Strafrechtsklausur – Dezember 2011 – 1.Staatsexamen NRW
Wir danken Katharina für die Zusendung eines Protokolls der heute in NRW im Strafrecht gelaufenen Klausur.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
A findet im Stadtpark einen Gepäckschein, den C zuvor verloren hatte und nimmt diesen an sich und sucht den Gepäckschalter des V auf, um den Schein einzulösen. Der Schein ist feucht und schmutzig, weshalb V zunächst nachfragt, ob dieser denn wirklich noch „gültig“ sei. A vergewissert dies und fordert „sein Gepäckstück“ heraus. Daraufhin händigt V den Koffer des C an A aus. In dem Koffer befinden sich neben wertlosen Gegenständen 2 sehr wertvolle, hochwertige Anzüge. Da kommt A die Idee für einen großen Coup.
Gemeinsam mit seinem eingeweihten Freund F mietet er sich einen Sportwagen und fährt damit bei dem Juweliergeschäft des J vor. A und F tragen die teuren Anzüge aus dem Koffer des C, A hat sich zudem den rechten Arm eingipsen lassen, um vorzugeben dieser sei gebrochen. A gibt sich als „Justus Prinz von und zu“ aus und F als seinen britischen Privatsekretär, der leider kein Wort Deutsch sprechen könne. J ist von der Aufmachung beeindruckt und nimmt A und F deren Maskerade ab. A gibt nun vor ein besonders wertvolles Schmuckstück für seine Frau erwerben zu wollen und lässt sich ein teures Armband im Wert von 75.000 Euro von J zeigen. A gibt vor dies kaufen zu wollen und zu diesem Zweck von F das nötige Geld aus seinem Tresor holen zu lassen. Dazu will er eine Anweisung an seine Frau schreiben. Da sein rechter Arm jedoch eingegipst ist und sein „Privatsekretär“ kein Deutsch spricht, bittet er J für ihn das Schreiben anzufertigen. So diktiert er dem J : „Mein liebevolles Raubkätzchen, sei doch so gut und hole aus dem Tresor 75.000 von meinem Geld, ich benötige dies für eine liebevolle Überraschung. Dein Justus“
A schickt F mit diesem Schreiben sofort los, angeblich zu seiner Frau. In Wirklichkeit soll F damit zu der Ehefrau des Juwelier J, der E fahren. A hatte zuvor erfahren, dass J, der mit Vornamen Justus hieß, seine Ehefrau immer Kätzchen zu nennen pflegte. F überreicht E, wie von Anfang an geplant, das Schreiben. Diese erkennt die Handschrift ihres Mannes und holt sofort 75.000 aus dem Tresor, in Vorfreude auf das Geschenk. Dieses Geld bringt F sodann zu A, welcher damit das Armband bezahlt und dieses von J ausgehändigt bekommt.
Später teilen A und F, wie geplant den Erlös aus dem Weiterverkauf des Armbandes untereinander auf. Den teuren Anzug darf F behalten. Diesen verkauft er später gewinnbringend weiter.
Wie haben sich A und F nach dem StGB strafbar gemacht?
Der Fall lief heute mit minimalen Unterschieden so auch in HH (der Gepäckschein wurde vor einem Einkaufszentrum gefunden).
Abweichend:
Der letzte Satz zum „teuren Anzug“ den F behalten durfte, fehlte;
folgender Bearbeitervermerk:
Strafbarkeit A & F nach StGB
§§ 246 und 259 StGB waren nicht zu prüfen
Strafanträge waren als gestellt anzunehmen
Ausführungen zu Konkurrenzen sollten keine erfolgen
Oh man….ich hoffe, dass ich nicht mal wieder den Bearbeitervermerk überlesen habe, passt mir manchmal im Eifer des Gefechts 🙁
Ich meine aber, das eine solche Einschränkung bei uns nicht stand. Jemand aus NRW hier, der das bestätigen kann?
Hab in NRW geschrieben und bei uns stand der Bearbeitungsvermerk nicht 😉
Danke! Dann war das ganze in HH doch ein ganzes Stück weniger Arbeit als bei uns…..gerade § 246 ging doch im ersten Teil durch?!
