Das AG Düsseldorf hat mit Urteil vom 31.07.2013 (Az: 24 C 1355/13) die Wirksamkeit der auf § 543 Abs. 1 BGB gestützten Kündigung einer Vermieterin bestätigt, die den wichtigen Grund darin sah, dass ihr seit 40 Jahren in der Mietwohnung wohnender Mieter in selbiger stark rauchte.
A. Die Entscheidung
Das AG bestätigte, dass das Verhalten des Mieters – insbesondere in Zusammenhang mit der Tatsache, dass er seit dem Tod seiner Frau die Wohnung nicht mehr ausreichend lüfte – einen wichtigen Grund zur Kündigung des Mietverhältnisses darstelle. Trotz Abmahnungen stellte der Mieter sein Lüftungsverhalten nicht um, sodass der Zigarettenrauch von der Mietwohnung auch ins Treppenhaus des Mehrparteienhauses ziehen konnte und dort eine unzumutbare und gesundheitsgefährdende Geruchsbelästigung für die anderen Mieter darstellte. Der Vortrag der Vermieterseite bezüglich der mangelhaften Lüftung galt als zugestanden, nachdem der Rechtsanwalt des beklagten Mieters eine Widerspruchsfrist versäumt hatte und dadurch mit seinem Vortrag gemäß § 295 ZPO präkludiert war. Abzuwägen seien in einem solchen Fall die allgemeine Handlungsfreiheit des Mieters aus Art. 2 Abs. 1 GG, die ihren Ausdruck auch in §§ 535, 536 BGB findet, mit der körperlichen Unversehrtheit der übrigen Mieter nach Art. 2 Abs. 2 GG. Dabei sei der Schutz der anderen Mieter im Ergebnis vorrangig, sodass auch der Vermieter nicht zur Duldung übermäßigen Rauchverhaltens verpflichtet sei und insofern die Berechtigung besitze, das Mietverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen, sofern das Rauchverhalten des Mieters keinen vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache mehr darstelle, der gemäß § 535 Abs. 1 BGB vom Vertragszweck gedeckt sei.
Auch ein Verstoß gegen Treu und Glauben könne der Vermieterin nicht deshalb angelastet werden, weil sie das Rauchen in der Mietwohnung bereits 40 Jahre geduldet habe. Denn Grund für die nun ausgesprochene Kündigung war nicht das Rauchen in der Mietwohnung unmittelbar, sondern das geänderte Lüftungsverhalten des Mieters in Verbindung mit seinem starken Tabakkonsum. Dies führe in der Kombination zu der geschilderten Beeinträchtigung anderer Mieter im gemeinsam genutzten Treppenhaus.
Dem Urteil vorausgegangen war bereits ein medial viel beachteter Beschluss, in welchem das Prozesskostenhilfegesuch des rauchenden Mieters mit der Begründung abgelehnt wurde, seine Verteidigung gegen die fristlose Kündigung habe keine Aussicht auf Erfolg. Dieser wurde in der Begründung auch darauf zugrückgeführt, dass sich die gesellschaftliche Akzeptanz des Rauchens allgemein verändert habe und der Gesundheitsschutz betroffener Nichtraucher in seiner Bedeutung gestiegen sei. Auf die sofortige Beschwerde des Mieters hin wurde ihm vom Landgericht Düsseldorf dann doch Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 10.07.2013 mit der Begründung gewährt, das Rauchen gehöre nach gefestigter Rechtsprechung immer noch zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Mietwohnung.
B. Die Hintergründe
Entscheidend für die dargestellte Entscheidung ist die Beantwortung der Frage, wie der „vertragsgemäße Gebrauch“ der Mietsache gemäß § 535 BGB definiert wird – hier speziell bezüglich der Frage, ob das Rauchen in der Mietwohnung vom Vertragszweck gedeckt ist. Hierzu sind naturgemäß die Rechte des Mieters mit denen derjenigen Personen abzuwägen, die durch das Rauchverhalten gestört sein könnten. Dies kann zum einen der Vermieter selbst sein, wenn sein Eigentumsrecht an der Mietsache gemäß Art. 14 GG gefährdet scheint. Dies können aber auch Mitmieter in dem Mehrparteienhaus sein, welche sich ihrerseits in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG und letztlich in ihrem Recht auf vertragsgemäßen Gebrauch der eigenen Mietwohnung beeinträchtigt sehen. Die grundrechtlichen Interessen des rauchenden Mieters, die in diesen Konstellationen beeinträchtigt sein können, ergeben sich zum einen aus seiner allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, zum anderen auch aus seinem Eigentumsrecht aus Art. 14 GG, denn auch dies wird dem Mieter von der Rechtsprechung zugestanden.
