Wir freuen uns erneut einen Gastbeitrag unseres Lesers Marvin Granger veröffentlichen zu können. In seinem Beitrag möchte er – aus Sicht des Korrektors – auf häufige und vermeidbare Fehler in der Examensklausur hinweisen. Der heutige erste Beitragsteil umfasst sowohl allgemeine methodische Fehler als auch Fehler aus dem Bereich Strafrecht.
Häufige Fehler in Klausuren
Seit einigen Wochen bin ich als Korrektor sowohl von Klausuren im Examensklausurenkurs als auch von Semesterabschlussklausuren tätig. Einige Fehler – insbesondere formeller Art – fallen uns immer wieder in Klausuren besonders ins Auge, diese ließen sich aber verhältnismäßig leicht vermeiden. Fehltritte wie die nachstehend aufgeführten sollte man tunlichst vermeiden, denn sie werden einen Korrektor im Zweifel dazu bewegen, die Klausur mit einer schlechteren Note zu bewerten.
Im Anschluss an jedes unten aufgeführte Problem finden sich ggf. begründete Formulierungsvorschläge sowie weiterführende Hinweise.
I. Allgemeines/Methodik:
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Floskeln: weglassen!
Sie haben im Gutachten nichts verloren, weil sie nichts aussagen und demnach die Falllösung nicht voranbringen. Ins Gutachten gehören vielmehr nur solche Ausführungen, die die Falllösung fördern. Am besten lasst also Wörter wie „unproblematisch“, „zweifellos“, „eigentlich“, „wohl ja/nein“, „eher ja/nein“ usw. weg und bezieht klar Stellung.
Übrigens: Wenn etwas unproblematisch ist, sollte man kein Fass aufmachen, sondern die Tatsache in ein oder zwei Sätzen mit kurzer Begründung feststellen. Gleiches gilt, wenn das Gesetz eine klare Antwort liefert. Hier ist dann nichts „fraglich“, „problematisch“ oder sonst etwas. Wer hier gutachterlich mit „hätte, müsste, könnte“ prüft, verschwendet wertvolle Zeit und verärgert den Korrektor. Der Gutachtenstil ist nur dort anzuwenden, wo eine eingehende Prüfung erforderlich ist. Sonst bitte kurz halten! Ein Rechtsgutachten soll auf dem kürzesten Weg zu einer vertretbaren Lösung führen. Andernfalls setzt man falsche Schwerpunkte.
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Gesetzeszitate: möglichst genau!
Nicht wenige Leute zitieren – wenn überhaupt – Gesetze nur nach Paragrafen bzw. Artikeln, jedoch ohne Absätze, Sätze, Halbsätze, Nummern, Varianten o.Ä. anzugeben. Diese müssen aber unbedingt mitzitiert werden! Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit etwa ergibt sich also nicht aus Art. 2 Abs. 2 GG, sondern aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
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Analoge Gesetzesanwendung: „gemäß § 670 BGB analog“
Das sollte man nicht schreiben – auch wenn es so in vielen Büchern und Aufsätzen steht! „Gemäß“ bedeutet nämlich, dass man eine Norm direkt anwendet, d.h. so, wie sie geschrieben steht. „Analog“ ist dagegen ein anderes Wort für „entsprechend“. Hier wird die Norm nicht direkt, sondern über ihren Wortlaut hinaus angewandt. Wenn man also schreibt „gemäß § 670 BGB analog“, dann heißt das nichts anderes als „§ 670 BGB in direkter und entsprechender Anwendung“. Das ist natürlich ein Widerspruch. Schreibt am besten „analog § 670 BGB“.
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Definitionen: Sie müssen bei der Prüfung im Gutachtenstil immer genannt werden, und zwar VOR der Subsumtion!
Viele Bearbeiter machen das nicht. Oft wird die Definition irgendwie in die Subsumtion „hinein gewurschtelt“ – wenn sie überhaupt gebracht wird! Dabei gibt gerade sie den Maßstab für die Subsumtion vor. Nur mit einer brauchbaren Definition kann man letztlich zu einem klaren und nachvollziehbaren Ergebnis gelangen.
II. Strafrecht:
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Erfordernis und Definition vorsätzlichen Handelns: Vielfach wird in Klausuren ohne Begründung gesagt, dass der Täter vorsätzlich gehandelt haben müsse. Ist das so – und wenn ja, wo steht das?
Das steht in § 15 StGB. Diese Vorschrift besagt: „Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.“ Zitiert bitte in Klausuren unbedingt diese Norm!
Für die Definition des Vorsatzes sollte man sich am besten am Umkehrschluss aus § 16 I 1 StGB orientieren und bspw. schreiben: „Vorsätzlich handelt, wer alle Umstände kennt, die den objektiven Tatbestand ausmachen (Umkehrschluss aus § 16 I 1 StGB).“ Wenn einem diese Definition nicht einfällt, geht auch die verkürzte Form: „Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung [geä. d. Red.].“
Bitte zitiert in jedem strafrechtlichen Gutachten, wenn Vorsatzdelikte zu prüfen sind, wenigstens ein Mal den § 15 und den § 16 I 1 StGB. Im weiteren Verlauf des Gutachtens könnt ihr hinsichtlich des Vorsatzes ja nach oben verweisen.
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Begründetheit der Revision: Nicht selten wird der Fehler gemacht, dass die Begründetheitsprüfung der Revision nicht mit den Voraussetzungen des § 337 I StPO eingeleitet wird, sondern die Bearbeiter fallen sofort mit absoluten und relativen Revisionsgründen ins Haus.
Hilfreich zur Lösung dieses Problems ist die Lektüre des § 337 I StPO: „Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.“ Aus dem Wortlaut des § 337 I StPO lässt sich ein zweiteiliges Prüfungsschema ableiten:
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Gesetzesverletzung
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Beruhen des Urteils auf der Gesetzesverletzung
Und nun lesen wir noch § 338 StPO: „Ein Urteil ist stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen …“ Das genügt schon.
§ 338 StPO bezieht sich mithin nur auf den zweiten Teil des Prüfungsschemas – auf das Beruhen des Urteils auf einer Gesetzesverletzung. Ob eine Gesetzesverletzung, die § 338 StPO voraussetzt, vorliegt, muss man zuvor also immer prüfen. Erst anschließend kann man beurteilen, ob die festgestellte Gesetzesverletzung überhaupt einen in § 338 StPO aufgezählten absoluten Revisionsgrund darstellt. Wenn ja, kann man sich eine eingehende Prüfung des Beruhens des Urteils auf der Gesetzesverletzung sparen, denn das wird ja nach § 338 StPO vermutet. Ist hingegen kein absoluter Revisionsgrund gegeben, kann es sich nur um einen relativen Revisionsgrund handeln und man muss auch noch das Beruhen des Urteils auf dem Gesetzesverstoß prüfen.