Wie heute der Spiegel berichtet (s. hier), hat ein Hamburger Richter Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin gestellt. Nach Ansicht des Richters Heinz Uthmann habe sich Merkel gem. § 140 Nr. 2 StGB strafbar gemacht, da sie die vorsätzliche Tötung Osama bin Ladens durch die Navy Seals öffentlich billigte. Ein solches Problem eignet sich sicherlich hervorragend als Frage für die mündliche Prüfung. Dabei sind einige Punkte diskussionswürdig:
- Zunächst einmal ist natürlich entscheidend, ob überhaupt eine rechtswidrige Tötung vorliegt. Ob deutsche Soldaten Osama hätten töten können, haben wir bereits ausführlich diskutiert (s. hier). Die Meinungen zur völkerrechtlichen Zulässigkeit der gezielten Tötung von Terroristen gehen auf jeden Fall weit auseinander.
- Weiterhin ist fraglich, ob sich § 140 StGB überhaupt auch auf die Billigung von Straftaten bezieht, die nicht vom Geltungsbereich des StGB erfasst sind. Dies wurde durch den BGH bislang offen gelassen (BGHSt 22, 282, 286; s. allerdings OLG Karlsruhe NJW 2003, 1200). Der explizite Verweis auf bestimmte Straftaten des StGB könnte gegen eine solche weite Interpretation sprechen. Teleologische Erwägungen sprechen hingegen dafür, § 140 StGB auch auf im Ausland begangene Straftaten anzuwenden, zumindest wenn diese so auch in Deutschland bzw. im Geltungsbereich des StGB hätten begangen werden können, denn die Vorschrift will verhindern, dass bereits im Vorfeld kein „günstiges Klima“ für die Begehung schwerer Straftaten entsteht (vgl. MüKO/Hohmann, 1. Aufl. 2005, § 140 StGB Rn. 9; ebenso Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl. 2011, § 140 Rn. 11). Nach Heuchemer (in: BeckOK-StGB, Edition 14, § 140 Rn. 9) hingegen sind im Ausland begangene Taten nur dann von § 140 StGB erfasst, wenn sie vom Geltungbereich des StGB (s. insbesondere § 7 StGB) erfasst sind (vgl. auch Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Auflage 2010, § 140 Rn. 2).
- Sofern man dies bejaht, müsste die Tat auch „begangen“ oder „in strafbarer Weise versucht“ worden sein. Die Wendung „begangen“ impliziert, dass eine Vollendung der Tat genügt, eine Beendigung also nicht erforderlich ist (s. MüKO/Hohmann, 1. Aufl. 2005, § 140 StGB Rn. 6). Dies wäre hier klar erfüllt.
- Ferner ist hier sehr fraglich, ob Merkel die Tötung Osamas auch öffentlich und in einer den öffentlichen Frieden störenden Weise gebilligt hat. Letzteres dürfte doch m.E. eher fernliegend sein. Sollte man eine konkrete Gefährdung verlangen (s. Nachweise bei Ostendorf, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 3. Aufl. 2011, § 140 Rn. 10), ist dies wohl zu verneinen, denn es ist in Deutschland wohl eher nicht zu einer Störung des öffentlichen Friedens nach der Äußerung Merkels gekommen. Aber selbst wenn man keine konkrete Gefährdung fordert, sondern etwa – m.E. zutreffend – wie Ostendorf (aaO) verlangt, dass zumindest Indizien für die Aufgabe des Rechtskonsenses bzw für die Zunahme einer Verbrechensbereitschaft benannt werden, selbst dann wird man eine Strafbarkeit Merkels wohl verneinen müssen. Hohman fordert gar, dass durch die öffentliche Billigung ein Klima geschaffen werden muss, dass die Begehung gleichartiger Taten fördert (MüKO/Hohmann, 1. Aufl. 2005, § 140 StGB Rn. 19).
- Schließlich wäre noch der Vorsatz äußerst problematisch. Hier ist insbesondere fraglich, ob man Merkel einen bedingten Vorsatz im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Tat unterstellen kann, wenn diese denn überhaupt rechtswidrig war.
Insgesamt gibt es hier also einige wackelige Punkte. Eine Strafbarkeit der Bundeskanzlerin nach § 140 StGB ist daher m.E. im Ergebnis abwegig.