Öffentliches Recht ÖII – Oktober 2014 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank nochmals an Olaf für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der zweiten gelaufenen Klausur im Öffentlichen Recht des 1. Staatsexamens im Oktober 2014 in NRW. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
Der sehr wohlhabende M macht seiner Freundin F im September 2013 den lange ersehnten Heiratsantrag. Die Hochzeitsfeier soll am 08.08.2014 in der kreisfreien Stadt S in NRW stattfinden. Als große Anhänger der fernöstlichen Kultur planen M und F, als Teil einer standesgemäßen Hochzeitsfeier so genannte „Kong-Ming-Laternen“ aufsteigen zu lassen. Dabei handelt es sich um sehr leichte Papierlaternen, die eine Brennquelle enthalten und so durch eigenen Heißluftantrieb in die Luft aufsteigen. Diese Laternen legen oft mehrere hundert Kilometer zurück, bevor sie zu Boden gehen. Dabei sind sie so gestaltet, dass sie erst dann herabsinken, wenn das gesamte Brennmaterial aufgebraucht ist. M und F schaffen also solche Laternen für einen Kaufpreis von insgesamt 5000 Euro an. So sehen sie in ihren Träumen schon dutzende Laternen malerisch über den See in Richtung des örtlichen Waldgebietes auf und davon steigen.
Ein Dritter erfährt von diesen Plänen und meldet dies sofort der örtlichen Ordnungsbehörde. Diese geht sodann auf M und F zu. Die Frage, ob sie allen Ernstes Fluglaternen voll mit in Brennpaste getränkten Baumwolllappen über einem Waldgebiet aufsteigen lassen würden, bejahen beide. Die Ordnungsbehörde erlässt daraufhin am 13.03.2014 formell ordnungsgemäß einen mit ebenfalls ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid und untersagt M und F den Einsatz der „Kong-Ming-Laternen“ am 08.08.2014. Sie ordnet gleichzeitig formell ordnungsgemäß die sofortige Vollziehung an. Ebenfalls droht sie in dem Bescheid ein Zwangsgeld in Höhe von 2000 Euro für den Fall der Zuwiderhandlung an. Zur Begründung verweist die Behörde auf das Verbot des § 1 Fluglaternenverordnung NRW (FluglatV). Der Bescheid wird M und F am 20.03.2014 zugestellt.
M und F erheben daraufhin Klage, die am 22.04.2014, dem Dienstag nach Ostermontag, beim örtlich zuständigen Verwaltungsgericht eingeht. Das Gericht setzt den Termin für die mündliche Verhandlung auf den 29.08.2014 fest.
Ein von Amts wegen bestellter gerichtlicher Gutachter stellt sachlich zutreffend fest, dass es durch Laternen wie denen von M und F durchaus zu einem Waldbrand kommen könnte, wenn diese – was nicht auszuschließen ist – fehlerhafterweise noch brennend zu Boden gehen.Insbesondere in den Monaten April bis August bestehe daher eine erhöhte Waldbrandgefahr. Diese Gefahr wäre allerdings erheblich gemindert, wenn – was ebenfalls regelmäßig vorkommt – in diese Zeit eine längere Regenperiode fällt.
Zwischenzeitlich haben M und F plangemäß am 08.08.2014 geheiratet, aber unter großem Bedauern auf den Einsatz der Laternen verzichtet. Sie möchten nunmehr vom Gericht festgestellt wissen, dass die Ordnungsbehörde zum Erlass der Verfügung nicht berechtigt war. Schließlich habe es im August und in den Wochen zuvor nahezu durchgängig geregnet. Im Übrigen können sie sich auch vorstellen, in Zukunft bei anderen Anlässen die Laternen doch aufsteigen zu lassen. Sie halten die Verfügung daher für gänzlich rechtswidrig. Wenigstens müsse die Stadt ihnen doch die Ausgaben für die Laternen ersetzen. Zum Erlass einer Verordnung wie der FluglatV sei außerdem, wenn überhaupt, die Stadt zuständig. Auch beschweren sie sich über die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes; bereits aus § 2 S. 2 FluglatV ergebe sich, dass dieses höchsten 1000 Euro betragen könne. Die Behörde verweist hinsichtlich der Rechtmäßigkeit auf die im Bescheid angegeben Begründung.
