Sachverhalt der 2. Zivilrechtsklausur – Dezember 2011 – 1. Staatsexamen, Hamburg
Wir danken Christian ganz herzlich für sein Gedächtnisprotokoll der 2. Zivilrechtsklausur (1. Staatsexamen, Dezember 2011) in Hamburg. Ergänzungen und Kommentare sind gern gesehen!
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
E ist Eigentümer zweier nebeneinanderliegender Grundstücke, X-Straße 9a und 9b. Die Grundstücke sind jeweils mit einem Einfamilienhaus bebaut.
E möchte das Grundstück 9a an K verkaufen. Beide schließen vor dem Notar am 22.11.2010 einen Kaufvertrag zu einem Kaufpreis in Höhe von 520.000 €.
Mündlich hatten beide vereinbart, dass K dem E eine „Rückvergütung“ in Höhe von 40.000 € zahlen würde.
K finanziert den Kaufpreis voll über die B-Bank. Auf seine Anweisung zahlt die B-Bank am 15.3.2011 (?) den Kaufpreis an E. Einen Tag später wird K das Grundstück übergeben. E zahlt die „Rückvergütung“ an K.
Die Auflassung erfolgt wirksam am 2.5.2011, am 12.6.2011 wird K in das Grundbuch als Eigentümer eingetragen.
Bereits im April stellte K erhebliche Feuchtigkeitsschäden im Souterrain des Hauses fest, die auch gesundheitsgefährdend sind und eine Nutzung als Wohnung nicht ermöglichen.
Weiterhin stellt sich heraus, dass Carportstellplätze auf dem Grundstück ohne Baugenehmigung errichtet wurden und auch nicht genehmigungsfähig sind. Der Carport muss abgerissen werden.
Beide Mängel bestanden schon zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses.
K teilt dem E dies am 15.7.2011 schriftlich mit und setzt eine Frist von einem Monat zur Beseitigung der Mängel. E verweigert dies definitiv.
Ein von K beauftragtes – zutreffendes – Gutachten stellt fest, dass der objektive Wert des Grundstücks 600.000 € beträgt, berücksichtigt man die Feuchtigkeitsschäden und den Abriss des Carports hat das Grundstück noch einen Wert von 500.000 €.
Daraufhin erklärt K Minderung des Kaufpreises und fordert E zur Rückzahlung von 80.000 € auf. E weist dies zurück, immerhin hätte K doch sowieso schon 40.000 € zurückerhalten; außerdem waren ihm die Mängel im Zeitpunkt der Eintragung in das Grundbuch bereits bekannt, nur darauf könne es ankommen meint E.
Weiterhin macht K geltend, er hätte das Souterrain nicht entsprechend vermieten können; hierfür sind ihm jedenfalls für 2011 Mieteinnahmen in Höhe von 5.000 € entgangen. Den Abriss des Carports veranschlagt er mit 4.000 €.
Frage 1:
Kann K von E Zahlung von 80.000 € verlangen?
Hat K einen Anspruch gegen E auf Zahlung weiterer 9.000 € (entgangene Mieteinnahmen und Abrisskosten)?
Bearbeitervermerk: Es ist davon auszugehen, dass K die Minderung von 80.000 € richtig berechnet hat.
Abwandlung
Das Grundstück X-Straße 9b hat E seit 5.12.2009 an den M vermietet. Die monatliche Miete beträgt 3.000 € und ist jeweils zum 3. Werktage des Monats zu zahlen.
Bisher zahlte M die Miete immer pünktlich. Ende April stellt M erhebliche Feuchtigkeit an den Wänden fest; der Schimmelbefall ist auch gesundheitsgefährdend.
Daher entschließt M sich, für Mai und Juni 2011 keine Miete zu zahlen. Allerdings informiert er den E darüber nicht.
Nachdem E feststellt, dass die Miete nicht gezahlt wird, beauftragt er seine Grundstücksverwalterin X damit, das Mietverhältnis mit M zu kündigen. Die X gibt diese Aufgabe an ihre Angestellte Y weiter. Mit Schreiben vom 15. Juni 2011, welches dem M am gleichen Tag zugeht, kündigt die Y im Namen des E das Mietverhältnis aufgrund des Zahlungsverzuges der Mieten Mai und Juni 2011. Dem Schreiben ist eine Kopie der Vollmacht des E an X beigelegt.
Das möchte M so nicht hinnehmen. Er antwortet mit Schreiben vom 30.6.2011 und weist die Kündigung zurück – Y hatte seiner Meinung nach gar keine Vollmacht. Weiterhin weist er nun auf die Feuchtigkeit hin. Aufgrund der Feuchtigkeit bräuchte er nicht zahlen.
Am Juli zahlt M dann wieder.
E erhebt Räumungsklage, die dem M am 10.7.2011 zugestellt wird. M lässt sich vom Mieterverein beraten und macht im Prozess ein Zurückbehaltenungsrecht aus einem „Instandhaltungsanspruch“ geltend. E weist dies zurück.
Am 10.9.2011 bekommt M jedoch Bedenken und überweist die offenen Mietrückstände von 5.800 € an E; auf dem Konto des E erfolgt die Gutschrift am 11.9.2011.
Frage 2:
Hat E gegen M einen Anspruch auf Räumung des Einfamilienhauses ?
Habe heute Nachmittag auch schon den Sachverhalt aus NRW an euch gemailed, ist aber leider noch nicht veröffentlicht.
