1. Vorüberlegungen
Das im Bereich des Bestattungsrechtes angesiedelte Urteil des OVG Koblenz vom 18.04.2012 (7 A 10005/12.OVG) behandelt eine klassische und damit examens- bzw. prüfungsrelevante Fallgestaltung, insbesondere im Hinblick auf das bestehende Spannungsverhältnis zwischen der verfassungsrechtlich garantierten, allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG sowie dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, welcher diesem in Bezug auf eine beschränkende, gesetzliche Regelung zukommt. Insofern ist es in diesem Zusammenhang vorrangig erforderlich, dass dieses Spannungsverhältnis – unter Zugrundelegung der einschlägigen Normen – herausgearbeitet wird und die widerstreitenden Positionen schließlich gegeneinander abgewogen werden.
2. Sachverhalt (verkürzt)
Nach dem einschlägigen Sachverhalt begehrte der Kläger mit Antrag vom 02.02.2010 die Erlaubnis, nach seinem Tod die Asche seiner sterblichen Überreste auf einem in dessen Eigentum stehenden Waldgrundstück verstreuen zu dürfen. Unter Verweis auf den in Rheinland-Pfalz bestehenden und diesem Vorhaben entgegenstehenden Friedhofzwang (siehe § 8 BestG) lehnte die zuständige Behörde diesen Antrag mit Bescheid vom 13.04.2010 ab. Zudem sei eine nach § 4 BestG vorgesehene Ausnahme vorliegend nicht gegeben. Der demgegenüber liegende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG könne jedenfalls „durch legitime öffentliche Interessen und überwiegende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt“ werden.
Der gegen die Versagung eingelegte Widerspruch (§ 68 II; I VwGO) hatte keinen Erfolg und wurde, anhand gleichgelagerter Erwägungen, mit dem Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses vom 28.06.2011 zurückgewiesen. Ebenso wurde die hiergegen am 20.07.2011 erhobene Klage zurückgewiesen. Im Urteil vom 11.10.2011 führte das VG Trier dabei aus, dass das Verstreuen der Asche auf einem privaten Grundstück so nicht genehmigungsfähig sei und eine Ausnahme des vom Gesetzgeber vorgesehenen Friedhofzwanges nicht dadurch anzunehmen sein könne, dass der Kläger seine Asche, aus der bloßen Verbundenheit zur Natur heraus, außerhalb einer Bestattungsstätte zu verstreuen begehrt. Im Übrigen wurde die Berufung durch das VG zugelassen.
Gegen dieses Urteil des VG Trier bzgl. des Bescheids der zuständigen Behörde vom 13.04.2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses vom 28.06.2011, hat der Kläger letztlich eine Berufung zum OVG Koblenz eingelegt, die jedoch durch das Urteil vom 18.04.2012 zurückgewiesen wurde.
3. Rechtliche Würdigung
Das OVG Koblenz bezieht sich in seinen Entscheidungsgründen im Wesentlichen auf die der Vorinstanz. Dabei stellt es im Vorfeld zunächst fest, dass nach der landesrechtlichen Rechtslage der vom Kläger geltend gemachte Anspruch für das Verstreuen der Asche auf einem privaten Grundstück eine Genehmigung voraussetzt, da nach § 8 II BestG jede Leiche bestattet werden muss (sog. Friedhofszwang), was gem. § 8 IV BestG in Formen der Erd- oder Feuerbestattung erfolgen kann. Weitergehend kann eine Feuerbestattung insoweit nur dergestalt vorgenommen werden, dass die Einäscherung der Leiche vorgenommen wird und die Asche sodann in einer entsprechenden Grabstätte beigesetzt wird (§ 8 IV 3 BestG).
Demgegenüber stelle aber die Beisetzung auf einem privaten Grundstück, wie es der Kläger auf seinem Waldgrundstück vorzunehmen gedenkt, eine Beisetzung auf einem privaten Bestattungsplatz i.S.d. § 1 III BestG dar, was in Bezug auf die Einrichtung eines solchen und unter den Voraussetzungen des § 4 I BestG einer Genehmigung bedürfe. Zudem stehe auch das Vorhaben des Verstreuens der Asche wiederum nach § 4 II BestG unter dem Vorbehalt einer im Einzelfall erforderlichen Genehmigung durch die zuständige Behörde.
Insofern stellt das OVG mit dieser rechtlichen Argumentationsreihe die Genehmigungsbedürftigkeit klar heraus, sodass es für den Kläger zur Verwirklichung seines Vorhabens zweier Genehmigungen bedarf, die „aus dem systematischen Zusammenhang der Bestimmungen […] einem repressiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterliegen“. Damit wird auch deutlich, dass ein geltend gemachter Anspruch des Klägers auf Verstreuen der Asche nach § 4 II BestG schon dann zu verneinen ist, wenn dem Kläger schon gar kein Anspruch auf die Genehmigung eines privaten Bestattungsplatzes nach § 1 III BestG i.V.m. § 4 I BestG zusteht. Im Ergebnis stellt das OVG fest, dass dem Kläger bereits ein Anspruch auf die Genehmigung eines solchen privaten Bestattungsplatzes mithin nicht zusteht, da nach § 4 I BestG hierfür kein „berechtigtes Bedürfnis oder Interesse“ bestehe. Mithin sei damit aus den o.g. Gründen auch ein Anspruch auf ein Verstreuen der Asche abzulehnen.
