Zivilrecht Z III – August 2013 – 1. Staatsexamen NRW, Rheinland-Pfalz
Vielen Dank an Dina für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der im August 2013 in NRW und RLP gelaufenen dritten Klausur im Zivilrecht. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
M und F sind seit 1995 verheiratet. Am 01.04.1997 bringt F die gemeinsame Tochter J zur Welt. M ist nicht der biologische Vater, aber das macht ihm nichts. Seit 2010 sind M und F getrennt, J sieht den M aber jedes Wochenende und sie verstehen sich gut.
Anfang 2012 lernt J den drogenabhängigen R kennen. Sie möchte ihm helfen, von den Drogen los zu kommen. M und F sind mit der Beziehung nicht einverstanden. Er kennt das wahre Alter der J.
Im Sommer 2012 verreist F mit der J nach Mecklenburg-Vorpommern. R reist den beiden hinterher und er und J treffen sich heimlich.
Bei einem der Treffen schlägt R der J vor, mit ihm jetzt gemeinsam eine Weltreise zu unternehmen. J sagt, ihre Eltern würden es nicht gut heißen, wenn sie sich mehrere Kilometer vom Hotel ohne Erlaubnis entfernten. R fragt sie, ob seine Liebe ihr nicht mehr wert sei, als die Eltern? J möchte nicht. R sagt ihr, sie solle sich ihm nicht widersetzen. Er sei der Mann und der Volljährige. Er setzt sie so unter Druck, dass sie sich irgendwann bereits erklärt, mit ihm aufzubrechen.
Sie hinterlässt ihren Eltern einen Zettel mit dem Inhalt, dass sie sich keine Sorgen machen bräuchten, sie sei in acht Monaten zurück. F fährt daraufhin zurück nach Köln und informiert M. Sie gehen zur Polizei. Diese kann die J jedoch nicht finden. F beauftragt daraufhin den Detektiv H mit der Suche der J. M ist mit der Wahl des H nicht einverstanden und beauftragt den Detektiv W zu einem üblichen Stundenlohn für detektivische Tätigkeiten. Sie vereinbaren vorerst eine Stundenanzahl von 100 Stunden.
J und R sind in der Zwischenzeit am Bodensee angelangt. R hat der J in der Zeit bewusstseinsbeeinflussende Drogen verabreicht und nahm dabei billigend in Kauf, dass sie abhängig werden würde. Was auch geschah. J hatte keine Kenntnis darüber, dass man ihr die Drogen verabreicht. J wird sich später einer Entziehungskur gegen die Drogenabhängigkeit unterziehen. Die Krankenkasse der J übernimmt die Kosten dafür nicht.
H findet schließlich nach vier Wochen Suche J am Bodensee. Er informiert ihre Eltern, die sie abholen. W hatte zu diesem Zeitpunkt schon 80 Zeitstunden mit der Suche verwendet. M beendet daraufhin den Vertrag mit W. Später findet er heraus, dass W – was zutrifft – mangelhaft gearbeitet hat und seine Suche minderwertig war. Er beruft sich darauf, dass er nicht zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sei, da H und nicht W die J gefunden habe und er desweiteren minderwertig gesucht hätte.
Ansprüche aus GoA und StGB sind nicht zu prüfen
(Anm. in RLP gab es den oben genannten Hinweis nicht, dafür war die Prüfung von § 823 II BGB ausgeschlossen)
Frage 1: Hat F einen Anspruch gegen R auf Ersatz der Detektivkosten?
Frage 2: Haben M und F einen Anspruch gegen R auf Ersatz der Hin- und Rückreisekosten Bodensee-Köln?
Frage 3: Können M und F, im Namen der J, die Kosten der Entziehungskur geltend machen?
Frage 4: Hat W gegen M einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung in Höhe der 80 Stunden?
Anmerkung: In Rheinland-Pfalz war kein Hinweis enthalten, dass das StGB nicht zu prüfen sei. Stattdessen wurde darauf hingewisen, § 823 II BGB nicht zu prüfen.
Wie würdet ihr hier die Klausur bearbeiten?