Bei uns war der Fall ähnlich, es gab jedoch keinen Y, bei uns hat X selbst die Kündigung geschickt. Bei uns gab es keine Frist von einer Woche, sondern nur eine Aufforderung. Der Hinweis, dass die Minderung korrekt berechnet sei, fehlte.
@kaha: Ist nun online.
Teil Eins basiert auf einem Urteil vom BGH:
RÜ 09/2011 S. 553; BGH Urt. v. 27.05.2011 – V ZR 122/10
Bei Frage 1 habe ich total versagt. Bei Frage 2 habe ich eine wirksame Kündigung angenommen und die nachträgliche Unwirksamkeit der Kündigung nach § 569 III Nr. 2 verneint, weil die Kontogutschrift bei E einen Tag zu spät angekommen ist. Somit Ansprüche aus § 546 I und § 985 (+)
Was denkt ihr, wie die Teile gewichtet werden?
Die restliche Miete war doch eine Zahlungsschuld nach § 270 BGB und damit eine atypische Schickschuld, so dass es für den Verzug auf das rechtzeitige Absenden, also die Anweisung des M am 09. 09.2011 ankommt und es daher rechtzeitig war, oder?!
Du hast (leider) Recht. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Leistungshandlung des Schuldners. Das gilt sogar dann, wenn im Mietvertrag etwas abweichendes vereinbart ist (LG Berlin, Urteil v. 3.4.1992, 64 T 36/92, ZMR 1992, 394; LG Hamburg, Urteil v. 26.10.1990, 311 S 55/90, WuM 1992,124). Somit wären wir dann wohl bei § 546, 985 (-).
Wobei ich noch ein paar Probleme damit hatte, dass er statt der vollen 6000,- nur 5800 überwiesen hat. Wusste nicht so recht was ich damit anfangen sollte, bzw. warum M gerade 200,- einbehalten hat, da dies ja auch nicht 30% Minderung entsprechen würde.
Der Mangel hätte zwar in nur einem Tag behoben werden können, dann hätte M aber allenfalls für einen Tag also 100,- einbehalten können….oder?
Die Abweichung zwischen 5.800 € und 6.000 € hat mich auch verwirrt – laut Sachverhalt waren es doch aber „die Mietrückstände“?
Zumal man ja bei einem Tag Nutzungsausfall die Miete auch hätte nur entsprechend von 1/30 hätte mindern können, oder?
Interessant finde ich, das ein Blick in den Kalender gezeigt hätte, dass der 10.9. ein Samstag und der 11.9. entsprechend ein Sonntag waren – dann hätte man sogar den Fristablauf auf Montag schieben können (gem. § 193 3. Var BGB)!?
Wie sollte man in der Klausur darauf kommen, dass der 10.09 ein Samstag ist? Gab es Angaben?
Dann hätte man noch schön die Rspr. vom BGH bringen können, dass im Fall von Mietzahlung der Samstag kein Werktag ist, wegen der Karenzzeit des Mieters….Aber woher sollte man ziehen, dass das ein Samstag war?
Die Argumentation des BGH zum 1. Teil kann ich in dieser Situation nicht so ganz nachvollziehen – lt BGH ist der gesamte Vertrag formunwirksam, soweit irgendeine schuldrechtliche Vereinbarung nicht dem Formerfordernis gem § 311 b I BGB genügt.
Worin liegt denn das Schutzinteresse hinsichtlich des Grundstücksverkaufs?
Zugespitzt hätte also dem BGH folgend bereits die Vereinbarung, E zahlt 1 € an K (oder E stellt eine Flasche Sekt zum Einzug bereit) den gesamten Vertrag für unwirksam erklärt, wenn nicht auch diese Zusatzvereinbarung noteriell beurkundet wurde?
Nachvollziehbar wäre es meiner Ansicht, die Kick-Back Vereinbarung für sich zu betrachten und ggf. sofern damit zB das Bankendarlehen zweckentfremdet werden soll für sich gesehen als unwirksam (§138 I BGB) zu beurteilen.
@Kahaa: genau, das hätte man dann berücksichtigen können.
Dem Sachverhalt konnte man in HH aber jedenfalls nichts entnehmen (wenn man nicht aus irgendeinem Grund wusste, was für ein Wochentag das war); ein Kalender oder so war nicht dabei – jedenfalls bei meiner Klausur nicht.
Und wenn man bedenkt, dass es völlig praxisfern ist, dass eine Bank (auch bei Onlinebanking) von Samstag auf Sonntag Geld gutschreibt, kann es darauf eigentlich nicht angelegt sein; vielmehr möglicherweise eine unabsichtliche Gestaltung der Termine, die sich nur am 10.7. orientierte 😉
@vaio: Natürlich gil die Argumentation des BGH nicht für jede kleine Abrede…..§ 139 ist hier entscheidend….Ohne Kickback Vereinbarung hätte K nie das Grundstück für 520.000 gekauft, sondern eben nur für die ausgehandelten 480.000.
Solch wesentlichen Nebenabreden (nicht bloß eine Flasche Sekt zum Einzug) müssen notariell beurkundet werden, sind sie es nicht, sind sie formunwirksam und wegen § 139 eben auch der ganze Vertrag, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien den Vertrag auch ohne die Nebenabrede geschlossen hätten, was ja gerade nicht der Fall ist, K wollte keineswegs insgesamt 520.000 für das Grundstück ausgeben
Teil 2: VIII ZR 330/09