Denke auch, dass Eure Klausur in NRW dann noch etwas mehr Zeitdruck aufgebaut hat…
wie habt ihr den Fall gelöst?
Wann wird in HH Ö-Recht geschrieben? Der Plan im Internet auf dem Justizportal stimmt ja nicht ganz. Da wurde laut Plan StGB am Montag geschrieben, tatsächlich wurde aber mit NRW am Dienstag geschrieben?!
Der Teil um den Gepäckschein war an sich machbar, hier mein Vorschlag:
§ 242 am Gepäckschein (-) da C Gewahrsam verloren hat
§ 246 am Gepäckschein (+) nicht schon mit bloßen Aufheben, aber mit Einlösen am Gepäckschalter
§ 263 gg und zum Nachteil des V: (-) unabhängig ob überhaupt Irrtum, jedenfalls kein Schaden bei V, da V gem § 808 BGB frei wurde
§ 263 gg V zum Nachteil C (-) Irrtum war zu problematisieren, anfängliche Zweifel bezogen sich nicht auf Berechtigung sondern auf Gültigkeit des Scheins, dann fraglich ob sich V bei Legitimationspapier überhaupt Gedanken über Berechtigung macht, da so oder so frei wird
Im Ergebnis Irrtum (-)
§ 246 an Koffer (+) mit Entgegennahme
In Hamburg haben wir Montag ÖR I, Dienstag (mit NRW) StrafR und gestern ÖR II geschrieben
Oh echt? dann mal her mit den Sachverhalt von ÖR II ^^
§ 808 BGB dürfte hier nicht greifen, da nach hM der Gepäckschein ein bloßes Beweiszeichen und gerade kein Inhaberpapier ist.
aber der Gepäckschein unterfällt § 807!
Nach hM werden diese auch nicht von § 807 umfasst (siehe MüKo, Jaunernig, etc.)
Ich habe diesen Sachverhalt als haarsträubend abwegig empfunden und mich ein wenig geärgert. Vom Realitätsgrad liegt die Klausur nicht weiter hinter so einem SAchverhalt:
A fliegt auf dem Mond um die Amerikanische Flagge abzunehmen-Er bittet B ihm das Raumschiff dafür zu bauen, weil er selbst zwar Raumfahrtsingenieur ist, aber einen gebrochenen Arm hat. B baut ihm das Raumschiff und denkt allerdings, er baut ein U-Boot um damit die versunkene Stadt Atlantis wiederzufinden.Seine Mutter hat die dafür nötigen Materialien in der Gartenlaube versteckt-Strafbarkeit der Beteiligten?
Bitte schreibt doch mal etwas zum zweiten TK!!!
2. TK
A und F gem. §§ 263 25 I Alt. 2, § 25 II gegenüber der E zu Lasten des J, indem er der E den vermeintlichen Brief des J überbringen lässt
1. oTB
a. Täuschung der E über Kaufabsicht ihres Mannes J und Bitte Geld an ihn überbringen zu lassen. streng genommen verübt J die Täuschungshandlung. Jedoch ohne Vorsatz als Tatmittler des A. Ein Beherrschen des A und F ist ebenfalls kraft überlegenen Wissens/Täterwillen anzunehmen
b. Irrtum: E geht davon aus Brief stamme von J
c. Vermögensverfügung: Jedes Tun, dass sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt, Herausgabe von 75.000 Euro
d. Schaden bei J
Dreiecksbetrug nur, wenn Nähebeziehung derartig, dass Vermögensverfügung der E dem J zuzurechnen ist.
aa. rechtliche Befugnis (-), allein aus Ehe folgt kein Vertretungsrecht = Umkehrschluss aus § 1364 / § 1357
bb. faktische Nähe (+) (dafür: Besitz als Faktum wird durch faktischen Inhaber vermittelt, dagegen: führt in allen Fällen zum Dreiecksbetrug, und belässt keinen Anwendungsbereich mehr für den Diebstahl in mittelbarer Täterschaft)
cc. Lagertheorie (+) Zurechnung nur, wenn Gewahrsamshüter im Lager des Eigentümers steht und demgemäß Repräsentant des Eigentümers ist.