Wie löst man das?
ebenfalls in Thüringen
(Zivilrecht I)
Auch in rlp…
Ansprüche „aus StGB“? Ist damit § 823 II iVm Normen aus dem StGB gemeint?
Gegen den „Entführer“ könnte man Ansprüche aus § 823
I, II haben, sofern man die „elterliche Sorge“ als sonstiges Recht iSd § 823 I ansieht oder zumindest eine Norm der §§ 1626 ff. als Schutzgesetz iSd § 823 II versteht.
Der Hinweis auf das StGB soll hier wohl tatsächlich Ansprüche aus § 823 II iVm StGB-Normen ausschließen.
Mal ein paar Ideen:
Frage 1: Anspruch auf Detektivkosten, § 823 I iVm § 1626
– Elterliche Sorge als sonstiges Recht, iSd § 823 I
– Verletzung dieses Rechts seitens R durch Ausübung von Druck auf J; etwaige Einwilligung der R lässt mangels Wirksamkeit haftungsbegründenden Zurechnungszusammenhang (bzw. Rechtswidrigkeit) nicht entfallen
– Haftungsausfüllende Kausalität: Detektivkosten vom Schutzzweck der Norm erfasst, da angemessene Reaktion. F durfte sich insb. herausgefordert fühlen einen Detektiv zu beauftragen
– Anspruch aus § 826 scheitert am fehlenden Schädigungsvorsatz des R
Frage 2: Anspruch Reisekosten, § 823 I iVm § 1626
– auch hier ist unter Herausforderungsgesichtspunkten die haftungsausfüllende Kausalität zu bejahen
Frage 3: Anspruch J auf Ersatz Heilungskosten, § 823
– Anspruch aufgrund der Unterhaltsverpflichtung der Eltern nicht ausgeschlossen, § 843 IV
Frage 4: Anspruch Zahlung Vergütung, § 611 I
– Abgrenzung zum Werkvertrag (hier: nur Tätigkeit geschuldet)
– Keine Gewährleistungsrechte im Dienstvertragsrecht vorhanden, daher bei „Schlechtleistung“ nur Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus § 280 I denkbar
Das hört sich doch ganz gut an. Beim Detektiv könnte man auch an §§ 627 ff. denken. Die Höhe des Anspruchs würde sich dann nach § 628 I 1 richten.
Bzw. nach § 628 I 2: Sofern die Leistung des Detektiv nicht von „Interesse“ für die Eltern war und man annimmt, dass er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung veranlasst hat, würde sein Entgeltanspruch sogar ganz entfallen. Setzt allerdings alles voraus, dass es sich hier um einen Dienstvertrag iSd § 627 handelt. Wenn man das verneint, muss man mMn den Weg über die Aufrechnung mit dem Gegenanspruch aus § 280 I gehen.
Wo ist der Schaden? Er hat ja noch nicht bezahlt. Aber mglw. §320, wenn die gelieferte Leistung nicht die geschuldete war. Was geschuldet war, ergibt sich aus dem Vertrag. Dem dürften die Parteien eine Leistung zugrunde gelegt haben, die zwar nicht zwingend den bezweckten Erfolg erzielt (denn dann wäre es ein Werkvertrag), die aber zumindest zur Erfolgsherbeiführung geeignet ist.
Habe nicht behauptet, dass es einen Schaden gibt 😉 Sehe ehrlich gesagt auch keinen.
§ 320 wird aber wohl auch nicht gehen, da die Tätigkeit des Detektivs nach Auffinden des Kindes sinnlos und damit unmöglich geworden ist. Es besteht damit kein fälliger Gegenanspruch des M mehr.
Die Unmöglichkeit hilft dem M aber nicht für die bereits geleisteten 80 Stunden, da für diese Zeit noch keine Unmöglichkeit bestanden hat. § 326 I greift somit nicht.
Ein interessengerechtes Ergebnis ließe sich möglicherweise dadurch konstruieren, dass man doch einen Werkvertrag annimmt mit der Maßgabe, dass als Erfolg nur die bestmögliche Suche nach dem Kind geschuldet ist (in diese Richtung geht ja auch deine Überlegung).
