Strafrecht – August 2013 – 1. Staatsexamen NRW, Sachsen
Vielen Dank an Dina für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der im August 2013 in NRW gelaufenen Klausur im Strafrecht. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt (Gedächtnisprotokoll)
A und V sind beide im Drogenmillieu tätig. V hat eine 17 Jährige Tochter (T), für die er allein sorgeberechtigt ist. A ruft V an und sagt ihm, er habe seine Tochter T in seiner Gewalt. Würde er nicht den D, einen anderen Konkurrenten töten, könne er für das Leben der Tochter nicht garantieren. Er wüsste, dass er das gut kann, denn er sei ja Sportschütze. A will die Tochter T aber nicht entführen, sondern will V mit der Aussage nur zu der Tötung bewegen.
Die leichtgläubige T hatte kurz zuvor in dem Glauben, dass A ihrem Vater lediglich einen Schrecken einjagt, eingewilligt, bei dem Vorhaben des A mitzuwirken. Sie ließ sich von A in seiner Hütte verstecken. Über den Plan mit der Tötung des D wusste sie nicht Bescheid. A schließt vorsichtshalber die Tür der Hütte ab und setzt den Wachmann P davor. Zwar hofft er, dass T schon nicht fliehe, hat jedoch vor einem Sinneswandel ihrerseits Angst und möchte auf Nummer sicher gehen.
V, der keinen anderen Ausweg sieht und sehr verzweifelt ist, lauert dem D vor einer Kneipe auf. Er versteckt sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Wie von V geplant, kommt D mit seinem Bruder B eine halbe Stunde später aus der Kneipe. Er zielt auf ihn, trifft seine Brust, erkennt jedoch, dass der D nicht lebensgefährlich verletzt ist. Er überlegt kurz, ob er einen weiteren Schuss abgeben soll, lässt dann jedoch davon ab aus Angst, der Bruder B, der Sportschütze ist, könnte ihn erschießen oder die Polizei könnte ihn identifizieren, weil er nicht mehr genug Zeit zur Flucht hat.
Zur gleichen Zeit bemerkt T, dass die Hütte verschlossen ist. Sie will fliehen und zerstört mit einem Stuhl das Fenster und flüchtet.
V hat währenddessen einen Tipp bekommen, dass seine Tochter in der Hütte des A versteckt sein könnte. Er fährt dort hin, sieht den W und erschlägt diesen von hinten mit einer Eisenstange auf den Kopf. P geht bewusstlos zu Boden. V schlägt mit der Eisenstange die Tür ein und beschädigt dabei die Tür.
Wie haben sich V und A strafbar gemacht? § 235 StGB ist nicht zu prüfen. Konkurrenzen sind nicht zu bilden.
Lief auch in Sachsen.. als Ergänzung vielleicht noch: die Tür der Hütte (die mit Lebensmitteln und allem bestückt war) schloss A erst nach dem Anruf bei seinem Konkurrenten V ab. Und nachdem V den ihm körperlich unterlegenen und unbewaffneten P mit der Eisenstange niedergeschlagen hat, prügelt er mit der Stange noch solang auf P ein bis dieser sich nicht mehr regt. Erst danach bricht er die Hütte der Tür auf (wenn ich mich recht erinner allerdings ohne die Eisenstange). während V in der Hütte ist erwacht P aus seiner Bewustlosigkeit und entfernt sich.
Strafbarkeit von A und V nach StGB, § 235 StGB war auch nicht zu prüfen an den Hinweis hinsichtlich der Konkurrenzen kann ich mich allerdings nicht erinnern.
Prügelt P aus Angst, Furcht oder Schrecken weiter auf den zu Boden Gegangenen ein? Dann klingt es nach einem Putativnotwehrexzess.
davon stand nichts im Sachverhalt.. und P war der, auf den eingeprügelt wurde 😉
Nicht der P prügelt, sondern V verprügelt den P. Und klar hatte er Angst, nämlich um seine Tochter T. Das Problem war hier auch, dass sie schon geflohen war und zwar zu dem Zeitpunkt als V auf D schoss. Und damit ist die Gegenwärtigkeit der Notwehrlage futsch.
Konkurrenzen waren in Sachsen zu prüfen. Bin leider nicht mehr dazu gekommen. V hat sich insgesamt nicht strafbar gemacht – wegen Rechtfertigung. Der A allerdings schon und das sowohl mit 52 und 53.
Danke dass du mir das bestätigst.. hab schon an mir gezweifelt die völlig umsonst geprüft zu haben..
Was hast du denn geprüft?
