OLG Frankfurt: Vorwurf von „SS-Methoden“ keine Beleidigung
Das OLG Frankfurt hat kürzlich einen interessanten Fall entschieden (2 Ss 329/11), bei dem es um die Frage ging, ob sich eine Person, die die Tätigkeit eines Beamten der Bundespolizei als „SS-Methoden“ bezeichnete, sich der Beleidigung nach § 185 StGB strafbar gemacht hat. Die Kritik resultierte daraus, dass der dunkelhäutige Angeklagte in einem Zug der deutschen Bahn aufgrund einer Anschlagsdrohung kontrolliert wurde.
Ist man im ersten Moment wohl geneigt eine Beleidigung selbstverständlich zu bejahen, so stellt sich die Situation nach Ansicht des entscheidenden Gerichts bei näherer Betrachtung abweichend dar.
Grundsätzlich bejaht auch das Revisionsgericht tatbestandlich eine Beleidigung nach § 185 StGB.
Besondere Beachtung bedürfe aber der spezielle Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB. Diese Norm dient gerade der verfassungsrechtlich vorgegebenen Abwägung von Meinungsfreiheit und Ehrschutz. Das Gericht legt insofern dar:
Nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts geht in Fällen, in denen sich die Äußerung als Kundgabe einer durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Meinung darstellt, die Meinungsfreiheit grundsätzlich dem Persönlichkeitsschutz vor, und zwar auch dann, wenn starke, eindringliche und sinnfällige Schlagworte benutzt werden oder scharfe, polemisch formulierte und übersteigerte Äußerungen vorliegen, auch wenn die Kritik anders hätte ausfallen können.
Es ist aber abzuwägen, wie weit der Schutz der Meinungsfreiheit durch den Schutz der Ehre begrenzt ist.
Bei der Beurteilung der Schwere der Ehrverletzung und ihrer Gewichtung im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung ist es von entscheidender Bedeutung, ob die verantwortlichen Beamten persönlich angegriffen werden oder ob sich die scharfe Kritik gegen die angewendete Maßnahme richtete und die Ehrverletzung sich erst mittelbar daraus ergab, dass die Kritik an der Maßnahme auch einen unausgesprochenen Vorwurf an die Verantwortlichen enthielt.
Zu bestimmen ist also was kritisiert werden soll: Der Adressat als solcher oder nur eine spezielle Handlung des Adressaten, so dass sich die Kritik nur mittelbar auswirkt.
Allerdings darf dies nicht so verstanden werden, dass damit jedwede Kritik an einer Handlung von der Meinungsfreiheit gedeckt und damit straflos ist.
Die Grenze der zulässigen Meinungsäußerung kann außer in Fällen der Formalbeleidigung zwar dann erreicht sein, wenn die Äußerung in ihrem objektiven Sinn und den konkreten Begleitumständen nach nicht mehr als ein Beitrag zur Auseinandersetzung in der Sache zu verstehen ist, sondern eine Diffamierung oder persönliche Herabsetzung der betroffenen Personen bezweckt wird, mithin eine Form der Schmähkritik vorliegt (BVerfGE 93, 266, BVerfG, NJW 2009, 3016). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Dies zeigt sich zum einen bereits in der deutlichen Distanzierung von einer persönlichen Herabsetzung auf Nachfrage des Beamten, ob der Angeklagte ihn beleidigen wolle bzw. ob er ihn als Nazi bezeichnen wolle. Der Angeklagte hat dabei gezeigt, dass er deutlich zwischen der sachlichen Kritik am Vorgehen des Beamten und der persönlichen Diffamierung abzugrenzen vermag.
Es zeigt sich also, dass nicht voreilig eine Beleidigung bejaht werden sollte, sondern sorgfältig die Wertung des Grundgesetzes zu berücksichtigen ist. Möglich ist auch eine verfassungsrechtliche Einkleidung des Falles und damit eine Prüfung im öffentlichen Recht.
Zu einem ähnlichen Fall – Kneipengespräch über Holocaust – hatten wir bereits kürzlich eine Besprechung veröffentlicht, auf die wir an dieser Stelle nochmals hinweisen wollen.
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