstellung im Rahmen der Vormerkung. Spätere Bösgläubigkeit schadet nicht.
Zum 2. Teil:
Wäre nicht auch der gutgläubige Erwerb eines Anwartschaftsrechts denkbar (nach BGH zumindest, wenn bei Auflassung wie hier auch eine Vormerkung bestellt wurde), das bei Zahlung auf die akzessorische Kaufpreisforderung zum Vollrecht erstarkt und zu 894 statt 888 BGB führt? Immerhin wurde im Verlauf des SV ja nur der Rechtsscheinträger Grundbuch geändert, die tatsächliche Eigentümerstellung des O hatte sich ja nie verändert, insbesondere hat er nicht als Dritter ein Recht erworben, das gegenüber R relativ gesehen unwirksam wäre, sondern sich nur rückeintragen lassen. Oder hat diese Lösung einen Denkfehler?
Zum 3. Teil:
Was ist hier mit 935ff., 941 ZPO?
O war immer materieller Eigentümer, klar.
Bis R die Vormerkung erwerben konnte.
Zum AWR an Grundstücken:
Ich denke, daß man über eine solche Lösung auch gehen könnte. Trotzdem ist sehr umständlich!
Erstmal ist umstritten, ob ein AWR am Grundstück überhaupt möglich ist.
Diejenigen, die es bejahen streiten darum, wann es entsteht.
BGH = Ab Eintragung und Antragsstellung beim Grundbuchamt.
Was fällt auf? Das entspricht doch der Vormerkung! Diese hat sogar noch den Vorteil, daß sie eingetragen werden kann und beim Grundbuchamt das Prioritätsprinzip gilt gem. 17 GBO gilt.
Das ist unterm Strich mehr Wert als 161 BGB…
Ein Anwartschaftsrecht hat R durch die Vormerkung nach dem BGH erlangt. Allerdings erstarkt dieses, anders als beim Anwartschaftsrecht beim EBV, nicht durch Kaufpreiszahlung zum Vollrecht. Es bedarf schon der Eintragung ins GB dazu (vgl. § 873 BGB). Außerdem kann die KP-Zahlung im Immobiliarsachenrecht keine Bedingung für die Einigung sein, § 925 II BGB.
Zu Aufgabe 3.
Gefragt war doch nur, ob R Zwangsmittel zur Anspruchdurchsetzung benötigt oder? Das tut er nicht, da gem. § 894 ZPO mit dem Urteil die Zustimmung als erteilt gilt.
Zu Teil 2: Das klingt auf jeden Fall logisch. § 894 BGB war eben die „Notlösung“, da § 888 BGB nicht recht passen wollte. Von der Überlegung her sicher vergleichbar, aber halt dogmatisch falsch – irgendwie wäre sonst auch § 888 BGB überflüssig. 🙂
Die Rückeintragung als „Verfügung“ zu sehen, dürfte wohl der einzig sinnvolle Weg sein.
Die Fragestellung zu 3.) war: Unterstellt, er hat einen Anspruch auf Zustimmung, kann er diesen auch mit Zwangsmitteln durchsetzen und wenn ja, wie?
Bearbeitungszeitpunkt sollte der 19.02.2013 sein.
Ergänzung noch zu Teil 1:
Hatte es auch so, dass §899a keinen guten Glauben hinsichtlich der Alleinvertretungsbefugnis schützen könne, der Aufsatz hier sieht das ähnlich:
http://www.zjs-online.com/dat/artikel/2009_6_247.pdf (S. 609, rechte Spalte).
Zudem war im Sachverhalt der exakte Wortlaut der Grundbucheintragung in Anführungszeichen angegeben: „Die L-GbR, bestehend aus A, B und C“.
So, jedoch ohne Frage 3 in Hamburg im August als ZR II.
Hat denn keiner dieses Staatsexamen damals mitgeschrieben und eine Musterlösung dazu?
Würde mir ganz arg helfen! 🙂
Hi Jasmin, ich bin nun an der Reihe mit dem gleichen SV und wollte mal fragen, ob du mir nun ggf. weiterhelfen könntest 🙂