Verhaftung einer HIV-positiven Sängerin wegen ungeschützten Geschlechtsverkehrs
Eine Verhaftung der Darmstädter Staatsanwaltschaft sorgte für eine heftige öffentliche Diskussion: Eine Popsängerin (ihren Namen wollen wir hier anders als Bild oder Spiegel online nicht nennen) wurde öffentlichkeitswirksam kurz vor einem Auftritt in Untersuchungshaft genommen. Die Bild veröffentlichte hierüber einen ausführlichen Bericht mit intimen Details über das Sexualleben der Beschuldigten. Hiergegen ging der Anwalt erfolgreich mittels einer einstweiligen Verfügung vor. Auch seriöse Zeitungen berichteten ausführlich: Die Süddeutsche Zeitung widmete dem Fall das Thema des Tages (SZ Nr. 88/2009, S. 2) und kritisierte dabei aufs Schärfste die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft, welche die Unschuldvermutung missachtet und die Persönlichkeitsrechte der Beschuldigten verletzt habe. Auch die FAZ Sonntagszeitung diskutierte ausgiebig (Nr. 16/2009, S. 12, 23).
Die Sängerin steht unter dem Verdacht, in mindestens drei Fällen mit unterschiedlichen Männern ungeschützten Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben, ohne dabei die Männer darüber aufgeklärt zu haben, dass sie HIV-positiv ist. Einer der Männer trägt seitdem das HI-Virus in sich. Die StA Darmstadt ermittelt wegen des Verdachts einer gefährlichen Körperverletzung. Die Untersuchungshaft begründet sie mit einer „Wiederholungsgefahr“.
Beides – also sowohl die materiellrechtliche Seite als auch die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft – soll hier näher beleuchtet werden. Die sichere Beherrschung beider Themenkomplexe ist für ein erfolgreiches Jurastudium unverzichtbar. Zu beiden Problematiken gibt es umstrittene und auch politisch relevante höchsrichrichterliche Rechtsprechung.
Zunächst einmal allgemein zur Strafbarkeit des Geschlechtsverkehrs von HIV-positiven Menschen: Der BGH geht regelmäßig von einer gefährlichen Körperverletzung (§§ 223 I, 224 I Nr. 1 StGB „Beibringung von anderen gesundheitsschädlichen Stoffen“) aus, wenn der Infizierte seinen Sexualpartner nicht aufgeklärt hat und es zu einer Ansteckung kommt. Schon die Infizierung mit dem HI-Virus ist dabei eine Gesundheitsschädigung iSv § 223 I StGB, auf einen Ausbruch der Krankheit AIDS kommt es nicht an, denn schon der HI-Virus beeinträchtigt die Lebensweise negativ und verursacht so einen pathologischen Zustand (s. auch Schönke/Schröder, § 223 StGB Rn. 7: “ […] Demzufolge ist in diesem Infektionsbereich Körperverletzung nicht erst und nicht nur dann anzunehmen, wenn das „acquired immune deficiency syndrom“ (AIDS) – idR nach bis zu sechs Jahren – voll zum Ausbruch kommt, sondern bereits dann, wenn idR vier bis sechs Wochen nach dem infizierenden Kontakt der „human immune deficiency virus (HIV)“ auftritt; denn bereits infolge dieser HIV-Infektion weicht der körperliche Zustand des Infizierten in pathologisch signifikanter uU auch für andere Krankheitssymptome anfälliger Weise vom Normalbild eines Gesunden ab).
Der Versuch ist im Falle der Nicht-Ansteckung ebenfalls strafbar (vgl. BGH, Urteil vom 04-11-1988 – 1 StR 262/88).
Bei einer entsprechenden Aufklärung des Sexualpartners scheidet eine Strafbarkeit hingegen in der Regel aus, da nur eine Teilnahme an einer eigenverantwortlichen Selbstgefährung vorliegen soll (vgl. hierzu BayObLG, Urteil vom 15.09.1989 – RReg. 1 St 126/89). Die Selbstgefährung ist dabei von der einverständlichen Fremdgefährung abzugrenzen, bei der nur eine Einwilligung in Betracht kommt (vgl. dazu auch unseren Artikel zu Beschleunigungsrennen). Für die Abgrenzung ist dabei nach der Rspr. und der hL das Kriterium der Tatherrschaft maßgebend: Beim Sex haben eben beide Partner „Tatherrschaft“, sodass bei einer Aufklärung des Partners über die Infektion und einer Kenntnis des damit verbundenen Risikos eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung anzunehmen ist.
