Zivilrecht Z II – September 2012 – 1. Staatsexamen Baden-Württemberg
Vielen Dank an Anna für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls zu der im September 2012 gelaufenen zweiten Klausur im Zivilrecht. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sowie Lösungsansätze sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
V betreibt einen Handel für Naturkosmetik. Sie führt zwar das Kürzel „e.K.“, ist jedoch nicht in das Handelsregister eingetragen. Sie hat nur geringe Umsätze und keine Angestellten.
Die H-GmbH beliefert die V regelmäßig mit Duschcremes und Haarshampoos. In den verwendeten Vertragsformularen, die auszugsweise abgedruckt waren, behält sie sich das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vor. Der Käufer erhält allerdings die Befugnis zur Weiterveräußerung der Vorbehaltsware. Zudem werden alle so erworbenen Forderungen an die H-GmbH im Voraus abgetreten. Der Käufer erhält für diese jedoch eine Einziehungsermächtigung. Treten konkrete Umstände auf, die nahelegen, dass H die Forderungen nicht erhält, kann die Weiterveräußerungsbefugnis widerrufen werden.
V bestellt bei H für 8000 € 10 Kartons Duschcremes und Shampoos, die angeliefert werden.
Es stellt sich heraus, dass die V zuvor bereits der B-Bank e.G. für einen Betriebskredit iHv 10000 € per Globalzession alle Forderungen bis zu einem Gesamtbetrag iHv 12000 € abgetreten hatte.
Auf Nachfragen der H reagiert V nicht, außerdem braucht sie länger bei der Rechnungsbegleichung als gewöhnlich, so dass H die Weiterveräußerungsbefugnis widerruft.
Dennoch veräußert V 5 Kartons für 5000 € an das Wellnesshotel W im Bezirk des Amtsgerichts Freudenstadt, das die Klausel zwischen H und V kennt und auch weiß, das V stets erst nach Erhalt des Kaufpreises selbst an H zahlt. Von dem Widerruf weiß W nichts. W zahlt daher sofort die 5000 € an V.
Nach Lieferung an W werden die Kartons sofort formal wirksam nach §§ 803 ff, 808 ff ZPO von C gepfändet.
Aufgabe 1: Inwieweit kann die H-GmbH erfolgreich gerichtlich gegen die Zwangsvollstreckung des C in die von V an W gelieferten Kartons vorgehen?
V möchte die anderen 5 Kartons an die T-GmbH veräußern. Sie ruft unter der Nummer der Geschäftsführerin Gia G. an. Dort geht die Sekretärin mit „Büro Gia G.“ ans Telefon. Die Telefonverbindung ist jedoch schlecht und V für einen kurzen Moment unkonzentriert und versteht diese deshalb falsch. Sie geht auch aufgrund der weiblichen Stimme davon aus, mit G zu telefonieren. Daraufhin unterbreitet sie ihr Angebot. Die Sekretärin erklärt „Moment, ich notiere das“ und sagt etwas ähnliches wie, dass das in Ordnung gehe und sie das Angebot weiterleite. V geht schließlich von der Annahme des Angebots aus. Die Sekretärin leitet das Angebot an G weiter, die beschließt darauf nicht zu antworten, da sie nicht interessiert ist. Auf das Fax, das den Vertrag bestätigen soll, antwortet sie ebenfalls nicht. Die 5 Kartons nebst Rechnung sendet die T an V unfrei zurück.
Aufgabe 2: Hat V einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung?
Zu Aufgabe 2:
„und sagt etwas ähnliches wie, dass das in Ordnung gehe und sie das Angebot weiterleite. “
Von einer Weiterleitung sagt die Sekretärin NICHTS, sie sagte: „Moment, ich notiere“ und nach einem kurzen Augenblick „Geht in Ordnung“. Danach wird das Gespräch beendet.
Neben der unfreien Rücksendung antwortet G noch per Mail, dass sie kein Interesse daran habe. Dies erfolgte gleichzeitig und laut SV erst „eine gute Woche später“
Passt bei Aufgabe 1 der „klassische Streit“ zur Entstehung eines Pfändungspfandrechts? Wenn ja, an welcher Stelle sollte man das prüfen?