Erg.: rechtliche Befugnis engt zu sehr ein! Dreiecksbetrug (+)
A und F handelten überdies Mittäterschaftlich, da beide in einem Gesamtgeschehen kausale Verursachungsbeiträge leisteten und auf Basis eines gemeinsamen Tatplans mit dem notwendigen Täterwillen und Tatherrschaft handelten. (in Klausur wohl etwas ausführlicher erörtern)
2. sTB
a. Vorsatz +
b. Bereicherungsabsicht +
c. Rechtswidrigkeit der Bereicherung +
d. stoffgleich +
3. Rwk
4. Schuld
5. besonders schwerer Fall gem § 263 III Nr. 2 Var. 1 großes Ausmaß hM bei über 50.000 daher (+)
alternativ könnte man annehmen J werde getäuscht über Absicht des A mit eigenem Geld zahlen zu wollen. Dann wäre die Vermögensverfügung in dem Schreiben des Briefes zu sehen. Problematisch wäre dann aber die Frage, ob bei der Vermögensverfügung ein Verfügungsbewusstsein erforderlich ist. Dies wird beim Sachbetrug in der Regel verlangt. Jedoch genügt es, wenn der Verfügende bei umsichtigem Verhalten, hätte erkennen können, dass er eine Verbindlichkeit eingeht (so MüKo § 263 Rn 261)Argument hier: Der Betrug bleibt immer noch ein Selbstschädigungsdelikt.
Ein Schaden läge schließlich nur auf der Grundlage der Theorie von der schadensgleichen Vermögensgefährdung vor (denn ob E dem Herausgabebegehren des F nachkommt ist ungewiss.
A und F gem. § 267, § 25 I Alt. 2, § 25 II
1. oTB
a. Tatobjekt Urkunde
b. Tathandlungsvarianten:
Var. 1: Herstellen einer unechten Urkunde
P ->Entsteht eine unechte Urkunde, wenn vermeintlicher und tatsächlicher Aussteller identisch sind. Da der Erklärende über die Bedeutung des Schreibens getäuscht wurde, könnte man annehmen, es sei nicht J sondern A und F zuzurechnen. Dabei ist auf zivilrechtlichen Kriterien abzustellen ist: Solange dem Erklärenden die Rechtserheblichkeit der Erklärung bewusst ist, ist die Urkunde echt. Fehlt dem Erklärenden hingegen das Bewusstsein, etwas Rechtserhebliches zu erklären, kann ihm mangels Erklärungswillens die Erklärung nicht zugerechnet werden. (hier müsste man wohl in Übereinstimmung mit den obigen Ausführungen eine Entscheidung treffen?!)
J ist zwar objektiv Aussteller, da diese ihm nicht zugerechnet werden kann, ist er Tatmittler von A und F, denen die Erklärung zuzurechnen ist.
Demnach liegt eine Urkundenfälschung in mittelbarer Täterschaft vor.
A und F handelten überdies Mittäterschaftlich, da beide in einem Gesamtgeschehen kausale Verursachungsbeiträge leisteten und auf Basis eines gemeinsamen Tatplans mit dem notwendigen Täterwillen und Tatherrschaft handelten. (in Klausur wohl etwas ausführlicher erörtern?)
und
Var. 3: Gebrauch einer unechten /verfälschten Urkunde
2. subjektiver Tatbestand
a. Vorsatz
b. dolus directus hins. Täuschung des Rechtsverkehrs
3. Rechtswidrigkeit
4. Schuld
5. ggf.: besonders schwerer Fall, § 267 III Nr. 2 großes Ausmaß hM bei über 50.000 daher (+)
Ich schrieb die Klausur beim OLG Köln mit und erzielte 11 Punkte.
Ich hatte den Gepäckschein als Inhaberkarte (807 BGB iVm 793 I BGB) eingestuft, und hatte, soweit ich mich erinnere, bei der Vorlage dieses Gepäckscheins einen Irrtum des Mitarbeiters -und damit den Betrug zum Nachteil des C- bejaht.