1. Entwicklungen in der Rechtsprechung
Das Rauchen in der Mietwohnung wird grundsätzlich zunächst allgemein als Ausdruck einer freien Willensentscheidung des Mieters betrachtet und demgemäß generell gestattet. Es stelle einen Teil sozialadäquaten Verhaltens dar und sei daher erlaubt. Dennoch können im Einzelfall verschiedene Rechtsfolgen an das Rauchen in der Mietwohnung geknüpft sein, sofern es ein – wie auch immer zu definierendes – Normalmaß überschreitet und andere Personen durch das Rauchverhalten des Mieters beeinträchtigt werden.
a) Schadensersatz
Dementsprechend billigte das LG Köln im Jahre 1998 einem Vermieter nach Auszug seines Mieters keinen Schadensersatzanspruch wegen Nikotinablagerungen an Wänden und Decke zu, und stellte dabei auch klar, dass selbst intensives Rauchen in der Mietwohnung noch vom Vertragszweck umfasst sei (LG Köln – Az: 9 S 188/98). Bereits zwei Jahre später entschied das LG Paderborn hingegen, dass ein solcher Schadensersatzanspruch zumindest dann gerechtfertigt sein soll, wenn das Rauchen in der Mietwohnung ein „exzessives Ausmaß“ annehme, wobei dahingestellt blieb, was darunter zu verstehen sei (LG Paderborn – Az: 1 S 2/00).
Erst 2006 äußerte sich der BGH umfassend zu der Frage, ob das Rauchen in der Mietwohnung überhaupt eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung darstellen könne. Er stellte in seinem Urteil vom 28.06.2006 (Az: VIII ZR 124/05) fest, dass das Rauchen in der Mietwohnung vom vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache umfasst sei. Schäden, die dadurch an der Mietsache entstehen, habe der Vermieter nicht zwingend zu tragen, denn er habe die Möglichkeit, durch wirksame Vereinbarung die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter abzuwälzen. Das macht m.E. Sinn, denn typische Schädigungen der Mietsache durch Nikotinablagerungen zeigen sich im Wesentlichen durch vergilbte Wände und Decken. Durch Überstreichen kann hier ohne weiteres eine Beseitigung dieser Schäden erfolgen. Das Streichen und Tapezieren unterfällt auch unproblematisch dem Begriff der Schönheitsreparatur.
Aufgrund dieser Erwägungen folgerichtig war das folgende Urteil des BGH vom 05.03.2008 (Az: VIII ZR 37/07): Hier wurde festgestellt, dass im Einzelfall ein Schadensersatzanspruch des Vermieters doch gerechtfertigt sein könne, nämlich für den Fall, dass das übermäßige Rauchen in der Mietwohnung zu im Verhältnis zur Dauer des Mietverhältnisses nicht erwartbaren Beschädigungen der Mietsache führt, die durch Schönheitsreparaturen nicht zu beheben sind. Dies wird jedoch regelmäßig nicht der Fall sein und kann insofern nur für extreme Einzelfälle eines „Raucherexzesses“ Geltung beanspruchen.
b) Unterlassungsansprüche
aa) des Vermieters
Aus der oben zitierten Entscheidung des BGH von 2008 folgt konsequenterweise, dass das normale Rauchen in der Mietwohnung nicht zu einem Unterlassungsanspruch des Vermieters aus § 1004 BGB führen kann, denn das Eigentum wird schon nicht in rechtswidriger Weise beeinträchtigt. Will der Vermieter also das Rauchen in der Mietwohnung grundsätzlich und vollständig untersagen und sich selbst einen Unterlassungsanspruch aus § 541 BGB verschaffen, so bedarf dies einer ausdrücklichen Vereinbarung im zugrundeliegenden Mietvertrag.
Es stellt sich daher die Frage, ob eine solche Vereinbarung wirksam erfolgen kann.
Dies dürfte problematisch sein, wenn sie formularmäßig im Rahmen von AGB erfolgt, denn hier müsste m.E. ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB bejaht werden. Der Mieter einer Mietwohnung verfolgt mit der Anmietung den Erhalt eines privaten und persönlichen Rückzugsortes, der ihm Raum zur persönlichen Entfaltung in derjenigen Weise schaffen soll, die nur er zu bestimmen hat, sofern nicht Dritte dadurch beeinträchtigt werden.
Möglich bleibt dadurch im Grunde die individualvertragliche Vereinbarung eines generellen Rauchverbotes in der Mietwohnung (AG Nordhorn – 3 C 1440/00; AG Albstadt – 1 C 288/92). Dies entspricht dem Grundsatz der Privatautonomie. Zu beachten ist hierbei jedoch vermieterseits der vom BGH zur Unwirksamkeit von Vereinbarungen entwickelte sog. Summierungseffekt. Danach kann die Unwirksamkeit zweier Vereinbarungen entstehen,
„wenn jeweils für sich unbedenkliche, aber inhaltlich zusammengehörige Klauseln in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders führen. Das gilt auch dann, wenn die zu prüfende Formularklausel mit einer Individualvereinbarung zusammentrifft.”