Man setzt sich damit aber leicht dem Verdacht aus, die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers im Dienstvertragsrecht auf ein Gewährleistungsrecht zu verzichten umgehen zu wollen.
Zudem entspricht es meines Wissens nach ständiger Rspr., dass ein Detektivvertrag ein Dienstvertrag ist. Vertretbar dürfte aber bestimmt beides sein.
Kleine Ergänzung, habe gerade mal im Kommentar nachgeschlagen (BeckOK, § 611 Rn. 88):
„Die Rspr versagt dann aber einen Anspruch auf Vergütung, wenn die erbrachten Dienste infolge einer vom Dienstverpflichteten zu vertretenden Schlechtleistung für den Dienstberechtigten ohne Interesse sind. Dann wird ein Schadensersatzanspruch (§ 280 Abs 1) angenommen, der gemäß § 249 Abs 1 (Naturalrestitution!) auf Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet ist (…)
Letztlich ließe sich auch gegen diese Begründung anführen, dass indirekt ein Gewährleistungsanspruch eingeführt wird.“
Das wäre wohl hier die einzige Möglichkeit für den M, sofern man an der Qualifizierung als Dienstvertrag festhält und dem M kein sonstiger Schaden entstanden ist.
Wie wäre es denn mit nem Rücktritt auf Grund von 323 wegen der nicht vertragsgemäßen Leistung?!
§ 323 bei einem Dauerschuldverhältnis? Kündigung ist da lex specialis.
Bzgl deiner Idee zu frage 1: der f ist doch nur ein Vermögenschaden durch das engagieren des Detektives entstanden und Vermögen ist doch Kein durch 823 geschütztes Rechtsgut???
Das ist so nicht richtig.
Bei Frage 1 ist verletztes Recht das elterliche Sorgerecht als „sonstiges Recht“ gem. § 823 I. Aus dieser Rechtsverletzung entstehende Vermögensschäden sind (natürlich) ersatzfähig.
Anders wäre dies nur bei primären Vermögensschäden; ein solcher liegt aber hier weder bei Frage 1 (verletztes Recht = Sorgerecht) noch bei Frage 3 (verletztes Recht = Gesundheit, Körper) vor.
Ok klingt logisch. Du machst deinem Namen alle Ehre. Danke.
Ich habe §1631 I i.V.m §1632 II als Schutzgesetz qualifiziert. Wird aber nirgends vertreten (aber auch nicht abgelehnt). War aber nur ein kleiner Prüfungspunkt, weil §823 I durchgeht.
Also ich hab in frage 1 §823 I iVm elterlicher sorge bejaht, zusätzlich noch §§280 I,II,286 BGB bejaht und §826 BGB bejaht, weil ich den vorsatz des R bejaht habe, da er ja von der tatsache wusste, dass die j sich nicht vom hotel entfernen durfte und er somit in kauf genommen hat, dass ihre eltern sie suchen werden.
in frage 2 hab ich §§280 I,III,281 und §284 BGB bejaht und in frage 3 dem detektiv das geld über §§611,612 BGB zugesprochen, da es ja eben ein dienstevertrag ist und kein wv und er somit nicht dafür einzustehen hat, da er mangelhaft gesucht hat.
Womit hast du denn die für § 280 jeweils erforderlichen Schuldverhältnisse begründet?
823 als gesetzliches sv
§ 280 ist auf § 823 nicht anwendbar, vgl. BeckOK, § 280 Rn. 2 ff.:
„§ 280 gilt für alle Arten von Schuldverhältnissen des BGB außer denjenigen, die durch eine unerlaubte Handlung iSd §§ 823 ff entstehen. (…) „
steht das sonst noch irgendwo? im palandt oder in zahlreichen anderen lehrbüchern steht da nix dazu…
§ 280 setzt ein bestehendes Schuldverhältnis voraus. Eine Handlung, durch die in ein nach § 823 I geschützes Rechtsgut eingegriffen wird, begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis erst, kann also nicht gleichzeitig eine Pflichtverletzung im Rahmen eines schon bestehenden Schuldverhältnisses sein.
Hier eine passende Gerichtsentscheidung
http://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/bghz111_168.htm