Meiner Meinung nach ist der Streit irrelevant, weil mangels Verwertung der Sache jedenfalls kein Eigentumsverlust eingetreten ist und es deswegen nur darauf ankommt, ob W Eigentum erlangt hat.
naja…meines Erachtens spielt das PPR schon ne Rolle im Rahmen der Begrifflichkeit „eines die Veräußerung hindernden Rechts“(§771 I ZPO)…denn sofern ein Gläubiger ein „besseres Recht hat, als der Kläger, der gerade die Pfändung in die besagten Gegenstände verhindern will, muss das auf jeden Fall angesprochen werden…
Also falls kurz mal jemand die Lösungsgliederung zu Aufgabe 1 einstellen könnt, wäre ich sehr dankbar 😉
A. Zulässigkeit § 771 ZPO
I. Statthaftigkeit: Abgrenzung zu §§ 766, 805 ZPO
II. Ausschließlicher Gerichtsstand nach § 802 ZPO
B. Begründetheit § 771 ZPO:
„ein die Veräußerung hinderndes Recht“ = Eigentum
I. ursprünglich H (§ 950)
II. Übergang auf V? verlängerter Eigentumsvorbehalt einbezogen und wirksam? (+))
III. Übergang auf W: § 185 (-) wegen Widerruf, § 932 (-) mangels Gutgläubigkeit bzgl. Eigentum der V, § 366 HGB: Bei Scheinkaufmann anwendbar? eher (-)
IV. Zwischenergebnis: H blieb Eigentümer
V. Entgegenstehendes PPR: Theorien zur Entstehung: eher (-)
und bei entgegenstehendes PPR dann die ganzen Sachen zur Globalzession vz. Verkauf unter Eigentumsvorbehalt usw..?
die Wirksamkeit der Globalzession ist im Rahmen des Vorliegens eines Widerrufsgrundes bzgl der Weiterveräußerungsermächtigung zu prüfen.
Globalzession als Indiz zur Erfüllung der vertraglichen Widerrufsmöglichkeit. Nach meiner Lösung war die Globalzession eher als „Irrlicht“ angelegt…
ohne globalzession hätte es keinen sinn gemacht, dass in den agb 2 widerrrufsgründe erwähnt wurden:
1. Grund: wenn die Vorausabtretung nicht mehr gesichert ist hier: nicht einschlägig, da die globalzession gem. §138 I nichtig ist
2. Grund: wenn die weiterleitung des geldes nicht gesichert erscheint hier: ja, da V sonst bereits gezahlt hat und nicht reagiert auf nachfrage
Hm. Ob § 138 greift, steht ja nicht fest, es wurde nicht gesagt, ob die B-Bank eine dingliche Verzichtsklausel verwendet hat. Zumindest kam es auf Punkt 1 des Widerrufvorbehalts nicht an, oder?
138 I greift grds. ein außer es wurde ein dingliche verzichtsklausel vereinbart. das stimmt. Aber wenn im sachverhalt dazu keine angaben sind, ist davon auszugehen dass der klausurensteller ein solche Klausel auch nicht vorgesehen hat sondern vielmehr vom grundfall ausgeht. Zudem würde es im hinblick der 2 widerrufsmöglichkeiten keinen sinn machen, dass für die 2. noch weitere angaben im sachverhalt sind.
es kam wie du schon sagst gerade wegen der Unwirksamkeit der globalzession auf den 2. Widerrufsgrund an.
ah super danke..mit den AGBs macht das natürlich Sinn, war schon verwirrt …
Hat die W nicht auch ein Anwartschaftsrecht von der V erworben? Zumindest hat die V ein solches durch den VEV erworben! Daher hätte man auch diskutieren können ob durch die Zahlung das zum Eigentum erstarkt ist.
H hat vor der Veräußerung an W widerrufen, daher bestand kein AWR mehr
Er hat doch lediglich die Ermächtigung zur weiterveräußerung widerrufen! Über ein bereits entstandenes AnwR konnte er durch seinen widerruf jedoch nicht mehr verfügen! Er hat ja nicht den Kaufvertrag mit V widerrufen, sodass das AnwR erloschen ist. Oder?
Die Globalzession ist überigens auch daran gescheitert, dass sie unbestimmt war. Schließlich hieß es, bis zu einer Höhe von 12000 € sollen alle Forderungen an die Bank abgetreten werden.
Das ist zumindest diskutabel, weil man durch eine Verfolgung aller Forderungen, die ab der Globalzession entstehen, sagen kann, wann die Grenze von 12.000 € erreicht ist und welche Forderungen demnach noch abgetreten sind und welche nicht.
nicht sehr nett, da sind bestimmt einige abgeschmiert in der klausur….