Weiteres Problem ist das Vorliegen des Körperverletzungsvorsatzes. Dieser wird von der Rechtsprechung in der Regel bejaht. Gleichzeitig wird ein Tötungsvorsatz (Versuch) jedoch verneint, obwohl ja eine Ansteckung mit dem HI-Virus auch heute noch häufig zum Tod führt. Dies begründet der BGH mit der höheren Hemmschwelle bei Tötungsdelikten, weshalb hier an die Bejahung des Vorsatzes besonders hohe Anforderungen zu stellen seien. Diese Rspr. wird in der Lehre zum Teil als widersprüchlich kritisiert und abgelehnt (vgl. Schönke/Schröder, § 223 StGB Rn. 7). Wieder andere Stimmen versuchen eine Zurechenbarkeit im Todesfall aufgrund des idR langen Zeitabstandes zwischen Infektion und Todeseintritt zu verneinen. Im Ergebnis sind wohl alle Ansätze dogmatisch unbefriedigend, gleichwohl verdient der „Kompromiss“ des BGH (also Körperverltzung idR ja, Totschlag/Mord idR nein) bei wertender Betrachtung Zustimmung.
Als zweites nun zur strafprozessualen Problematik: die Voraussetzungen für eine Untersuchungshaft. Diese sind in § 112 StPO geregelt. Danach sind drei Punkte zu prüfen:
1) Dringender Tatverdacht, § 112 I 1 StPO:
Dringender Tatverdacht liegt vor, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte als Täter oder Teilnehmer eine Straftat begangen hat, wobei ein strafbarer Versuch ausreichend ist.
2) Ein Haftgrund z.B. § 112 II StPO (muss nach BVerfG immer vorliegen, auch in Fällen des Abs. 3, dann aber – je nach Schwere des Tatverdachts – abgeschwächt):
Vorliegend nannte die Staatsanwaltschaft den Haftgrund der „Wiederholungsgefahr“, § 112a I Nr. 2 StPO.
Ob ein solcher Haftgrund hier tatsächlich anzunehmen ist, erscheint allerdings äußerst fragwürdig. Spätestens nach der Berichterstattung der Bild-Zeitung kann wohl davon auszugehen sein, dass nunmehr jederman(n) von der HIV-Infektion der betroffenen Person Kenntnis erlangt hat.
3. Verhältnismäßigkeit, § 112 I 2 StPO
112a regelt den Haftgrund bei Wiederholungsgefahr.
Definitiv § 211 StGB!!!
Sie weiß das sie aids hat und hat die Männer absichtlich nicht über ihr Gesundheitszustand aufgeklärt – vorsatz (+)
hiv führt zu aids die infizierten sterben am ende und genau darauf kommt es an – der hiv – virus ist kausal für den tod!!!
Das ist zwar nett gedacht Shirin – aber du kannst der armen Frau nicht einfach so Mordvorsatz unterstellen.
Bei Mord/Totschlag gilt es im Rahmen des Vorsatzes die sog. Hemmschwellentheorie zu berücksichtigen. D.h. damit der Vorsatz im Bezug auf die Tötung eines Menschen nachgewiesen werden kann, müssen besondere (im Vergleich zu §§ 223, 224 StGB zusätzliche) Indizien vorliegen, die einen Tötungsvorsatz belegen.
Bei Fällen wie diesen wird das Mädchen der No Angels natürlich nicht rausposaunen, dass sie ein männermordendes Ungeheuer ist, so dass die Staatsanwaltschaft hier nie von §§ 212, 211 ausgehen würde.
Nur weil sie die Männer absichtlich nicht aufklärt, heißt das noch nicht, dass sie diese töten will oder das auch nur billigend in Kauf nimmt (so zumindest der BGH und die hL). Deshalb hat die StA ja auch nur wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.
Außerdem ist die Ansteckungsrate doch ziemlich gering – nur jeder 10.000. Verkehr führt zur Ansteckung… also hat der BGH wohl doch recht, wenn er den Vorsatz verneint, Hemmschwelle hin oder her. Auf jeden Fall kann man da nicht so schnell ein „plus“ hinter setzen, Shirin!.
wie ist die rechtslage wenn verurteilt wird wg 223 f und das opfer jahre später stirbt…..
kann dann erneut wg 227 bestraft werden (unmittelbarkeitszusammenhang unterstellt)…..
und wann greift ggf verjährung