Fallfrage: Hat die Klage von F und M Erfolg?
– Fluglaternenverordnung NRW – (Gesetzgeberische Angaben) …Gestützt auf § 26 I OBG NRW.
- 1 – Es ist verboten, Papierlaternen mit eigener Brennquelle oder so genannte „Kong-Ming- Laternen“ (Fluglaternen) zu benutzen.
- 2 – Ordnungswidrig handelt, wer gegen das Verbot des § 1 verstößt. Für den Falle der Zuwiderhandlung kann ein Bußgeld bis zu 1000 Euro verhängt werden.
- 3 – Die Verordnung tritt am 31.12.2014 außer Kraft. Der Minister des Innern.
Zudem ist ein Kalender für das gesamte Jahr 2014 abgedruckt.
Bearbeiterhinweis:
Alle aufgeworfenen Rechtsfragen sind, ggf. hilfsgutachterlich, zu beantworten. Die FluglatV wurde vom Innenminister dem Landtag vorgelegt, ausgefertigt und verkündet. Forst-, naturschutz- oder Luftfahrtverkehrsrechtliche Vorgaben sind nicht zu beachten.
Fast identische Klausur in Berlin/Brandenburg. Irgendwie war öffentliches Recht in der Kampagne einfach nur langweilig…
In Berlin/Brandenburg war die Verordnung aber rechtswidrig, da sie die Rechtsgrundlage nicht zitierte.
Gibt es lösungsvorschläge?
Zu prüfen wäre eine FFKL gegen den untersagungsbescheid .. im rahmen der klagebefugnis besteht das ehepaar eine konkrete wiederholungsgefahr.. probleme bei der zulässigkeit gibt es meinerseits nicht. Zu prüfen sind aber laut fallfrage 2 klagen , jedoch kann man sie zusammenprüfen oder sehe ich das falsch? dann würde ich inzident die fluglaternenvo in der materiellen rm des des va s prüfen ( rgl des va wäre 14 obg mangels einschlägigkeit von spezielgesetzen)–> gefahr für öffentliche sicherheit und ordnung ( verletzung der vo als teil der rechtsordung) . worunter könnte man das ordnungsgeld subsumieren? ( vllt ermessen? )
In der Zulässigkeit war die Klagefrist problematisch (Das Fristende fällt auf Ostersonntag), sowie in Berlin das Festststellungsinteresse, da keine Wiederholungsgefahr angegeben war. In Berlin musste die Verordnung m.E. rechtswidrig sein, da die Ermächtigungsgrundlage nicht genannt wurde (vergleichde das Brandenburger Original der FluglatV und OVG 10 A 8.10)
genau das habe ich übersehen.. das mit der höhe des zwangsgeldes ist dann eine ermessensfehlgebrauch oder? ie ist der va aber rm würde ich sagen also in nrw
also ich würde sagen:
Zulässigkeit :
-ffk
p1 klagefrist
p2 streitgenossenschaft von m und f
Begründetheit:
I. RMK des Untersagungsbescheids
p1 Inzidentprüfung der VO bei 14 OBG
p2 konkrete gefahr (-)
p3 anscheinsgefahr (+)
II. RMK der Zwangsgeldandrohung (+) wegen wirtschaftlichem Interesse
Klage unbegründet
Wie genau begründest du denn die RMK der zwangsgeldndrohung? İn der VO ist der betrag ja höchstens auf 1000€ zu setzen…man muss voll annehmen dass es rm war aber die begründung ist mir leider nicht klar.. Wäre nett wenn du weiterhelfen würdest:)
Wohl sollte es heissen:D
ich hab das mit 60 I 2 VwVG NRW begründet. danach ist auch das wirtschaftliche Interesse des betroffenen zu berücksichtigen und m und f sind hier ja Millionäre.