Im Falle etwa der an sich wirksamen Übertragung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter im Rahmen von AGB und einer individualvertraglichen Vereinbarung eines Rauchverbotes, könnten beide Vereinbarung wegen des engen Zusammenhangs und der Entstehung einer unzulässigen Härte für den Mieter aufgrund des Kumulierungseffektes unwirksam sein.
bb) des Nachbarn
Unterlassungsansprüche von Nachbarn wurden bisher von der Rechtsprechung abgelehnt, soweit sie sich auf das Rauchen in der Mietwohnung selbst, auch am offenen Fenster, sodass der Rauch in die darüber liegende Nachbarwohnung zog (AG Hamburg-Wandsbek – Az: 102e II 368/00), bezogen. Auch das Rauchen auf dem Balkon der Mietwohnung führte nicht zum Durchgreifen nachbarlicher Unterlassungsansprüche nach §§ 862, 858 BGB (AG Bonn – Az: 6 C 510/98). Erfolgreich war hingegen eine Klage von Mitmietern gegen den im Treppenhaus rauchenden Mieter (AG Hannover – Az: 70 II 414/99). Das solle sich nach Ansicht des Gerichts daraus ergeben, dass das Treppenhaus zur gemeinschaftlichen Nutzung aller Mietparteien diene und seine Zweckbestimmung nicht darin finde, dass in ihm geraucht wird, um die eigene Mietwohnung von Zigarettenrauch freizuhalten. Der Unterlassungsanspruch könne sich hier aus §§ 862, 858, 1004 BGB ergeben. ME ist dies auch begründet, denn anders als Mietwohnung und Balkon ist das Treppenhaus zwar mit der Wohnung mitvermietet, steht dem einzelnen Mieter aber nicht zur alleinigen und ausschließlichen Nutzung zur Verfügung.
c) Minderungsrecht des Nachbarn
Eine Mietminderung von bisher entschiedenen 5% der Miete darf ein Mieter gegenüber dem Vermieter vornehmen, wenn er durch den rauchenden Nachbarn in der vertragsgemäßen Nutzung der eigenen Mietwohnung beeinträchtigt wird (LG Hamburg – Az: 311 S 92/10; AG Kerpen – Az: 110 C 212/09). Im der Entscheidung des LG Hamburg zugrundeliegenden Fall rauchte der Mieter auf dem Balkon unterhalb der Wohnung der Kläger, wodurch die Nutzung von deren Balkon stark eingeschränkt war und Rauch in die Mietwohnung hoch zog. Auch hier handelte es sich um starkes Rauchen des Beklagten, welches den Rahmen des vertragsgemäßen Gebrauchs des Balkons überschritt.
2. Fazit
Das Rauchen hat im Laufe der Zeit immer mehr an gesellschaftlicher Akzeptanz eingebüßt. Das geht nicht nur am öffentlichen Recht, wo es sich durch die Einführung mittlerweile flächendeckender Nichtraucherschutzgesetze zeigte, sondern auch am Zivilrecht nicht spurlos vorbei, wie die hier dargestellte Zusammenfassung der Rechtslage zeigt. Gerade im Mietrecht existieren zum Thema Rauchen ganze Abhandlungen für Fachanwälte, was beweist, um welch komplexes Thema es sich handelt. Das beginnt schon bei der Definition des Begriffs des „übermäßigen Rauchens“: Hat eine Auslegung anhand der konkreten Auswirkungen auf das Mietobjekt zu erfolgen, wie es der BGH zu tun scheint, oder kann „starkes Rauchen“ auch abstrakt anhand der Menge der täglich gerauchten Zigaretten bestimmt werden, wie es Teile der Literatur vorschlagen? De facto ist hier vieles Einzelfallentscheidung. Die Reichweite des Themenkomplexes sollte auch bei der Examensvorbereitung nicht vernachlässigt werden.
Es sollten dabei zumindest die groben Leitlinien bekannt sein und sich nicht vorschnell allein auf eine – jetzt medial sehr präsente – Kündigung gestürzt werden, sonden auch die anderen Rechtsfolgen bekannt sein. Zudem gilt trotz der dargestellten Entwicklung der Grundsatz, dass zumindest „normales“ Rauchen nur zu geringen negativen Folgen für den Mieter führen kann.
Im Kontext der Kündigung von Mietverhältnissen sollte zudem insbesondere die ausdifferenzierte Rechtsprechung zum Eigenbedarf bekannt sein, siehe hier, hier, hier, hier, hier und hier.