Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Im Folgenden eine Übersicht über im März veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Urteil vom 7. Januar 2015 – 2 StR 163/14
Es ist für die Annahme des Raubtatbestandes (§ 249 StGB) nicht erforderlich, dass die eingesetzten Nötigungsmittel objektiv erforderlich, ursächlich oder förderlich gewesen sind; genügend ist es, wenn der Täter nach seiner Vorstellung Raubmittel anwendet, um dadurch eine Wegnahme zu ermöglichen, ohne dass es objektiv darauf ankäme, ob dies tatsächlich der Fall ist (st. Rspr.). Daher kommt es nicht darauf an, ob das Opfer das Verschließen der eigenen Wohnungstür durch den Täters bemerkt und sich dadurch genötigt gefühlt hat, die Wegnahme der Tatbeute zu dulden.
II. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2015 – 2 StR 204/14
Eine Strafbarkeit wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in der Tatvariante der Gewaltanwendung (§ 113 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass die Gewalt gegen den Amtsträger gerichtet und für ihn – unmittelbar oder mittelbar über Sachen – körperlich spürbar ist. Bloße Flucht vor dem Zugriff der Polizei durch Rückwärtsfahren mit einem Pkw ist kein (gewaltsamer) Widerstand, auch wenn dadurch gegebenenfalls Dritte gefährdet oder unvorsätzlich verletzt werden.
III. BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 – 3 StR 233/14
Bei Anwendung des § 228 StGB (Ausschluss einer Einwilligung bei Sittenwidrigkeit der Körperverletzung) auf eine einverständliche Schlägerei, bei der nicht lediglich Bagatellverletzungen zu erwarten sind, ist auch darauf abzustellen, ob die Beteiligten den Tatbestand des § 231 Abs. 1 StGB (Beteiligung an einer Schlägerei) erfüllen. Denn in diesem Fall liegt eine Missachtung der gesetzgeberischen Wertung des § 231 StGB vor, die das Sittenwidrigkeitsurteil unabhängig davon begründet, ob der sich hieraus ergebenden gesteigerten Gefahr für Leib und Leben durch Vorkehrungen, mit denen eine Eskalation der Auseinandersetzung verhindert werden soll, entgegengewirkt werden könnte. Die Annahme von Straflosigkeit infolge der Einwilligung in etwaige Körperverletzungen würde darüber hinaus in der gegebenen Konstellation zu unauflösbaren Widersprüchen führen, weil ein und dasselbe Täterverhalten einerseits ausdrücklich verboten, andererseits aber infolge der erteilten Einwilligung erlaubt wäre. Vorstehendes gilt dabei unabhängig davon, ob in der konkreten Schlägerei auch die schwere Folge des § 231 Abs. 1 StGB eingetreten ist, da es sich hierbei lediglich um eine objektive Strafbarkeitsbedingung handelt (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
IV. BGH, Beschluss vom 3. Februar 2015 – 3 StR 541/14
Ein bereits mit bedingtem Tötungsvorsatz geführter Angriff kann nur dann Grundlage eines Verdeckungsmordes (§ 211 Abs. 1, 2 Fallgruppe 3 Alt. 1 StGB) durch die spätere Tötung des Tatopfers sein, wenn zwischen beiden Tathandlungen eine deutliche zeitliche Zäsur liegt; ein zäsurloser Übergang vom bedingten zum unbedingten Tötungsvorsatz lässt die zeitlich davorliegenden Teile einer einheitlichen Tötungshandlung hingegen nicht als eine andere Straftat erscheinen. Die Annahme eines Verdeckungsmordes, der sich darauf stützt, dass sich bei einer bereits zuvor vorgenommenen Verletzungshandlung nicht mit der erforderlichen Sicherheit ein zumindest bedingter Vorsatz feststellen lasse, stellt eine fehlerhafte Anwendung des In-dubio-pro-reo-Satzes dar.
V. BGH, Urteil vom 11. Februar 2015 – 2 StR 210/14
Die einen Diebstahl (§ 242 StGB) begründende Tathandlung der Wegnahme als Bruch fremden Gewahrsams ist auch dann gegeben, wenn der Angestellte einer DB-Verkaufsstelle ihm ohne weiteres zugängliche Blanko-Bahnscheine zur Herstellung von Falsifikaten an Dritte weitergibt, ohne dass durch seinen Arbeitgeber eine Kontrolle über den Bestand der Fahrkarten bzw. die Anzahl von Bestellungen und Verkäufen vorgenommen wird. Denn der Ladeninhaber besitzt hinsichtlich der in seinem Ladengeschäft befindlichen Waren im Hinblick auf seine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit zumindest (Mit-)Gewahrsam, ohne dass es im Einzelnen darauf ankäme, ob er Kontrollen über den Bestand der Waren vornimmt oder überhaupt weiß, ob und wie viele der einzelnen zum Verkauf angebotenen Gegenstände sich in der Gewahrsamssphäre des Ladens befinden.
Im Fall V. („DB-Blanko-Diebstahls-Fall“) könnte noch fraglich sein, ob zwischen dem ausgebenden DB-Mitarbeiter und den Blankoabnehmern in Bezug auf die Blankoausgabe als möglicher Diebstahl mittäterschaftliche Beziehungen vorgelegen haben könnte. In einem solchen Fall könnten entsprechende Tabeiträge wechselseitig zuzurechnen sein. Dies damit U.U. ebenso Gewahrsamsverhältnisse. Danach könnte ein Gewahrsamsbruch zw. sein.
Es könnte anfänglich und schlussendlich mittäterschaftlicher Gewahrsam vorgelegen haben. Es hätte nur evtl. ein Gewahrsamswechsel von untergeordnetem Mitgewahrsam hin zu ausschließlichem Alleingewahrsam stattgefunden. D.h. es könnte m.E. nur ein Wechsel der Qualität von Gewahrsam Seitens der Täter vorliegen. Ob dies für Diebstahl genügen könnte, erschiene allerdings zw. Zw. erschiene hierbei etwa das Diebstahlstatbestandsmerkmal „nehmen“, weil die Täter danach ja bereits (Gewahrsam) „gehabt hätten“ und nicht erst „genommen“ hätten. Wenn Gewahrsam rein tatsächliche Verhältnisse meinen soll, könnte nicht iSe „Nehmens“ den Ausschlag geben, dass man sich nur über rechtliche beschränkende Beziehungen iSv. übergeordentem Gewahrsam hinwegsetzte.
Evtl. könnte noch Untreue zudem erwägbar scheinen.