V: 212, 211 (Heimtücke) (-) D lebt ja noch
212, 211,22,23 (+) aber 211 (-) hat bei mir für Heimtücke nicht gereicht
In Tateinheit 223, 224 Nr. 2 (+) , 3 (-), 5 (+)
bzgl P 2x 223, 224 (einmal niederschlagen, einmal das danach erfolgte einprügeln) Nr. 2 (+), 3 (-) beim niederschlagen von hinten, 5 (+)
303 und 123 (jeweils Strafantrag nötig)
A: 212, 26 (+)
240 (+)
241 (+)
239a (-)
239b (-)
239 (+)
und bei V eben am Anfang noch die ganzen Rechtfertigungs- und entschuldigungsgründe sowie Rücktritt (der bei mir an der freiwilligkeit gescheitert ist)
Ich habe nicht 212,26 sondern 211, 28 II, 25 I Alt.2. Ist aber denke ich zu „forsch“.
Naja..ich hab dem Sachverhalt nicht wirklich ein Mordmerkmal des A entnommen weil bzgl. D stand ja nicht drin dass der auch im Drogenmilieu tätig war..und ansonsten mit der Heimtücke die ich bei V angeprüft hatte wusste A ja auch nichts ..
Ja, bei A habe ich auch keine Mordmerkmal gesehen.
Also ich bin mir ziemlich sicher mich zu erinnern, daß auch D im Drogenmilieu tätig ist und zwar als Konkurrent zu A. Das habe ich dann als „habgiernah“ und deshalb ebenfalls niederen Beweggrund gewertet. War aber NRW
In Sachsen warn nur A und V Konkurrenten im Drogenmilieu 🙂
Habe u.A hinsichtlich des V § 211,22,23 (Heimtücke) (+)
aufgrund des Angriffs auf offener Straße,jedoch §24 I 1 1.Alt (+)
Hinsichtlich A lagen bei der von V begangenen Tat § 211,22,23 keine MM vor.
Habe dementsprechend mit § 28 II–> §212,22,23,26 (+)
Für die Annahme §25I2 lagen bzgl V doch keine Defekte vor!
Also, ich bin von einer Nötigungsherrschaft ausgegangen, also einem Defizit auf der Schuldebene von V. V war zwar wegen §35 S.2 nicht entschuldigt, da er die Gefahr selbst geschaffen hat. Das ändert aber nichts an der tatsächlich vorhandenen Nötigungsherrschaft des A, V wird nur nicht privilegiert.
Heimtücke habe ich auf jeden Fall bejaht. D hat nicht mit einem Angriff auf sein Leben gerechnet. Er war arg- und wehrlos.
Den Versuch mit dem 1. Schuss habe ich tb-lich bejaht, war aber gerechtfertigt mit Notstandshilfe für T, deswegen bin ich gar nicht erst zum Rücktritt gekommen. Mit welcher Begründung hast du diesen RF-Grund abgelehnt?
Habe den Versuch bei V mit dem Überlegen zum 2. Schuss bereits am unmittelbaren Ansetzen scheitern lassen, da er es sich erstens nur überlegt hat und zweitens für die neue TB-Verwirklichung die Waffe hätte neu laden und anlegen müssen.
Ich habe geschrieben, dass V „die Gefahr“ selbst zumindest mitverschuldet hat durch seine Tätigkeit im Drogenmilieu. Deshalb ist die Schuld nach §35 S.2 nicht ausgeschlossen, sondern nur die Strafe zu mildern. Nur über diesen konnte man m.E. zum Rücktritt kommen.
Bei der Heimtücke hatte ich mich auch etwas vertan glaub ich.. Arg-und Wehrlosigkeit hatte ich auch noch bejaht dann aber auf feindliche Willensrichtung eingegangen und verneint weil die Person des D dem V ja eigentlich egal war… wie gesagt etwas vertan..und dadurch natürlich auch gar nicht erst zu 28 gekommen.. aber mal schaun..
Hab die RF-Gründe nicht ausführlich geprüft weil ichs sonst zeitlich wohl nicht geschafft hätte.. bzgl. 32 meinte ich D war ja aber an keinem Angriff beteiligt, bzgl 34 wäre es auch zumutbar gewesen für V die Polizei einuschalten statt einen unbeteiligten Dritten niederzuschießen, auch wenn er im Drogenmilieu tätig ist ansonsten (auch bei ENtschuldigungsgründen) meinte ich dann meistens nur scheitert spätestens an Angemessenheit, bzw. keine Abwägung Leben gegen Leben. Dann bist du aber der Einzelaktstheorie gefolgt, wenn du einen zweiten Versuch angeprüft hast, oder?
Nein, ich bin der Gesamtbetrachtungslehre gefolgt und habe auch die Freiwilligkeit bejaht. Zumindest im NRW-Sachverhalt hat er nur einmal geschossen. Er glaubte, den zweiten Schuss noch setzen zu können, hat es aber aus Opportunitätsgründen nicht getan. Er konnte noch, wollte aber nicht mehr.
Der Rechtfertigungsgrund ist abzulehnen, weil kein Angriff von D ausgeht und darüber hinaus objektiv ja gar keine Notstandslage vorlag. Vielmehr hat sich der V diesbezüglich geirrt. Wenn sein Irren auf Ebene der Schuld vermeidbar war, kam man noch zu m Rücktritt.
