Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Im Folgenden eine Übersicht über im Dezember veröffentlichte interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 – 1 StR 75/14
Die im Rahmen der vertraglichen Übertragung eines Erbteils erfolgte, täuschungsbedingte Herbeiführung einer Grundbuchberichtigung mittels eines gutgläubigen Notars ist keine Vermögensverfügung im Sinne des § 263 StGB zu Lasten des bisher eingetragenen Erbberechtigten, wenn die beabsichtigte Berichtigung der durch die Übertragung eingetretenen dinglichen Rechtslage entspricht. Dies gilt auch dann, wenn die Berichtigung durch den Notar von den Parteien vertraglich von der (vorliegend tatsächlich nicht erfolgten) Zahlung des vollständigen Kaufpreises für den Erbteil abhängig gemacht worden war. Soweit dadurch nach dem Willen der Vertragsparteien im Sinne eines Zurückbehaltungsrechts die Durchsetzbarkeit des Kaufpreisanspruchs gesichert werden sollte, mangelte es dieser Sicherheit jedenfalls an einer Werthaltigkeit. Denn eine solche Verknüpfung hindert den Erwerber nicht, den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs auf andere Weise direkt gegenüber dem Grundbuchamt zu erbringen.
II. BGH, Beschluss vom 30. September 2014 – 3 ARs 13/14
Auf den Vorlagebeschluss des 2. Strafsenats (§ 132 Abs. 3 GVG), der eine wahlweise Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls und gewerbsmäßiger Hehlerei als unvereinbar mit Art. 103 Abs. 2 GG ansieht, teilt der 3. Strafsenat mit, dass er an diesem Rechtsinstitut festhält. Ob die vorgenannte Entscheidungsregel neben prozessualen Elementen, die von Art. 103 Abs. 2 GG nicht erfasst würden, auch materielle Elemente enthalte, könne dahinstehen, da hierdurch weder die Reichweite der in Art. 103 Abs. 2 GG enthaltenen Gewährleistung verändert noch dessen Anwendungsbereich ohne Weiteres eröffnet werde. Das Rechtsinstitut der ungleichartigen Wahlfeststellung wirke nicht strafbarkeitsbegründend und berühre damit nicht den Grundsatz „nullum crimen sine lege“, da die Voraussetzungen, unter denen das Verhalten eines Angeklagten als strafbar zu qualifizieren sei, weiterhin aus den alternativ in Betracht kommenden Straftatbeständen folge. Die richterlich entwickelte Einschränkung der rechtsethischen und psychologischen Vergleichbarkeit der alternativen Straftatbestände wirke ebenfalls nicht strafbarkeitsbegründend, sondern schränke den Anwendungsbereich der Rechtsfigur, die gemessen an Art. 103 Abs. 2 GG auch unbeschränkt zulässig wäre, lediglich ein.
III. BGH, Beschluss vom 4. November 2014 – 4 StR 200/14
Fährt der Täter mit einem Pkw auf einen anderen Verkehrsteilnehmer zu, ist der innere Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur dann erfüllt, wenn er sich dabei wenigstens mit der Möglichkeit abgefunden hat, dass die betroffene Person angefahren oder überfahren wird und unmittelbar hierdurch eine Körperverletzung erleidet. Rechnet der Täter dagegen nur mit Verletzungen infolge von Ausweichbewegungen oder einem Sturz, scheidet die Annahme einer versuchten gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB aus.
IV. BGH, Beschluss vom 6. November 2014 – 4 StR 416/14
Ein Heimtückemord (§ 211 Abs. 1, 2, Fallgruppe 2 Var. 1 StGB) setzt grundsätzlich eine Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bei Beginn der Tatausführung voraus. Auch in dem von dieser Grundregel abweichenden Ausnahmefall, dass der Täter das Opfer planmäßig in einen Hinterhalt lockt, um eine günstige Gelegenheit zur Tötung zu schaffen und die entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen bei Ausführung der Tat noch fortwirken, ist vorausgesetzt, dass bereits das Locken in den Hinterhalt mit Tötungsvorsatz erfolgt ist. Lässt sich ein Tötungsvorsatz zu diesem Zeitpunkt hingegen noch nicht feststellen, scheidet ein Heimtückemord aus.
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Zuletzt noch eine verfahrensrechtliche Entscheidung, die sich mit dem absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit einer gesetzlich vorgeschriebenen Person) beschäftigt:
V. BGH, Beschluss vom 5. November 2014 – 4 StR 385/14
Bei einem Ausschluss des Angeklagten für die Dauer einer Vernehmung nach § 247 Satz 2 StPO wird gegen dessen Anwesenheitsrecht verstoßen, wenn er bereits bei Verkündung des Ausschließungsbeschlusses nicht mehr anwesend ist. Dass er mit seinem Ausschluss einverstanden war, ist unerheblich, da das Recht des Angeklagten auf Teilnahme an der Hauptverhandlung unverzichtbar ist und nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen eingeschränkt werden darf.
Fall I.: Es bestand anscheinend ein gegenseitiger Vertrag unter der Bedingung der Kaufpreiszahlung. Bei täuschungsbedingt erlangter Vorleistung daraus, könnte Betrug nur möglich sein, soweit bereits gerade das Vorleisten gegenüber der Leistung ansich bereichernd zu schädigen schiene. Dies könnte hier zweifelhaft sein, solange gerade das Vorleisten, durch Täuschungsanfechtung etc., noch wieder aufhebbar schien.
Fall II. („Wahlfestellung“): Nach „nulla poena sine lege“ darf grds. nur vor der Tat ausdrücklich gesetzlich geregeltes materielles Strafrecht strafbegründend sein o.ä. Wenn nur alternativ eine Strafbarkeit begründbar sein sollte, könnte die bisher nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Zulässigkeit davon mit strafbegründend sein. Das Fehlen einer ausdrücklich gesetzlich geschriebenen insoweitigen Regelung könnte so problematisch wirken?