Jur:Next Urteil des Monats: Die gelungene Revision
Wir freuen uns, auch heute wieder einen Beitrag aus der gemeinsamen Kooperation mit jur:next veröffentlichen zu können. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich mit einem examensrelevanten Beschluss des Bundesgerichtshofs zur Strafprozessordnung und der Revision bzw. dem Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes.
BGH, Beschluss vom 5. November 2014, 4 StR 385/14
Die Strafprozessordnung im Allgemeinen und die Revisionsgründe im Besonderen gehen im universitären Studium viel zu oft neben dem als wichtiger geltenden materiellen Strafrecht unter.
Dabei hilft ein gutes prozessuales Wissen nicht nur Inselbildung zu vermeiden (vgl. nur die Ausprägung der Grundgesetze in der StPO und der Verfahrensmaximen in den Revisionsgründen) sondern kann gerade in der mündlichen Prüfung immens dazu beitragen sich von den anderen Prüfungsteilnehmern abzusetzen.
Der BGH in Strafsachen musste sich in einem jüngeren Beschluss mit einem der absoluten Revisionsgründe auseinandersetzen. Dieser Beschluss zeigt auf, wie schnell Ereignisse, trotz größter Vorsicht der Tatgerichte, eintreten können, die eine Revision begründen.
1. Sachverhalt
In der Hauptverhandlung beantragte die Nebenklägervertreterin, den Angeklagten für die Dauer der Vernehmung der Geschädigten auszuschließen. Staatsanwaltschaft und Verteidigung stimmten zu. Der Angeklagte verließ daraufhin den Sitzungssaal. Die Sitzung wurde kurz unterbrochen und mit der Verkündung des folgenden Beschlusses fortgesetzt:
,,Gemäß § 247 S. 2 StPO wird der Angeklagte für die Dauer der weiteren Vernehmung der Zeugin ausgeschlossen, um einer Retraumatisierung entgegenzutreten und weiteren psychischen Schaden für die Zeugin zu verhindern‘‘. Anschließend wurde die Geschädigte ergänzend vernommen.
2.Problemaufriss
Der Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO ist im vorliegenden Sachverhalt eigentlich offensichtlich. Gemäß § 247 S. 2 StPO hat das Gericht den Angeklagten lediglich für die Dauer der weiteren Vernehmung der Zeugin ausgeschlossen. Die Verkündigung des Ausschließungsbeschlusses selbst gehört nicht zu diesem Verfahrensabschnitt. Er muss vielmehr in Anwesenheit des Angeklagten verkündet werden.
Nun mag sich der geneigte Leser fragen, wie ein solch marginal erscheinender Fehler dazu führen kann, dass die gesamte Sache erneut verhandelt und entschieden werden muss.
Dabei muss allerdings bedacht werden, dass die Revisionsgründe des § 338 StPO die grundlegenden Maximen des Strafprozesses schützen.[1] Bei gravierenden Verfahrensverstößen führt dies konsequent zu Urteilsaufhebung.
Dies wird insbesondere im Vergleich zu § 337 StPO deutlich. Soll ein Revisionsgrund auf dieser Norm begründet werden, so bedarf es neben der Nennung des Verfahrensverstoßes zusätzlich der Darlegung, dass das Urteil auf diesem Verstoß beruht. Diese Feststellung braucht es bei den absoluten Revisionsgründen gerade nicht.[2] Die Rechtsprechung lässt allerdings eine nicht unumstrittene Einschränkung gelten. So soll eine Urteilsaufhebung unterbleiben können, wenn es denkgesetzlich ausgeschlossen ist, dass das angefochtene Urteil auf dem absoluten Revisionsgrund beruht.[3]
III. Bedeutung für die Ausbildung
Der vorliegende Fall des BGH zeigt lehrbuchartig auf, dass die Probleme sich durchaus im Detail verbergen können. Neben der Kenntnis der klassischen Problemen (man denke nur an den berühmten ,,schlafenden‘‘ Schöffen)[4], ist eine saubere und genaue Subsumtion des Sachverhaltes unerlässlich. Ohne diese grundlegende Arbeit werden Meinungsstreite und Problempunkte der Klausur und der mündlichen Prüfung zu schnell übersehen. Dies führt sodann zu einem unnötigen Punkteverlust.
Dass dies offensichtlich auch gestandenen Juristen passiert, ist dann nur ein geringer Trost.
[1]Karlsruher Kommentar StPO, § 338, Rn.2.
[2]Dölling/Duttge/Rösner, Gesamtes Strafrecht, § 338, Rn.1.
[3] BGH, Beschluss vom 10.12.2002, 5 STR 454/02.
[4] NStZ-RR 2000, S. 295.
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