Außerdem haben Ordnungswidrigkeiten (repressiv) und Zwangsgeld (präventiv) verschiedene Zweckrichtungen. Daneben leuchtet es mir nicht ein, wieso denn eine Verordnung des Ministers des Innern den § 60 I VwVG NRW als höherrangiges Recht soll einschränken können.
was würdest du denn vorschlagen?
danke dir wer lesen kann ist im vorteil:D
Also in Berlin waren m.E. folgende Probleme i.R.d. Zulässigkeit:
– Abgrenzung der statthaften Klageart (Anfechtung, Feststellung, FFK)
– Frist wg Ostermontag
– Einreichung per Fax
– Notwendigkeit eines Vorverfahrens bei F, da sie ja keinen Widerspruch eingelegt hat (M und F sind m.E. getrennt zu betrachten)
– Wiederholungsgefahr hab ich bejaht, weil das Verwenden der Fluglaternen ja nicht auf die Hochzeit beschränkt ist.
Bei der Begründetheit:
– FluglatVO rm (m.E. war die Einleitungsformel nicht angegeben. Habs jedenfalls nicht an einer etwaigen fehlender Zitierung der EGL scheitern lassen)
– i.R.d. VO genügt abstrakte Gefahr; zeitliche Begrenzung (bspw. auf Sommermonate) nicht zwingend erforderlich
– i.R.d. Untersagungsvfg: konkrete Gefahr (+), da maßgeblicher Zeitpunkt der, der Entscheidung ist und nicht der 8.8.
– die Androhung des Zwangsgeldes ist auch rm, § 3 FluglatVO ist irrelevant, weil Bußgeld etwas anderes ist als Zwangsgeld (steht auch irgendwo im VwVG)
Meiner Meinung nach war die FluglatVO in Berlin/Brandenburg nichtig. Vergleicht man die Version in der Klausur mit der Originalversion, so fällt auf, dass in der Klausur die Rechtsgrundlage fehlte („http://www.bravors.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=land_bb_bravors_01.c.48896.de)
Sollte mE auf das Urteil vom 16. Juni 2014 · Az. OVG 10 A 8.10 abzielen
Wenn sie tatsächlich fehlte, hast Du recht. Wie gesagt, m.E. ging das aus dem Sachverhalt nicht hervor. Kann es aber nicht mehr mit Sicherheit sagen.
Bin mir da ziemlich sicher, da ich relativ lange an dem Punkt gehangen habe. Macht auch klausurtaktisch sinn von der Unwirksamkeit der Verordnung auszugehen, da man nur so auf die konkrete Gefahr eingehen konnte.
Das mit der konkreten Gefahr sehe ich anders. Die (unterstellt: rechtmäßige) VO ist ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit i.R.d. Generalklausel. Aus der VO selbst ergibt sich ja gerade keine Handlungsmöglichkeit der Behörde. Wenn aber die VO nur ein TBM ist, müssen auch die anderen TBM (ins konkrete Gefahr) iRd Generalklausel vorliegen. Ansonsten wäre ja zb auch bei jedweden anderen Verbotsnorm (zb 223 stgb) weder die gefahr noch ein ermessen iRd Generalklausel zu prüfen…
Die konkrete Gefahr bezieht sich dann aber nur auf die (konkrete) Gefahr der Verletzung der Verbotsnorm d.h. in unserem Fall das Aufsteigenlassen einer Fluglaterne. Es ist dann ausreichend, dass eine konkrete Gefahr bestand, dass die Fluglaterne aufsteigt, da dann die öffentliche Sicherheit verletzt worden wäre (im Sinne einer Verletzung der Verordnung).
Ja, da hast Du recht.