Der Schwerpunkt der Erwägungen des OVG Koblenz liegt allerdings im Folgenden auf der Vereinbarkeit eines Friedhofszwanges i.S.e. repressiven Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt, mit dem aus der Verfassung gewährleisteten Freiheitsgrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG). Geschützt wird die allgemeine Handlungsfreiheit als „Tun und Lassens, was man will“. Eine Beschränkung ist „nur in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet; dazu gehört jede Rechtsnorm, die formell und materiell mit der Verfassung im Einklang steht“ (BVerfGE 6, 32 (36 ff.); st. Rspr.; betr. Landesrecht vgl. BVerfGE 7, 111 (119 f.) und 41, 88 (116)).
Gerade im Bereich der Regelung der mit der Bestattung Verstorbener zusammenhängenden Fragen komme dem Gesetzgeber dabei mithin ein weiter Gestaltungsspielraum zu, was sich v.a. aus der Besonderheit der zu regelnden Materie ergebe, die einen starken sozialen Bezug habe und die die Handlungsfreiheit des Einzelnen nur geringfügig berühre (BVerfGE 50, 256 – juris, Rn. 25 ff.). Von daher stehe dem Gesetzgeber auch die Entscheidung über die Regelung eines grundsätzlichen Friedhofszwanges zu, um „dabei Gründe wie die Totenruhe, das sittliche Gefühl weiter Bevölkerungskreise sowie Bau- und Verkehrsplanung zu berücksichtigen“. Damit ist bei einem derartigen repressiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers anzuerkennen, der sich dabei lediglich von bestehenden, sozialen Gepflogenheiten leiten lassen solle, um eine solche Regelung und einen Eingriff in Art. 2 I GG zu rechtfertigen (siehe dazu auch BVerwGE 45, 224 ‑ juris, Rn. 18).
Deutlich wird somit schließlich, dass der Gesetzgeber mit einem solchen Friedhofszwang und der restriktiven Handhabung einer Ausnahme für private Bestattungsplätze seinen Gestaltungsspielraum dann nicht überschreitet, solange er sich von diesen sozialen Gepflogenheiten leiten lässt, um ein legitimes Ziel zu verfolgen. Vorrangig werde die durch Art. 1 I GG geforderte Totenruhe, welche durch das allgemeine Empfinden der Bevölkerung hinsichtlich der verbreiteten Scheu vor dem Tod noch verstärkt wird, jedenfalls am besten dadurch gewährleistet, wenn die sterblichen Überreste auf einer Fläche beigesetzt würden, die für diesen Zweck gewidmet ist und auch im Schutz der Allgemeinheit steht – dies sei als legitimes Ziel des Gesetzgebers in jedem Fall anzuerkennen.
Gleichsam erkennt das Gericht in diesem Zusammenhang zwar nunmehr einen Wandel in den sittlichen Anschauungen der Gesellschaft an – denn so stiege die Anzahl vorgenommener Feuerbestattungen – doch vermag dieser Wandel keine andere Schlussfolgerung zu rechtfertigen, da eine Urne nicht im Gewahrsam der Angehörigen verbleiben solle (siehe § 9 IV 2 DVO zu BestG) und Ascheresten insoweit die „gleiche pietätvolle Behandlung und Wahrung der Totenruhe wie erdbestattete Leichen“ zukommen solle. Außerdem trage der Gesetzgeber diesem Wandel der gesellschaftlichen Auffassung zur Bestattungskultur in ausreichendem Maße Rechnung, da anonyme Bestattungen auf öffentlichen Friedhöfen und sog. Friedwäldern zugelassen werden können, um bspw. das Begehren zu berücksichtigen, keine allzu pompöse Bestattung, sondern vielmehr ein „stilles Entweichen der Existenz“ vornehmen zu lassen, falls dies gewünscht sein sollte.
Letztlich muss allerdings auch im Einzelfall entschieden werden, ob vorliegend nicht doch eine Ausnahme von diesem repressiven Verbot in Betracht kommen könnte. Dies ist jedoch restriktiv zu handhaben und anhand einer Abwägungsentscheidung zwischen den legitimen Zielen des Gesetzgebers und dem Interesse des Antragsstellers zu entscheiden. Unter diesem Aspekt führt das Gericht aus, dass allein private Belange einem solchen restriktiv zu handhabenden Charakter der Ausnahmeregelung nicht gerecht werden können, zumal hierdurch dem widerstrebenden allgemeinen Empfinden der Bevölkerung nicht ausreichend vorgebeugt werden könne. Geltend gemacht hatte der Kläger dabei lediglich seine Verbundenheit zur Natur und zu seinem Grundstück, was für die Annahme einer Ausnahme nicht auszureichen vermag. Diese Gründe müssen insofern hinter denen des Gesetzeszweckes zurückstehen.
4. Bewertung
Anhand dieser Entscheidung des OVG Koblenz verdeutlicht sich wieder einmal die Eigenschaft des überdies auch nur subsidiär anzuwendenden Freiheitsgrundrechtes der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG, welches gerade im Hinblick auf einen weitreichenden Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers leicht einzuschränken ist. Erforderlich war hierfür bereits ein legitimes Ziel des Gesetzgebers, lediglich beeinflusst durch soziale Gepflogenheiten. Wichtig war es dabei, im Vorfeld den Gesetzgebungsspielraum in Bezug zu den einschlägigen landesrechtlichen Regelungen zu erkennen, da diese einem repressiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterliegen.