Strafrecht – März 2013 – 1. Staatsexamen Baden-Württemberg
Vielen Dank für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls zu der im März 2013 gelaufenen Klausur im Strafrecht in Baden-Württemberg. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sowie Lösungsansätze sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
Privatpatientin P lässt sich von Chefarzt C operieren. Aus Unachtsamkeit vergisst C eine Pinzette im Bauchraum der P. Erst nach der Operation bemerkt C den Fehler. C teilt der P mit, es sei eine zweite Operation erforderlich. Von der Pinzette erzählt C der P nichts. P willigt in die Operation ein. C entfernt die Pinzette erfolgreich.
Ein Assistenzarzt hat den Fehler des C mitbekommen und informiert P nach der zweiten Operation über den Fehler des C bei der ersten Operation. P beschließt, von C ein „Schmerzensgeld“ zu verlangen, das weit über die in solchen Fällen normalerweise von den Gerichten zugesprochene Summe hinausgeht (50.000 Euro). P fordert C zur Zahlung auf, da sie sonst dessen Fehler der Presse mitteilen werde. C zahlt aus Angst um seinen Arbeitsplatz und seinen guten Ruf die 50.000 Euro.
Nach einer Weile meint P, ihr stehe noch mehr Geld zu. Sie verlangt weitere 50.000 Euro von C. C erkennt, dass P ihr Verhalten fortsetzen wird. Um sich zu wehren, bittet C seinen Bekannten D, gegen Zahlung von 10.000 Euro der P einen „fühlbaren Schrecken“ einzujagen. Dazu teilt er D die Adresse von P mit. D beauftragt den E, den Wunsch des C auszuführen. E klingelt bei P, es öffnet jedoch die Schwester (S) der P. E hält die S für P und schlägt und tritt sofort auf sie ein, auch nachdem sie bereits am Boden liegt. S trägt Prellungen und Blutergüsse davon.
P erkennt, dass sie von C wohl kein weiteres Geld mehr bekommen wird und informiert die Polizei.
Aufgaben:
Wie haben sich C, P, D und E strafbar gemacht?
Hat hier eigentlich jemand Anmerkungen / Lösungsvorschläge?
C: 229 (Vergessen der Pinzette), mangels „echter“ Einwilligung für den Zweiteingriff (kann diese unterstellt werden, liegt ja im Interesse von P?) evtl. 223, evtl. 224, aber 34 wäre in jedem Fall zu prüfen bzw. zu erwähnen.
sowie: 26 Anstiftung zu Körperverletzung 223, auch für 224, jedenfalls billigende Inkaufnahme denkbar da ja nicht dabei. Prüfung, ob er sich den Irrtum des E zurechnen lassen muss, wenn nicht, dann Versuch + Versuch an D?
E: 223, 224, evtl. 226 ansprechen, error in persona
D: wie C 26 Anstiftung zu Körperverletzung 223, auch für 224, jedenfalls
billigende Inkaufnahme denkbar da ja nicht dabei. Prüfung, ob er sich
den Irrtum des E zurechnen lassen muss, wenn nicht, dann Versuch +
Versuch an D?
P: Über 240 zu 253 als lex specialis Problematik: Presseinfo ein empfindliches Übel? Verwerflichkeit bei erster Forderung? Bei zweiter Forderung? Keine Tateinheit, neuer Tatentschluß bei 2. Erpressung bzw. Versuch, (Vollendete Tat, vollendeter Versuch etc.)(so man sie bejaht), Rücktritt durch Strafanzeige prüfen und beurteilen.
Strafrecht ist 20 Jahre her, müsste aber so passen. (Prüfreihenfolge optimieren)
Ich würde zudem den ersten Tatkomplex in drei Handlungen und drei Tatbestände aufteilen :
1. Opertation mit Einwillgung : Nach Rechtfertigungstherie der Rspr. 224 (-)
2. Liegenlassen der Schere 229 (+)
3. 2. Operation 224 vollendet – möglicherweise auf Grund Wissensmängel bei der Einwilligung
Aufgabe 1: Strabarkeit des E
A. § 223 I, 224 I Nr. 2 Fall 2 (+)
(P) Error in persona, allerdings unbeachtlich, da gleichwertige Rechtsgüter (Gesundheit betroffen)
(P) Besohlter Schuh als gefährliches Werkzeug (+)
1ter Tatkomplex: Die Operationen
Strafbarkeit des C
A. § 223 I, 224 I Nr. 2 Fall 2 (-) beim 1ten Eingriff
(P) Arzt gleich Körperverletzer
e.A. Tatbestandsausschluss
CONTRA: Patientenwille wird nicht berücksichtigt.
h.L. Tatbestand (+), aber Rechtfertigung durch Einwilligung
(P) Einwilligung
= Einwilligung bezüglich des Eingriff vorhanden. Bezüglich des Kunstfehlers bestand kein Vorsatz.
B. § 229 bzgl. Pinzette (+)
Das Vergessen er Pinzette erfolge infolge von Unachtsamkeit als Fahrlässigkeit.
(P) Einwilligung
= Die Einwilligung erstreckt sich nur auf lege artis Eingriffe. Hier hat C nicht lege artis operriert, sondern Pinziette vergessen (Fischer, § 23 Rn. 13).
C. § 223 I, 224 (-)
(P) Einwilligung (-)
= Einwilligung war nicht umfangreich, sodass deutlich wurde, warum ein 2tes Mal operiert werden sollte.
(P) Hypothetische Einwilligung (+)
= Einwilligung hätte eingeholt werden können, allerdings hätte der Betroffene auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung, dem Eingriff zugestimmt und der Eingriff erfolgte lege artis.
2ter Tatkomplex: Erpressung durch P
A. § 253 I (+)
(P) Rechtswidrigkeit der Drohung
= Inhaussichtstellen eine künftigen Übels, auf das der Drohende Einfluss zu haben hat, vorgibt. Die Drohung ist empfindlich, wenn der Bedrohte hierdurch motiviert wird und kein Bagatellfall anzunehmen ist. Dies ist hier nicht der Fall.
B. § 253, 22 (+) “zweiter Runde”
Versuch ist nach § 253 III strafbar. Zweite Erpressung ist nicht vollendet.
(P) Rücktritt
(-), da fehlgeschlagener Versuch
3ter Tatkomplex: Das Wehren der 2ten Zahlungsforderung
Teil 1: Strabarkeit des E
A. § 223 I, 224 I Nr. 2 Fall 2 (+)
(P) Körperliche Misshandlung und Gesundheit
(P) Error in persona, allerdings unbeachtlich, da gleichwertige Rechtsgüter (Gesundheit betroffen)
(P) Besohlter Schuh als gefährliches Werkzeug (+)
Teil 2: Strafbarkeit des C
A. § 223, 224, 26 (+)
(P) Kettenanstiftung ist Anstiftung
(P) Error in persona des Vordermannes
e.A. error in persona des Anstifters
a.A. aberratio ictus des Anstifters
h.L. Sofern Anstifter Individualierung vorgenommen hat, dann aberratio ictus, ansonsten error in persona. Hier hat C nur Adresse mitgeteilt, Individualisierung hatte Täter, also error in persona und damit unbeachtlich.
Teil 3: Strafbarkeit des D
A. § 223, 224, 26 (+) vgl. C