Habe bei der Prüfung des A ggü T und ihren tb-ausschliessenden Einverständnis in 3 Tätigkeitskomplexen unterschieden. Vor Abschliessen – mit Abschliessen – mit Bemerken des Einschliessens.
Habe deswegen dann Freiheitsberaubung an T bejaht und Bedrohung.
Erpressung und erpresserischer Menschenraub ebenfalls wegen fehlendem Vermögensnachteil abgelehnt.
Achso, nach der Klausur ist mir der Gedanke gekommen, dass 241 eine Qualifikation des 240 ist? Hab noch nichts weiter darüber gefunden.
Nein, ist es nicht, denn §241 erfordert keinen Nötigungserfolg, §240 schon.
Ergänzungen zum NRW-SV:
Die Hütte war mit allem Nötigen von A zuvor bestückt worden. A hat die Tür auch erst abgeschlossen nachdem er bei V angerufen hat.
Der B war kein Sportschütze, sondern Waffennarr.
Der V hat sich an den unbewaffneten und ihm körperlich unterlegenen P herangeschlichen und mit der Eisenstange nieder geschlagen. Während V in der Hütte war ist der P abgehauen.
Der letzte Absatz war in Sachsen auch so.
Hallo,
hat den keiner, als er den A vor der Hütte inedergeschlagen hat, einen Erlaubnistatbestandsirrtum geprüft??? Er ging ja zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass die T in der Hütte sei. Er stellt sich dann doch Umstände vor (war T in der Hütte, gegenwärtige Gefahr / Dauergefahr / Nothilfe, § 32), bei deren Vorliegen er gerechtfertigt wäre?!
Habe da einen ETBI geprüft und bejaht, bin aber zu dem Ergebnis gekommen, dass auch bei Vorliegen der Vorstellung des A weder §32 – wegen Erforderlichkeit – noch §34 – wegen Angemessenheit – gerechtfertigt wäre.
Hallo,
also in NRW hat er, soweit ich den SV noch im Kopf habe, nur einmal auf den A eingeschlagen. Ich habe, trotz körperlicher Überlegenheit des V, die Erforderlichkeit bejaht, da er sich, so meine Argumentation, aufgrund der fortwirkenden Drohung auf kein milderes Mittel einlassen musste. Ich denke das ist Argumentationssache. Wäre der Sachverhalt dann so wie vorgestellt, hätte er sich innerhalb der Grenzen der Nothilfe bewegt und deshalb habe ich i. E. den ETI durchgehen lassen und Fahrlässige KV § 229 StGB geprüft und zu seinen Gunsten die objektive SPV verneint (wegen unvermeidbarkeit des ETI im Zt. der Handlung).
Habe es auch so.
Hat keiner den Nötigungsnotstand gesehen oben bei dem versuchten Mord? Hab die Behandlung erstmal thematisiert, ob es als Rechtfertigungsgrund in Betracht kommt es verneint und dann im Rahmen der Schuld festgestellt, dass jedoch objektiv keine Nötigungsnotstandslage vorliegt, da Tochter schon weg. Dann diesbezüglich einen Irrtum auf der Schuldebene nach § 35 II angesprochen und wegen vermeidbarkeit abgelehnt. Da stand nämlich er sah keinen Ausweg. Hab dort argumentiert, dass er die Tochter hätte anrufen können oder jedenfalls Polizei einschalten.
Im unteren Teil habe ich ETB durchgeprüft war auch einschlägig und dann deswegen § 229 bzgl Rechtsfolge angenommen. §303 und 123I sind dann wegen fehlen einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit entfallen.
Dann noch kurz § 221, 323c verneint…
Oben im Versuch hab ich für V heimtücke angenommen, wieso auch nicht bei einem Schuss von gegenüberliegender STraßenseite. Für A hab ich niederen Beweggrund angenommen, um nicht auf Problem der gekreuzten Mordmerkmale eingehen zu müssen. Rücktritt war bei mir entweder fehlgeschlagen, habs aber offen gelassen und dann endgültig bei freiwilligkeit abgelehnt, da er nur Angst vor eigener Schussverletzung und Identifizierung hatte.
Für A thematisiert ob mittelbare Täterschaft oder Anstiftung in Betracht kommt am Ende aber alles als Anstifter kurz abgehandelt…
War eine typische Rennfahrerklausur.
Hallo,
ja habe im ersten Teil auch § 32 (-), § 34 (-), § 35 mit der gleichen Argumentation (-). Habe dann noch einen übergesetzlichen entschuldigenden Notstand angeprüft, aber auch (-)
Im zweiten Teil ETI und bzgl. § 303 ETI (§ 904 BGB)
Wieso greift denn § 239b nicht? Würde mich interessieren.
weil zum Zeitpunkt des Anrufes keine Entführung des Mädchens vorlag. Da lag noch das Einverständnis der T vor.